Nein, ich war nie ein grosser «Star Wars»-Enthusiast. Zwar habe ich alle Filme gesehen, allerdings hielt die Begeisterung nie so lange an, um mich näher mit dem Universum zu beschäftigen. Trotzdem habe ich mir auch die Live-Action-Serien angeschaut. «The Mandalorian» fand ich in Ordnung, «Boba Fett» dafür weniger. Und «Obi-Wan Kenobi»? Tja, das war für mich nicht nur mehr vom Gleichen, sondern einfach nur mieses Storytelling.
Damit hielt sich meine Vorfreude in Grenzen, was neues «Star Wars»-Material anging. Als dann auch noch der angekündigte Film «Rogue Squadron» von der Liste der Kinostarts ersatzlos gestrichen wurde, war für mich klar: Disney eiert im Moment ziemlich herum, was sein Sternen-Franchise angeht.
Entsprechend war ich gespannt, was mich bei «Andor» erwarten würde. «Andor» sollte sozusagen die Vorgeschichte von «Rogue One» erzählen. Ich hatte den Stand-Alone-Film damals richtig gut gefunden, visuell als auch erzählerisch. Für mich ist er ganz klar der beste «Star Wars»-Film, der unter der Disney-Führung entstanden ist. «Rogue One» war für «Star Wars»-Verhältnisse geradezu düster, bitterernst und das Ende überraschend erfrischend. Tatsächlich konnte ich damals im Kino fast nicht glauben, dass Disney diesen Schluss wahrhaftig gutgeheissen hatte.
«Andor» ist erfrischend anders
Doch würde «Andor» den gleichen Weg einschlagen oder ein Gewurstel à la «Obi-Wan Kenobi» werden? Mein Fazit nach vier Folgen: Die neue Serie ist der erfrischende Bruch mit dem «Star Wars»-Universum, den ich mir erhofft hatte. Statt auf Fanservice zu setzen und altbekannte Charaktere und Themen neu aufzuwärmen, gibt es frische Einblicke ins Sternenuniversum. Das zeigt nur schon die Tatsache, dass wir nach vier Folgen noch keinen einzigen Sturmtruppler zu sehen bekommen haben.
Auch erzählerisch ist «Andor» angenehm anders. Statt wie bei «The Mandalorian» auf episodische Geschichten zu setzen, die nur lose zusammenhängen, gibt es bei «Andor» eine stark zusammenhängende Story. Das hat es zwar schon bei «The Book of Boba Fett» und «Obi-Wan Kenobi» gegeben, doch «Andor» lässt beide Serien blass aussehen. Das liegt vor allem daran, dass die Serie gar nicht erst versucht, sich bei den Fans anzubiedern. Statt möglichst vielen bekannten Charakteren einen Gastauftritt zu verschaffen, setzt «Andor» (bisher) auf völlig neue Figuren (natürlich bis auf Cassian Andor).
Nun muss die Serie das Ende noch hinkriegen
Das führt gezwungenermassen dazu, dass sich die Geschichte Zeit nehmen muss, diese einzuführen. Und genau dies hat «Andor» bisher wunderbar hinbekommen. Die Story lässt sich Zeit, die Welt rund um die Hauptfigur aufzubauen und dem Publikum die Zusammenhänge zu vermitteln. Viele Feuergefechte und sonstige Action gibt es in den ersten vier Folgen nicht. Dafür umso mehr Dialoge, die aufzeigen, dass im «Star Wars»-Universum nicht alles so schwarz-weiss ist, wie die ursprüngliche Trilogie vermittelt hat. Etwas, das übrigens Rian Johnson mit «Die letzen Jedi» ebenfalls versucht hat.
Überspitzt könnte man sagen, dass «Andor» die «Star Wars»-Version von «Game of Thrones» ist – natürlich in der familienfreundlichen Disney-Version. Bleibt zu hoffen, dass «Andor» dieses Niveau halten kann. Dass alles auf einen grossen Showdown hinausläuft, ist bereits jetzt klar – und zumindest da wollen wir bestimmt kein Ende à la «Game of Thrones».
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