Am 19. Juli hatte ich nach beinahe einem Jahr Verzögerung endlich meinen Kopfhörer Blomm & Berger Pure erhalten. Ich hatte das junge Start-up, welches den Kopfhörer herstellt, auf Kickstarter unterstützt. In meinem Hands-on, dass ich im Juli geschrieben hatte, war ich von den Kopfhörern angetan – nun, nach dreimonatiger Testzeit bin ich es leider nicht mehr. Auch wenn der Kopfhörer einiges richtig macht, gibt es einfach ein paar essenzielle Dinge, die ich bei Kopfhörern in dieser Preisklasse voraussetze – und dann auch funktionieren müssen.
Die Verarbeitung des Kopfhörers
Am wichtigsten bei einem Kopfhörer ist natürlich die Verarbeitung. Bei einem aktuellen Preis von knapp 300 Franken darf man da natürlich nur allerhöchste Qualität erwarten. So, wie ich das beurteilen kann, liefert Blomm & Berger hier auch. Der erste Eindruck der Verarbeitung war gut und auch nach drei Monaten gibt es nichts, was mir negativ aufgefallen wäre.
Positiv hervorheben möchte ich hier die On-Ear-Ohrmuscheln, welche wirklich sehr weich sind und auch nach längerem Tragen der Kopfhörer nicht schmerzen. Hier also erstmal einen Daumen hoch.
Die Bedienung des Kopfhörers ist nicht optimal
Was beim Blomm & Berger Pure sofort auffällt, ist, dass er keinerlei Knöpfe oder Tasten hat. Eingeschaltet wird der Kopfhörer mit einem Druck auf das Touch-Panel. Auch redet der Kopfhörer nicht mit einem, wie so viele andere, sondern zeigt durch ein Jingle, dass er ein- oder abgeschaltet wird.
Das ist natürlich nett, wenn man sich abheben will, aber ehrlich gesagt, konnte ich mir nie wirklich merken, welcher Jingle jetzt bedeutet, dass der Kopfhörer abgeschaltet wird und welcher, dass er eingeschaltet wird. Da hätte ich es lieber gehabt, wenn mir eine Stimme schlicht gesagt hätte “Headphones off” oder “Headphones on”. Aber das ist natürlich mein Problem und kann man dem Kopfhörer nicht anlasten.
Viel störender fand ich da, dass es nicht wirklich eine LED hat, die einem Anzeigt, ob der Kopfhörer angeschaltet ist oder nicht. Zwar hat es unterhalb des Touch-Panels vier LEDs, diese leuchten aber meist nur dann kurz auf, wenn man ihn einschaltet und erlöschen dann nach ein paar Sekunden. Da also keine LED leuchtet, wenn der Kopfhörer an ist, weiss man nie, ob der Kopfhörer nun an oder aus ist, wenn man ihn nicht auf hat.
Ein launischer Akku
Was mich beim Blomm & Berger Pure auch etwas verwirrt hat, ist die Akkulaufzeit. Grundsätzlich hält der Akku einen ganzen Tag. Allerdings kam es bei mir auch schon mal vor, dass mein Handy angezeigt hat, der Kopfhörer habe noch 70 Prozent Akku und eine Stunde später war er leer. Wie kann das sein?
Natürlich könnte das an meinem Handy liegen, dass schlicht eine falsche Akkustandsanzeige anzeigt. Allerdings passiert das bei anderen Kopfhörern nicht und ich habe das auch mit drei verschiedenen Handys von verschiedenen Marken gegengeprüft (Huawei, Nokia und LG).
Das hat dazu geführt, dass ich mir nie wirklich sicher sein konnte, ob der Kopfhörer nun wirklich noch genug Akku hat oder nicht. Auch scheint er nur vier Stufen zu kennen:
- 70 Prozent voll
- 50 Prozent voll
- 30 Prozent voll
- 10 Prozent voll
Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Handy einmal eine andere Zahl angezeigt hätte. Irgendwann hört man da einfach auf, auf die angegebene Akkustandsanzeige zu vertrauen.
Auch hat es mich etwas genervt, dass die Warnung, dass der Akku bald leer sei, schon sehr früh kommt. Vor allem, weil da dann alle paar Minuten ein Warnton erklingt. Und das schon rund eine Stunde, bevor der Akku leer ist. Ich verstehe schon, dass man das nicht erst zehn Minuten bevor der Akku leer ist, machen kann, aber wenn es schon fast eine Stunde vorher sein muss, dann bitte nicht gefühlt im Minutentakt. Eine Warnung alle 15 Minuten und eine rote LED hätte es doch ein getan.
