Eigentlich hätte «Black Adam» so viel Potenzial gehabt. In einem Paralleluniversum wäre aus der Comic-Vorlage ein mitreissender Film geworden. Er hätte die Grenzen von Gut und Böse verwischt und «The Rock» uns endlich bewiesen, dass er mehr als nur einen Gesichtsausdruck drauf hat.
Leider befinden wir uns nicht in besagtem Paralleluniversum und so müssen wir uns mit einem ganz anderen Film auseinandersetzen. Dieser strotzt nur so von Klischees und Vorhersehbarkeit und kann sich bis zum Schluss nicht entscheiden, was er eigentlich sein will: Eine Kritik am Schwarz-Weiss-Denken vieler Superhelden? Eine Komödie? Ein knallharter Action-Prügler? Oder doch ein Kommentar, wie der Westen mit vielen konfliktbehafteten Ländern umgeht?
Doch worum geht es überhaupt? Nun, um Black Adam. Dieser heisst zu Beginn aber noch Teth Adam und wird nach fast 5000 Jahren von Adrianna aus seiner Ruhestätte beschworen. Er hat nicht nur unglaubliche Kräfte, sondern auch eher einfache Moralvorstellungen: Wer gegen ihn ist, stirbt. Als er erkennt, dass seine ehemalige Heimatstadt von Söldnern beherrscht wird, tötet er diese wie unliebsame Insekten. Daraufhin wird die Justice Society entsendet, um ihn aufzuhalten.
Ein Herzensprojekt von Dwayne Johnson
Dwayne «The Rock» Johnson ist und war die treibende Kraft hinter «Black Adam». Seit 15 Jahren hat er versucht, den Comic auf die grosse Leinwand zu bringen. Damit kann man ihm zumindest eine Passion zugestehen, wie sie so wohl nur Ryan Reynolds für «Deadpool» gezeigt hat. Doch während letzterer Film eine grossartige Adaption wurde, die dem Superhelden-Genre neue Impulse gab, scheint «Black Adam» fast aus einer anderen Zeit zu stammen. Einer Zeit, in der Superheldenfilme für simple Handlungen und eindimensionalen Charakteren bekannt waren. Einer Zeit vor «Spider-Man» oder «The Dark Knight».
«Black Adam» zeigt gut auf, was passiert, wenn ein Hauptdarsteller zu viel Einfluss hat und das Studio zu viel Geld bereitstellt. Dwayne Johnson ist aktuell – gemessen an Einspielergebnissen – einer der erfolgreichsten Filmstars der Welt. Erreicht hat er das vor allem mit Filmen, in denen er sich durch eine simple Handlung prügelt oder schiesst. Egal, ob «Fast and the Furious», «Rampage», «Jungle Cruise» oder «Red Notice» – alle diese Filme erlauben es The Rock, sich mit einem Gesichtsausdruck und einigen One-Linern Einzeilern durch die Handlung zu hangeln.
Und was bisher funktioniert hat, muss man nicht zwangsläufig ändern, oder? Genau mit dieser Einstellung scheinen The Rock und das Studio Warner Bros. an «Black Adam» herangegangen zu sein. Gleich in den ersten 30 Minuten der Handlung bedient der Film so ziemliches jedes Superhelden-Klischee, dass es in den letzten 30 Jahren gegeben hat. Das fängt bei dümmlichen Söldnern an und endet bei einem Charakter, dem man schon von Weitem ansieht, dass er eigentlich der Böse ist.
Blasse Witze, keine Charakterisierung
Zwischendurch versucht der Film die Handlung durch den einen oder anderen Witz aufzulockern. Doch irgendwie wirken diese bemüht und sind auch nicht mehr sehr neu. Wenn Black Adam einen Söldner scheinbar beiläufig in die Luft schnippt und die Einstellung auf eine Totale wechselt, um zu zeigen, wie dieser in die Ferne fliegt, ist das auch etwas, das wir bereits kennen. Selbst ein Dialog, in dem Black Adam nicht versteht, was Ironie ist, wirkt krampfhaft und lange nicht so unterhaltsam wie bei Drax aus «Guardians of the Galaxy».
Bei den Nebencharakteren sieht es leider kaum besser aus. Mit der «Justice Society» führt der Film ein neues Team an Superhelden ein, die man geradezu vor den Latz geknallt bekommt. Dies sind Doctor Fate, Hawkman, Cyclone und Atom Smasher. Vier neue Charaktere, über die wir nichts wissen, was «Black Adam» auch nicht zu ändern gedenkt.
Klar hat der Film keine Zeit, eine umfassende Background-Story zu liefern, aber Cyclone und Atom Smasher hätte man genauso gut weglassen können, ohne, dass sich die Story geändert hätte. Tatsächlich erfahren wir über Atom Smasher eigentlich nichts, ausser, dass er einen Onkel hat, der dieselben Kräfte hat. Hätte die Handlung nur fünf Minuten der Actionszenen gekürzt und in die Charakterentwicklung dieser vier Figuren gesteckt, «Black Adam» wäre um einiges besser geworden.
