Ich geb’s zu: Ich bin ein Sportmuffel. Es ist nicht so, dass ich früher keinen Sport getrieben hätte. Als Kind habe ich mich oft und gerne bewegt. Street-Hockey, Schwimmen oder durch den Wald zu rennen, war dazumal aber nicht wirklich Sport für mich, sondern einfach Freizeit. Ja und dieses Gefühl ist mir dann irgendwann in meinem jungen Erwachsenenleben abhandengekommen. Ja, ich habe danach noch ein paar Jahre unregelmässig Sport gemacht. Ich habe mich Woche für Woche ins Gym gequält, habe im Militär sogar kurzzeitig eine gewisse Herausforderung im Sport gesehen und in einem Anflug von Grössenwahn freiwillig einen 25 Kilometer langen Marsch mit 12 Kilo Gepäck absolviert. (Ich bin den letzten Kilometer sogar gejoggt, WTF?!).
Und jetzt? Nun gehöre ich zu den unzähligen Passivmitgliedern, die die Fitnessclubindustrie am Leben erhalten. Klar, zwischendurch packt es mich wieder einmal und ich schaffe es, ein Gewicht zu erreichen, dass laut dem Body Mass Index schön in der grünen Mitte ist. Ansonsten ist es eher leicht darüber und kommt dem gelben Bereich von Zeit zu Zeit gefährlich nahe. Aktuell habe ich wieder so eine Beinahe-Gelb-Phase und daher brauchte es nicht viel Überredungskunst von Apple, als sie mir ihr Fitness+ zum Test angeboten haben.
«Gute Idee», dachte ich mir, denn so habe ich keine Ausreden mehr. Sagt man zu einem Test zu, muss man abliefern, so ist die ungeschriebene Vereinbarung. Nun, über einen Monat später bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das wirklich eine so tolle Idee war. Daran hat aber nicht Apples Fitness+ Schuld, sondern meine Faulheit mein Dasein als Sportmuffel.
Fitness+ indes tut alles, um mir mein Sportlerleben auf einfache Weise schmackhaft zu machen. Ich kriege motivierende Nachrichten gepusht, ich solle mich doch mal eine Minute bewegen. Oder doch wenigstens kurz aufstehen. Ist ja eigentlich nicht so schwierig, oder? Nur. Kurz. Aufstehen. Aber wenn ich mitten in einem Text versunken bin, möchte ich nicht kurz aufstehen. Das bring mich aus dem Flow. Da sage ich mir: «Mach ich nachher» – und vergesse es dann natürlich.
Aber hey, Fitness+ hat ja noch anderes auf Lager, denn Apple ist sich sehr wohl bewusst, dass es auch Leute wie mich gibt. Und die muss man sachte an Sport heranführen. Zum einen, weil sie keine Lust haben, gleich ein Core-Training zu absolvieren, aber auch, weil wir ungeübte Anfänger sind, die sich schon beim Zuschauen einer Lektion HIIT einen Bänderriss holen. Apple nennt diese Übungen freundlicherweise «Training für Einsteiger:innen». Klingt also ideal für mich.
Gemacht habe ich es bisher noch nicht. Weshalb? Weil meine Freundin mir mit Nachdruck nahelegt, dass ich Yoga machen soll. Weil ich immer so verspannt bin und am Abend mental selten abschalten kann. Sie hat ja recht. Also steht jetzt Yoga auf meiner To-Do-Liste. Und Meditation gleich auch noch. Das war aber meine Entscheidung. Wollte ich schon immer mal ausprobieren. Praktisch, dass Fitness+ auch für letzteres einen Einsteiger:innenkurs anbietet. Bloss für Yoga habe ich nichts für Noobs wie mich gefunden – auch wenn es in Fitness+ gefühlt unendlich viele Lektionen gibt. Molly, Dustin, Jonelle, Jessica, sie alle wollen mit mir Yoga machen.
Aber nicht heute! Ich habe nämlich etwas entdeckt, was mir viel mehr zusagt: «Zeit fürs Gehen». Da gibt es doch tatsächlich einen Trainingskurs, bei dem ich spazieren kann! Wie cool ist das denn?! Tatsächlich ist Spazieren das Einzige, das ich regelmässig freiwillig mache – weil es mir Spass macht. Draussen durch die Natur zu schlendern und die frische Luft geniessen – oder auch mal durch die vor Leben brummende Altstadt Luzerns –, das sagt mir zu. Da kann ich die Gedanken schweifen lassen, über meine Projekte nachdenken oder ein Hörbuch hören.
