Seit Huawei unter dem US-Bann steht, kann der Smartphone-Hersteller auf seinen neuen Modellen den Play Store nicht mehr nutzen. (Welche das sind, liest du hier). Als Alternative zum Play Store hat Huawei die AppGallery vorinstalliert. In diesem Beitrag erfährst du, ob der Ersatz etwas taugt und mit welchen Problemen du dich herumschlagen musst.
Wie gross ist das App-Angebot in der AppGallery?
Ich dachte mir, ich starte doch gleich mit der wichtigsten Frage. Schaut man sich die verfügbaren Anwendungen in der AppGallery an, ist das Angebot noch immer eher bescheiden. Dennoch sind auch bereits einige bekannte und beliebte Anwendungen verfügbar. Aus der Schweiz sind beispielsweise fast alle grossen News-Apps vertreten und auch einige Social-Media-Apps sind offiziell erhältlich. Tatsächlich wächst die AppGallery wöchentlich. Das merkt man auch daran, dass auf der Startseite regelmässig neue Apps vorgestellt werden.
Einige Apps sind nur billige Portierungen
Ein Problem, mit dem die AppGallery aber noch zu kämpfen hat, ist, dass einige Apps nur billige Portierungen sind. Da neue Huawei-Handys noch immer auf Android aufbauen, kann man auch problemlos jede Android-App installieren. Nur: Nutzt eine App Google Mobile Services (GSM), findet sie diese auf Huawei-Handys ohne Google-Lizenz nicht vor. Die Konsequenz: Die App funktioniert unter Umständen nur eingeschränkt. Um diesem Problem zu begegnen, hat Huawei seine eigenen Schnittstellen programmiert: Die Huawei Mobile Services (HMS).
Hier versteckt sich aber nun ein grosser Haken: Damit eine App beispielsweise auf dem P40 Pro perfekt läuft, müssen Entwickler die implementierten Google-Schnittstellen durch Huawei-Schnittstellen ersetzen. Das bedeutet Programmieraufwand und im Endeffekt zusätzliche Kosten. Anbieter, die nun also nur sehr wenige Google-Schnittstellen integriert haben, stellen ihre Apps dann manchmal in die AppGallery, ohne die GSM durch HSM ersetzt zu haben. Wenn du dir nun also einer dieser Apps aus der AppGallery lädst, kann es trotzdem sein, dass sie nicht 100 Prozent einwandfrei läuft.
Was ich beispielswiese schon erlebt habe, ist, dass das Google-Login noch implementiert ist. Startet man dann die App, sucht sie natürlich nach der Schnittstelle für das Google-Login und reklamiert, weil diese nicht vorhanden ist. Meist lässt sich die App dann trotzdem nutzen. Wer sich ursprünglich aber via Google-Login registriert hat, kommt nicht mehr in seinen Account rein.
Fehlende Apps können teilweise über Umwege ersetzt werden
Dennoch: Viele bei uns beliebte Apps fehlen noch immer. Prominente Beispiele sind Spotify, Twint oder und natürlich sämtliche Google-Apps. Huawei hat aber zwei Workarounds gefunden, um fehlende Apps trotzdem verfügbar zu machen. Diese Notlösungen funktionieren mal besser mal weniger.
Workaround 1: Download von externer Seite
Ist eine App nicht in der AppGallery verfügbar, aber auf der offiziellen Seite des Entwicklers, verlinkt Huawei einfach aus der AppGallery darauf. So kann man sich zum Beispiel WhatsApp installieren. Sucht man in der AppGallery nach WhatsApp erscheint als erstes Suchresultat ein Eintrag mit mit dem Hinweis, dass es sich um einen externen Download-Link handelt. Klickt man darauf, kommt man auf die offizielle WhatsApp-Website, wo man sich einfach die APK-Datei herunterlädt und installiert.
