Seit dem 8. Juli ist «Black Widow» weltweit in den Kinos. Nur einen Tag später feierte der Film auch auf Disney+ Premiere. Zwar war der Film nur mit kostenpflichtigem VIP-Zugang verfügbar, trotzdem scheint das viele User nicht abgeschreckt zu haben. Wie Disney nun mitgeteilt hat, hat die Streaming-Premiere von «Black Widow» am Startwochenende weltweit 60 Millionen US-Dollar eingebracht. Der Mauskonzern hat damit erstmals veröffentlicht, wie viel die Release-Strategie mit dem VIP-Zugang einbringt.
Zu den Streaming-Einnahmen gesellen sich noch 158 Millionen US-Dollar an Kinoeinnahmen aus der ganzen Welt. Da aber rund 50 Prozent der Einnahmen bei den Kinos bleiben, beläuft sich der Kinoerlös für Disney auf nur 79 Millionen. Von dem Geld, dass User für den VIP-Zugang ausgeben, fliesst hingegen 100 Prozent zum Disney-Konzern. Damit zeigt sich, wie lukrativ die parallele Veröffentlichung von Blockbustern im Kino und auf Disney+ geworden ist.
«Black Widow» sorgt für Ärger mit einigen Kinoketten
Es ist nicht der erste Film, den Disney parallel ins Kino und auf seinen Streaming-Dienst bringt. Zuvor hatte das Studio dies schon mit «Mulan» und «Raya und der letzte Drache» getan. «Black Widow» ist allerdings ein ganz anderes Kaliber: Zum einen handelt es sich um einen Marvel-Film, eine Marke, die heutzutage für garantierten Umsatz steht. Zum anderen ist es der erste grosse Blockbuster von Disney, der anläuft, nachdem die Kinos wieder grossflächig geöffnet haben. Während die Leute bei «Mulan» und «Raya» also sowieso kaum ins Kino gingen oder gar nicht gehen konnten, sieht das bei «Black Widow» anders aus: Die Menschen haben wieder Lust auf Kino, das untermauern die steigenden Umsätze weltweit. Dass Disney der gebeutelten Kinobranche nun noch Konkurrenz macht, stösst dieser sauer auf. Vor dem Disney+-Zeitalter hatten Kinos Filme exklusiv für 120 Tage, bevor diese als DVD oder VoD veröffentlicht wurden.
In Deutschland äussert sich dieser Unmut sehr deutlich: Etliche Kinos weigern sich, «Black Widow» in ihr Programm aufzunehmen. Unter anderem haben sich die Kinoketten Cineplex und Kinopolis dazu entschieden, den Marvel-Film nicht zu zeigen, wie goldem.de berichtet. Es ist nicht das erste Mal, dass gewisse Kinos Disney in Deutschland boykottieren. In der Vergangenheit ist das bereits geschehen, nachdem der Mauskonzern den Kinobetreibern neue Bedingungen aufzwingen wollte, bezüglich Kostenaufteilung und Saalauslastung.
Disney hat mit VIP-Zugang entscheidenden Vorteil
Während in Deutschland Kinoketten den Aufstand proben, scheint man sich in der Schweiz mit der neuen Situation abgefunden zu haben. Zumindest ist der Film bei den drei grössten Kinoketten Pathé, blue cinema und Kiwikinos gelistet. Die Schweizer Marvel-Fans strömen dann auch fleissig ins Kino: Nach nicht einmal einer Woche Laufzeit führt «Black Widow» die hiesigen Kinocharts mit einem Einspielergebnis von 465’000 Franken an, wie Disney Schweiz in einer Medienmitteilung schreibt. Wie viel der Streaming-Start hierzulande eingebracht hat, lässt man leider offen.
Aber selbst wenn sich auch Schweizer Kinos zu einem Boykott entscheiden würde: Mit der hauseigenen Streaming-Plattform hat Disney ein starkes zweites Standbein etabliert, das in den nächsten Monaten und Jahren wachsen dürfte. Tatsächlich hat der Mauskonzern mit dieser Strategie nun sogar einen Trumpf gegenüber konkurrierenden Streaming-Plattformen, allen voran natürlich Netflix. Während der Streaming-Primus nur auf seine Abogebühren zählen kann, hat Disney mit dem anfänglich oft kritisierten VIP-Zugang eine neue Einnahmequelle, nebst den regulären Abogebühren, aufgetan. Diese fehlt Netflix, das seinerseits nur die Abopreise erhöhen kann, denn einen VIP-Zugang für Netflix-Filme dürfte kaum funktionieren.
Disney+ könnte Netflix bald als Nummer 1 ablösen
Mit dieser Strategie darf man getrost behaupten, dass Disney+ Netflix als führende Streaming-Plattform in den nächsten fünf Jahren ablösen könnte. Mit dem diesjährigen Start der Phase 4 des Marvel Cinematic Universe wissen wir bereits, wohin die Reise geht: Disney versucht aktiv, Kinogänger auf seine Plattform zu lotsen. Dies tut der Konzern mit geschickter Verwebung von Kino- und Streaming-Content, der Kinofans dazu verführen soll, sich auch das Streaming-Abo zu holen. Und wenn man Disney+ sowieso schon hat und einem die grosse Leinwand und der bessere Sound nicht so wichtig ist, warum den neusten Marvel-Film nicht gleich als VIP-Zugang kaufen?