Die Vorgeschichte «A Plague Tale: Innocence» hat uns 2019 kalt auf dem emotionalen Fuss erwischt. Das Seuchen-Drama um zwei Geschwister im Mittelalter hat berührt und ziemlich aufgewühlt. Die direkte Fortsetzung packt uns ebenso, hat aber ihre inhaltlichen Probleme.
Was bisher geschah
Im Jahr 1348 wird die Familie de Rune im südwestlichen Königreich Frankreich komplett erschüttert. Truppen der Inquisition überfallen das Anwesen. Der Vater stirbt, die Mutter bleibt verschollen und Amicia und Hugo sind auf der Flucht.
Die Spielenden schlüpfen in die Rolle der grossen Schwester und müssen dabei auf Hugo aufpassen. Dieser ist nicht nur jünger und manchmal etwas gar sehr neugierig, sondern besitzt auch eine mysteriöse Krankheit, die irgendwie mit einer aufkommenden Rattenplage und der Pest verbunden zu sein scheint. Es kommt zu Irrungen und Wirrungen, übernatürlichen Phänomenen und so was wie ein Happy End.
Ratten, überall Ratten!
In der Fortsetzung geht es Hugo vorerst ganz wunderbar. Zusammen mit seiner neuen Familie hat er ein neues Zuhause gefunden und die mysteriöse Krankheit ist nahezu vergessen. Doch unter noch zu klärenden Umständen kehrt diese plötzlich zurück und hat ebenfalls wieder die ominöse Rattenplage im Gepäck.
Nun macht sich Amicia wieder auf die Suche nach einem Heilmittel und bekommt dabei die Hilfe von unterschiedlichen Menschen an ihrer Seite. Die Spielmechanik ist dieselbe und immer noch sehr vertraut. Es wird hauptsächlich geschlichen und die direkte Konfrontation wird möglichst gemieden.
Kommt es dann doch zu einer Auseinandersetzung, wird wieder die obligate Steinschleuder, ein Topf voller Alchemie und später auch eine Armbrust eingesetzt. Abseits von diesem Schleich-Kampf-Versteck-Spiel gibt es wieder Ratten-Licht-Rätsel zu lösen. Denn die Ratten sind wieder ziemlich aggressiv und dürfen kaum berührt werden. Sie meiden jedoch das Licht, ja sie haben gar panische Angst vor Fackeln. Also muss man sich den Weg errätseln indem Lichtquellen geschaffen oder andere Möglichkeiten gefunden werden, um den Ratten aus dem Weg zu gehen.
Wunderschöne Kulisse
Auf der Suche nach einem Heilmittel durchstreifen wir eine mittelalterliche Kulisse in Südfrankreich, die uns die Kinnlade regelmässig nach unten fallen lässt. Die atemberaubenden Landschaften laden zum Verweilen ein. Auch wenn uns das Videospiel einen ziemlich linearen Weg weist, ist die Faszination so gross, dass wir uns abseits der Hauptpfade immer wieder mal umschauen und die Fleissarbeit der Entwicklerinnen und Entwickler einsaugen. Die Flora und Fauna von Südfrankreich wurde vorzüglich getroffen.
Es gibt aber nicht nur Schönes, sondern auch Schreckliches zu sehen. Die Pest ist wieder auf dem Vormarsch und immer wieder müssen wir uns durch Leichenberge schleichen, dreckige Gassen durchschreiten und massenweise tote Tiere, die in ihren Eingeweiden herumliegen, umgehen. Der Anblick ist schauerlich und wir preisen hier den Game-Gott, dass er uns noch keine Funktion geschenkt hat, um Videospiele auch zu riechen. Ja, die Atmosphäre in dieser Fortsetzung ist wieder mal vorzüglich gelungen. Wir können uns an der Umgebung kaum sattsehen, so wunderschön und dreckig düster ist dieses Videospiel geworden.
Eine Geschichte mit Aussetzern
So wunderschön das alles anzusehen und zu spielen ist, so kritisch müssen wir das Storytelling betrachten. Die sehr emotionale Geschichte zieht uns zunächst wunderschön hinein und wir fiebern mit allen Beteiligten um Stunden mit. Aber die Story hat leider auch ihre narrativen Aussetzer.
Fein säuberlich aufgebaute Dramaturgie-Pfade werden plötzlich verlassen, einige Charakterentwicklungen werden aus unerklärlichen Gründen gar nicht mehr weiterverfolgt, sondern fransen immer mehr aus. Können wir die Motivation der Figuren vor allem in der ersten Hälfte noch mit Herz nachvollziehen, häufen sich im späteren Spielverlauf immer mehr Entscheidungen und Entwicklungen sowie Logikprobleme, die wir nur noch mit einem Kopfschütteln begleiten können.
Fazit: Trotz inhaltlicher Schwächen unbedingt spielen!
Ja, «Requiem» hat seine dramaturgischen Probleme und den einen oder anderen Aussetzer, der uns ratlos zurücklässt. Und dennoch können wir dem Videospiel nicht wirklich böse sein, da es uns trotzdem weiter vorantreibt und uns neugierig macht, wie die Geschichte dieses Mal wohl ausgehen mag. Der optische Reiz ist bis zum Ende ungebrochen und der Fokus auf die Schleichpassagen sorgt für eine zusätzliche beklemmende Stimmung.
Aber Achtung: Wer vollends in den Genuss dieser Fortsetzung kommen möchte, sollte den ersten Teil unbedingt zuerst gespielt haben, denn die Spielenden werden ohne Vorkenntnisse und Rückblende brutal ins kalte Wasser geworfen und mit einigen Fragezeichen alleine stehen gelassen.
«A Plague Tale: Requiem» ist erhältlich für Playstation 5, Xbox Series X/S, Nintendo Switch (Cloud-Version) und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.
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