Dieser Workaround ist aber relativ selten, da nur wenige Anbieter ihre Apps auf der eigenen Website als Download anbieten. Ausserdem ist dieses Schlupfloch spätestens sei Einführung von Petal Search eher überflüssig.
Workaround 2: Verwendung von Quick Apps
Quick Apps klingt leider besser als es effektiv ist. Huawei bewirbt diese als “neue Art von Apps, die keine Installation benötigen”. Quick Apps basieren auf HTML5 und was da im Wesentlichen passiert, ist, dass schlicht die mobile Seite einer Anwendung geladen wird.
Ein Beispiel: Twint ist als Quick App verfügbar. Startet man diese aber, zeigt es schlicht die mobile Website von Twint an. Dort kann ich zwar allerlei Infos über Twint abrufen, aber mich einloggen und Geld transferieren geht nicht. Quick App machen also in etwa das Gleiche, wie wenn ich auf eine Website gehe und dann von dieser Seite eine Seitenverknüpfung auf dem Home-Bildschirm anlege. Aus Entwicklersicht sind Quick Apps noch etwas spannender, weil sie in die Huawei-Suche auf dem Smartphones integriert sind. Aber aus Nutzersicht kann man sich Quick Apps eigentlich sparen und einfach gleich die mobile Website aufrufen und abspeichern.
Für fast jede Google-App gibt es eine Ersatz-App
Wer vom Google-Ökosystem abhängig ist, wird mit einem Huawei-Handy ohne GMS leider nicht glücklich werden. Essenzielle Dienste wie Drive, Fotos oder Analytics funktionieren nicht oder nur sehr eingeschränkt. Fast am besten läuft noch Maps, aber nur, solange man sich nicht einloggen möchte. YouTube, das ja auch zu Google gehört, verweigert seinen Dienst komplett.
Die gute Nachricht ist, dass es einige Alternativen in der AppGallery gibt, die durchaus etwas taugen. Gmail zu ersetzten ist beispielsweise kein Problem und mit Here ist auch eine einigermassen gute Navigations-App verfügbar. Kniffliger wird es da schon bei Drive. Weder Dropbox noch sonst ein bekannter Cloud-Dienst sind aktuell verfügbar. Wer aber möchte, kann einfach die hauseigene Huawei Cloud benutzen. Und über Petal Search kann man sich auch Dropbox oder OneDrive besorgen.
Keinen Ersatz gibt es natürlich für YouTube. Hier muss man leider auf die mobile Website ausweichen. Das funktioniert ganz gut, auch wenn leider schon nicht ganz das Gleiche ist wie mit der App. Überhaupt kann man grundsätzlich fast jeden Google-Dienst via mobiler Website nutzen. Aber eben: Das funktioniert zwar, aber Apps laufen einfach ein kleines bisschen schneller und sind oft auch übersichtlicher.
Das grosse Problem der AppGallery: Banking-Apps
Ein grosses Loch klafft in der AppGallery leider noch bei den Banking-Apps. Aktuell ist nur gerade Neon erhältlich. Alle anderen Banken, also UBS, Postfinance, Raiffeisen und wie sie alle heissen, haben sich noch nicht die Mühe gemacht, ihre Apps zu portieren. Zwar findet man über Petal Search fast jede Schweizer Banking-App, aber ich kann nur mit Nachdruck davon abraten, diesen Weg zu nutzen. Das Risiko, dass ihr euch eine korrumpierte Installationsdatei einfangt, ist durchaus realistisch – und ihr wollt nicht eines Tages feststellen, dass euer Konto leergeräumt ist.
Die Frage ist hier also, wie schnell schafft es Huawei Schweiz, die grössten Banken dazu zu bewegen, ihre Apps für HMS anzupassen. Ich denke, wenn die Raiffaisen, die Kantonalbanken, Postfinance, UBS und Credit Suisse in der AppGallery erhältlich sind, hätte man den grössten Teil der Schweizer Bankkunden abgedeckt.