Weniger Budget hätte dem Film gut getan
Hier zeigt sich, dass die Starpower und das grosse Budget dem Film eher im Weg gestanden haben. Das lässt sich am Beispiel von «Deadpool» gut aufzeigen. Ryan Reynolds Karriere war vor «Deadpool» ins Stocken geraten, vor allem, da er erst kürzlich mit «Green Lantern» einen üblen Flop gelandet hatte. (Was ja bekanntlich der DC-Film war, der das DC Extendet Universe hätte starten sollen). «Deadpool» wiederum war in den Augen des Produktionsstudios ein Risiko, entsprechend wenig Budget bekam der Film. Mit nur 58 Millionen lässt sich kein CGI-lastiger Film machen, stattdessen muss man sich auf die Handlung konzentrieren. Und genau da hat «Deadpool» abgeliefert.
«Black Adam» setzt stattdessen auf Non-Stop-Action. Es gibt im Film, der immerhin 125 Minuten dauert, kaum Zeit zu verschnaufen. Das wird spätestens nach einer Stunde anstrengend. Immerhin: Die 200 Millionen Budget sieht man dem Film an. Die Actionszenen sind einwandfrei und visuell teilweise sehr cool inszeniert. Dann wiederum gibt es aber etliche unnötige Slow-Motion-Szenen, bei denen ich mich gefragt habe, ob man sich da an Zack Snyders Stil aus «Justice League» orientiert hat.
Positiv hervorheben möchte ich Pierce Brosnan als Doctor Fate. Ich war anfangs sehr skeptisch, wie Brosnan in einen Superheldenfilm passen könnte. Aber als Doctor Fate war er für mich mit Abstand der beste Charakter des Films. Brosnan verkörpert den Charakter mit viel Charme, genau dem richtigen Mass an Schalk, fügt ihm aber auch etwas Wehmütiges hinzu. Leider erfährt man auch von Doctor Fate nicht viel mehr, ausser, dass er wegen seiner Fähigkeit, in die Zukunft schauen zu können, ein schlimmes Leben hatte. Vor allem über Doctor Fate hätte ich sehr gerne etwas mehr erfahren. Hier rächt es sich, dass es vorher keinen Solofilm mit einer Origin-Story gegeben hat. Stattdessen musst du dich innert weniger Minuten mit dem Charakter auseinandersetzen und identifizieren. Zumindest mir gelang das nicht wirklich.
Bleibt schliesslich noch der Aspekt, dass «Black Adam» versucht, eine politische Note in die Handlung zu bringen. Wir haben die fiktive Stadt Kahndaq, die von ausländischen Söldnern kontrolliert wird. Diese beuten die Ressourcen der Umgebung aus, was anscheinend niemanden stört – ausser natürlich den Einwohnern. Als dann Black Adam zurückkehrt und anfängt, die Sölder zu töten, taucht plötzlich die Justice Society auf, um ihn aufzuhalten. Warum? Weil es nicht okay ist, Leute einfach zu töten, auch wenn diese böse sind. Dieses moralische Dilemma ist nichts Neues, allerdings etabliert «Black Adam» eine spannende Frage: Wieso stört es westliche Superheld:innen nicht, wenn ein (vermutlich) osteuropäisches Land ausgebeutet wird, greift aber ein, wenn diese plötzlich eine Superwaffe hat (in Form von Black Adam), die auch dem Westen gefährlich werden könnte?
Das ist zwar eine sehr offensichtliche Parabel auf unsere aktuelle Weltlage, aber für einen Superheldenfilm doch interessante Ausgangslage. Leider beantwortet der Film die zuvor gestellte Frage nie. Selbst als Black Adam genau diese Frage an Hawkman, den Anführer der Justice Society, stellt, bleibt ihm dieser die Antwort schuldig. Es scheint fast, als hätten die Drehbuchautoren die Antwort selbst nicht gewusst – oder wollen sie nicht geben, weil die USA womöglich nicht so gut weggekommen wäre.
Unter dem Strich ist «Black Adam» eine verpasste Chance. Aus der spannenden Vorlage hat Warner eine seelenlose Prügel-Orgie fabriziert, von der nichts in Erinnerung bleibt. «Black Adam» ist damit bezüglich Komplexität von «Joker» in etwas so weit entfernt wie ein gutes Essen in einem Michelin-Restaurant von McDonalds. Ich bin mir sicher, «Black Adam» wird sein Publikum finden. Neue Impulse gibt der Film dem DC Universe aber nicht.
«Black Adam» läuft ab sofort in sämtlichen Schweizer Kinos.
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