Viele coole Features, die in der Praxis nicht mehr alle überzeugen
Was mich ursprünglich dazu bewogen hatte, den Blomm & Berger Pure auf Kickstarter zu unterstüzten, waren diverse Features, bei denen ich einfach sagen musste: “Ja, ein Kopfhörer mit solchen Funktionen will ich haben!”
Leider haben mich die meisten dieser Features nicht überzeugt und zwei sind bei mir sogar komplett durchgefallen. Hier eine Auflistung der wichtigsten Features und welche Erfahrung ich damit gemacht habe:
Noise Cancelling
Was für eine Enttäuschung. Ich hatte mich so auf das Noise Cancelling gefreut! Doch als ich den Kopfhörer dann ausprobiert hatte, war die Ernüchterung gross: Das Noise Cancelling war so richtig, richtig schlecht. Also eigentlich habe ich gar keinen Unterschied zu meinem 70-Franken-Kopfhörern ohne Noise Cancelling bemerkt. Was für eine Enttäuschung!
Das wirklich Frustrierende daran war auch, dass es nirgends einen Knopf oder Schalter gab, mit dem man das Noise Cancelling hätte einschalten können. Auch in der App fand ich keinen Hinweis darauf, dass man das Noise Cancelling erst aktivieren müsste. So musste ich einfach annehmen, dass das Noise Cancelling permanent eingeschaltet ist – und in diesem Falle schlicht nichts taugt.
Etwa vor einem Monat habe ich dann per Zufall herausgefunden, warum das Noise Cancelling so schlecht ist: Weil es noch gar nicht aktiviert war. Zwar hatte der Kopfhörer bereits alle nötige Hardware verbaut, aber die Software war noch nicht fertig. Mein 300-Franken-Kopfhörer hatte damit bei Auslieferung gar kein Noise Cancelling. Da es ein Kickstartet-Projekt war, muss man natürlich mit sowas rechnen. Was mich aber daran wirklich gestört hat, war, dass ich davon nicht in Kenntnis gesetzt wurde – zumindest habe ich nirgends etwas gelesen. Man hätte da durchaus transparent sein dürfen.
Am 29. Oktober 2019 wurde dann das Noise Cancelling via App-Update nachgeliefert. Ich habe mich natürlich riesig gefreut und wollte es gleich ausprobieren. Allerdings verlangte die App von mir, dass ich ein Update auf die Kopfhörer lade. Easy. Ich starte also das Update und traue meinen Augen nicht: Über eine Stunde sollte es dauern, bis mein Kopfhörer aktualisiert ist. In dieser Zeit kann ich Windows 10 auf einem Computer installieren und einrichten. Da es bereits 22 Uhr abends war, liess ich das Handy und den Kopfhörer ihr Update machen und ging schlafen.
Am nächsten Tag freute ich mich natürlich, endlich mein Noise Cancelling auszuprobieren. Die App zeigte mir an, dass das Update komplett ist, ich dieses aber noch aktivieren müsse. Ich klickte also wieder auf Verbinden und starrte erwartungsvoll auf den Bildschirm, wo sowas stand wie “Update wird aktiviert”. Als das nach fünf Minuten noch immer auf dem Display stand, verschlechterte sich meine Laune dramatisch. Als die App nach zehn Minuten noch immer keine Veränderung zeigte, kam ich zum Schluss, dass sie sich aufgehängt haben musste und beendete sie. Ein Fehler.
Wie sich danach herausstellte, ist es mir nun nicht mehr möglich, den Updatevorgang erneut zu starten. Die App denkt vermutlich, der Kopfhörer sei aktualisiert. Ich habe weder einen Button, der es mir erlaubt, das Update zu aktivieren, noch kann ich überprüfen, ob es abgeschlossen wurde. In der App selbst, habe ich nun zwar einen neuen Button namens NC (der wohl für Noise Cancelling steht), aber wenn ich diesen auf “aktiviert” schalte, passiert nichts.