Als ich da also die Lektionen von «Zeit fürs Gehen» entdecke, bin ich sofort dabei. Hat mich Fitness+ also doch noch rumgekriegt. Doch worum geht es bei «Zeit fürs Gehen» überhaupt? Ganz einfach: Erfolgreiche Leute, mal berühmt, mal weniger, spazieren ihren Lieblingsweg entlang und erzählen dabei etwas aus ihrem Leben. Im besten Fall kann man das als virtuellen Spaziergang bezeichnen, mit knirschendem Kies, lachenden Leuten aus der Umgebung, Möwen, die am Hafen kreischen und jeder Menge Anekdoten zu einer Umgebung, die ich als Zuhörer nicht sehe. Im schlechtesten Fall ist es ein Podcast, der mit Soundeffekten untermalt wird.
Nein, «Zeit fürs Gehen» ist kein innovatives neues Format, dass die Leute massenhaft zum Spazieren motivieren wird. Man könnte sich die Episoden genauso gut zu Hause auf dem Sofa anhören, eben genau wie einen Podcast. Aber hey, ich spiele mit und gehe brav raus, denn wenn ich das nicht tue, motzt meine Apple Watch. Die zeichnet nämlich schön auf, wie ich spaziere. Wie schnell, wie lange, wie weit. Und das kommt dann wiederum schön in die Statistik. Und ihr wisst, wie das so ist mit Sportstatistiken: Sie stacheln an, diese zu verbessern, auszubauen. Also spaziere ich weiter.
Ich spaziere zu Rebel Wilson, Hasan Minhaj oder Bernice A. King. Selbst Prinz William will mir was erzählen, dabei hat mich die britische Königsfamilie nie wirklich interessiert. Aber hey, hier ist er, Prinz William, auf meiner Apple Watch und erzählt mir eine Anekdote aus seinem Leben. Ich höre zu und muss sagen – gar nicht mal so uninteressant. Also höre ich weiter diesen Leuten zu, von denen ich teilweise noch nie gehört habe und spaziere mich so durch die Playlist von «Zeit fürs Gehen».
Zwischendurch erscheint auch mal ein Bild auf dem Screen meiner Apple Watch, damit ich auf einem Anzeigebereich von 1143 mm² sehe, wie Hasan Minhaj aussieht, wenn er im Trainingsanzug unterwegs ist. Gegen Schluss kommen dann immer noch drei Songs, die in den Leben der verschiedenen Leute eine erwähnenswerte Bedeutung haben. Die Bilder als auch die Songs kann man sich für später abspeichern. In der Galerie oder bei Apple Music als Playlist. Gemacht habe ich das zwar nicht, aber hey, wieso nicht.
Nein, eine Innovation ist «Zeit fürs Gehen» nicht. Zumindest ich für meinen Teil konnte die Strecken, die die Erzähler:innen gegangen sind, zu wenig abstrahieren, um darin zu versinken. Wie soll das auch gehen, wenn ich selbst durch eine ganz andere Gegend laufe? Die Bilder, die zwischendurch auf dem Bildschirm der Apple Watch erscheinen, sind nett, aber machen «Zeit fürs Gehen» jetzt auch nicht zu einem immersiven Erlebnis. Vielmehr wirken die Features ein bisschen gesucht, um daraus mehr zu machen, als nur einen Podcast.
Trotzdem hat «Zeit fürs Gehen» etwas Wichtiges geschafft: Es hat mich vom Sofa geholt. Klar, ich bin schon vorher gerne spazieren gegangen und habe mir dabei meist Hörbücher angehört. Aber «Zeit fürs Gehen» motiviert dahin gehend besser, als dass es mich dazu gebracht hat, länger zu spazieren. Während ich mit Hörbuch mal 20 mal 40 Minuten rausgehe, ist es mit «Zeit fürs Gehen» immer um die 45 Minuten, weil eine Lektion schlicht so lange dauert. Und noch wichtiger: Nach mehr als zwei Wochen «Hardcore-Spazieren» bin ich endlich motiviert genug, um wieder mit Sport loszulegen. Also ganz sachte. Zum Beispiel mit Training für Anfänger:innen. Darüber erzähle ich euch aber in meinem nächsten Bericht.