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Another World: Eine Erinnerung

Another World

Lange stand ich einfach nur da. Ich starrte auf den Bildschirm. Ich blickte in die Ferne. Ein Mond. Berge. Felsen. Ein tiefes Blau. Ein violetter Schimmer. Mystische Musik. Eine fremde Welt und dennoch schien sie vertraut. Gänsehaut.

Auf der Kuppel steht ein Wesen. Ein Löwe? Das Ding beobachtet mich und huscht davon. Wird es mich jagen? Nur ganz zögerlich gehe ich meine ersten Schritte, bin aufgeregt und habe auch etwas Angst. Schleimige Würmer fallen herab, ich zertrample sie. Dann steht plötzlich diese Bestie vor mir, ich renne davon, zurück zum Ausgangspunkt. Jetzt schnappt er mich gleich. Dann doch nicht, das Vieh rutscht aus. Ich renne weiter. Eine Liane, ein Abgrund. Ich trickse das Biest aus und renne wieder weg. Das Ding lässt nicht locker. Jetzt bin ich tot. Doch da, ein Laserschuss, verhüllte Gestalten retten mich. Doch sie betäuben mich und stecken mich in ein Gefängnis. Ich bin nicht alleine. Gemeinsam mit einem fremden Wesen gelingt mir die Flucht.

Another World von 1991 in der Retrospektive.
Bild: Delphin Software

Es ist schwierig zu umschreiben, was dieses einzigartige Videospiel damals mit mir gemacht hat. Im Jahr 1991 war es einfach plötzlich da. Der Stil von Another World war neu für mich. Die minimalistische Grafik, diese simplen Linien und die behutsam eingesetzten Farben. Das Spiel sah irgendwie unvollendet aus. Und dennoch war die Optik wunderschön. Die vollanimierten Zwischensequenzen bestehend aus lauter Polygonen fesselten mich. Der Pseudo-3D-Effekt zog mich in seinen Bann.

Alleine das Intro war für die damaligen Verhältnisse revolutionär und einfach berauschend: Ein junger Schnösel braust mit seinem Sportwagen zu seinem Labor. Ein Lift fährt nach unten, mystische Klänge. Der Zutritt zum Labor wird gewährt. Ein Computer, ein Experiment. Es beginnt. Alles sieht wichtig und wissenschaftlich aus. Noch kurz ein Schluck aus einer Dose, dann schlägt ein Blitz ein. Und schwupps bin ich weg.

Das Spiel gab mir so gut wie keine Hinweise, was ich machen musste. Die Folge: Unzählige Male begab ich mich ins digitale Nirvana und musste neu beginnen. Das war frustrierend, aber ich konnte meine Finger nicht davon lassen.

Another World von 1991 in der Retrospektive.
Bild: Delphin Software

In dieser kruden Arena, wo es galt einen Panzer oder ein ähnliches Vehikel zu steuern, um mich zur Wehr zu setzen, drückte ich einfach immer wieder per Zufall ein paar Knöpfe. Das Glück war schliesslich auf meiner Seite und das Spiel ging weiter. Dunkle Höhlen, geheimnisvolle Areale und beängstigende Korridore zogen mich weiter in ihren Bann.

Das Spiel war zweifellos kein Blockbuster. Aber der Titel besass eine schnell wachsende Fangemeinde und war auf dem Pausenhof lange das Gesprächsthema Nummer Eins. Erst sehr viel später wurde mir bekannt, dass der französische Computerspieldesigner Éric Chahi das Ding fast im Alleingang vollbracht hatte. Respect, Monsieur Chahi!

Das Ende habe ich damals übrigens nicht verstanden. Da war plötzlich ein Drache auf dem Dach und ich wurde von meinem neuen Freund auf seinen Armen behutsam weggetragen und schliesslich weggeflogen. War ich etwa die Prinzessin, die gerettet werden musste? Und wohin ging dann die Reise? Was folgte danach? Fragen über Fragen liessen mich zurück. Aber da war auch Stolz in mir, dieses schwierige Abenteuer überstanden zu haben.

Meitruva!

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Über Simon Dick

Populärkultur und Unterhaltungsmedien begleiten mich schon seit Jahrzehnten. Als freischaffender Game- und Filmkritiker darf ich hier meine subjektiven Zeilen hinterlassen und leidenschaftlich «rumvyben».

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