Was Huawei ebenfalls hinkriegen muss, ist, dass Twint offiziell in der AppGallery erhältlich ist. Zwar kann man sich die Apps via Petal Search holen, aber eben: Man sollte mit Apps, mit denen man Geld bewirtschaftet, vorsichtig sein. Ausserdem funktioniert die Prepaid-Version von Twint überhaut nicht ohne GMS. Die Varianten der UBS und der Raiffaisen wiederum sollen angeblich funktionieren, habe ich von Leuten gehört, die es wissen müssen. Weshalb das so ist? Laut Huawei Schweiz verlangt jede Bank bei ihren eigenen Twint-Versionen andere Anforderungen, die zwingend Vorhanden sein müssen. Während die UBS-Twint-Version also anscheinend GSM nicht zwingend voraussetzt, ist das bei der Prepaid-Version der Fall. So kommt es also, dass einige Twint-Versionen funktionieren und andere nicht. Ihr seht: Es ist kompliziert.
Welche der beliebtesten Apps der Schweiz sind in der AppGallery verfügbar?
Ich habe mir gedacht, ich schau mir doch einfach einmal die Download-Charts des Play Stores an und gucke, ob diese Apps auch in der AppGallery verfügbar sind. So kriegt ihr zumindest einen groben Eindruck davon, was euch erwartet.
Die Top 20 der beliebtesten kostenlosen Apps
App-Name | In der AppGallery verfügbar? | In Petal Search verfügbar? |
---|---|---|
QR & Barcode Scanner (Deutsch) | Nein, aber es sind diverse andere QR-Scanner verfügbar | Ja |
Microsoft Teams | Nein | Ja |
swisstopo | Nein | Nein |
SwissCovid | Nein | Ja (Funktioniert aber ohne GSM nicht) |
TikTok | Ja | Ja |
photoTAN Zürcher Kantonalbank | Nein | Ja (Ich rate von der Installation ab) |
REFACE: face swap videos | Nein | Ja |
WhatsApp Messenger | Ja (via externem Download) | Ja (Funktioniert – ausser das Backup via Google Drive) |
Kostenloser Qr & Barcode Scanner (Deutsch) | Ja | Ja |
Microsoft Outlook | Nein | Ja |
SBB Mobile | Ja, aber nur als Quick App | Ja |
Too Good To Go | Nein | Nein (Nur Weiterleitung auf Website) |
Microsoft Authenticator | Nein | Ja, aber nicht kompatibel |
Telegram | Ja | Ja |
Ja, aber nur als Quick App | Ja | |
Wish | Nein | Ja |
Zoom Cloud Meetings | Nein | Ja |
Zalando | Ja, aber nur als Quick App | Ja |
Coop | Nein | Ja |
Spotify | Nein | |
Hinweis: Ich habe nicht alle Apps, die via Petal Search erhältlich sind, auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft. Ich kann euch also nicht versprechen, dass diese Apps einwandfrei funktionieren. Ebenfalls habe ich die App “Samsung Smart Switch Mobile” aus der Liste weggelassen, obwohl sie in den Top 20 wäre. Weshalb, dürfte klar sein. Diese Liste wurde zuletzt am 28.08.2020 aktualisiert).
Fazit zu Huaweis AppGallery
Die AppGalley ist leider noch immer sehr sehr ausbaufähig. Zwar sind bereits einige bekannte Apps verfügbar, aber viele beliebte Apps, auch solche aus der Schweiz, fehlen nach wie vor. Dennoch wächst die AppGallery in einem rasanten Tempo und wir dürfen gespannt sein, wie das Angebot in einem Jahr aussieht. Bis dahin kann man viele Apps über die Alternative Petal Search beziehen. Diese sind dann aber noch nicht auf die Huawei Mobile Services angepasst und funktionieren unter Umständen nicht immer einwandfrei – oder im Extremfall sogar überhaupt nicht.