Ich stehe also immer noch ohne Noise Cancelling da, dafür knackt mein Kopfhörer nun unangenehm, wenn gerade keine Musik läuft. Beim Support von Blomm & Berger warte ich seit dem 30. Oktober auf eine Antwort bezüglich meiner Hilfeanfrage. Die Bestätigung, dass meine Anfrage eingegangen ist, habe ich erhalten. Ich vermute mal, der Support ist vollkommen überlastet oder sie wissen selbst nicht, wie sie mit meinem Update-Problem umgehen sollen. Ich bin wirklich enttäuscht.
Eine App, die nicht wirklich viel bringt
Die App ist – gelinde gesagt – kaum zu gebrauchen. Ich hab ein Android-Smartphone und zum Zeitpunkt der Auslieferung des Kopfhörers war diese noch im Betastadium. Die Verbindung zwischen Kopfhörer und App funktioniert mehr durch Glückssache und bricht auch gerne mal wieder ab.
Der Funktionsumfang der App ist sehr bescheiden. Man kann Funktionen des Touch-Panesl auf dem Kopfhörer ab- oder anschalten und ein Hörprofil erstellen. Zuvor hiess es ja, dass es eine App gebe, mithilfe derer man den Kopfhörer perfekt an das eigene Hörverhalten anpassen könne. Der Witz dabei: Wer keine Ahnung von Musik und deren Frequenzen hat, wird bei den ganzen Reglern, die mit verschiedenen Frequenzen beschriftet sind, nur Bahnhof verstehen. Hier wäre ein Tutorial schön gewesen, das einem zeigt, was welcher Regler genau bringt. Oder vielleicht auch voreingestellte Profile für verschiedene Musikrichtungen.
Da die Anwendung noch ganz am Anfang steht, kann ich ein Auge zudrücken, immerhin kann man hier mit Updates nachliefern. Dennoch wurde hier, nach meinem Empfinden, mehr versprochen, als die App tatsächlich hergibt.
Musik pausiert, wenn man den Kopfhörer abnimmt – theoretisch
Eines der coolsten Featurs für mich, war die Funktion, wonach die Musik pausieren soll, wenn man die Kopfhörer abnimmt. Im ersten Moment funktioniert das auch. Doch im Laufe der drei Monate Testzeit musste ich leider immer wieder feststellen, dass dieses Feature noch unausgereift ist.
Das hat vor allem dann genervt, wenn ich Hörbücher gehört habe. Es kam immer wieder vor, dass ich meinen Kopfhörer abnahm und auf den Tisch legte. Das Hörbuch hat dann sofort pausiert, wie das sein sollte. Doch aus irgend einem Grund, schaltete es sich plötzlich wieder ein, ohne, dass ich den Kopfhörer wieder aufgesetzt hätte. Das war ganz schön nervig, denn so lief das Hörbuch einfach weiter und ich musste danach schauen, an welcher Stelle ich zuletzt war. Sehr mühsam!
An der Hörbuch-App kann es nicht gelegen haben, denn dasselbe ist auch mit Spotify passiert. Bei Musik ist das natürlich nicht so schlimm, aber passieren sollte das nicht. Ich kann mir das nur dadurch erkären, dass der Bewegungssensor so empfindlich ist, dass nur schon kleinste Erschütterungen dafür sorgen, dass die Software denkt, der Kopfhörer wurde wieder aufgesetzt und die Musik wieder abspielt.
Dass dies durchaus so sein könnte, zeigt auch ein Beispiel, das mich fast in den Wahnsinn getrieben hat: Die Musik wurde teilweise bei kleinsten Neigungen meines Kopfes pausiert. Beispielsweise, wenn ich im Zug sass und etwas schlafen wollte. Da hat es gereicht, den Kopf in den Nacken zu legen und schon hat der Kopfhörer die Musik pausiert. Oder wenn ich beim Abwaschen (ja, dabei höre ich gerne Musik) meinen Kopf nach vorne geneigt habe – zack, die Musik ist aus.
Glücklicherweise konnte man dieses Feature über die App ausschalten (und es hat sogar funktioniert). Ich finde es aber schade, dass man so eine tolle Funktion abschalten muss, weil sie zu empfindlich ist.
Wenn das Bluetooth macht, was es will
Nein, das ist kein Scherz und ich weiss bis heute nicht, wie so etwas möglich sein kann. Aber mein Blomm & Berger Pure hat sich tatsächlich immer mal wieder mit fremden Geräten verbunden und deren Musik abgespielt. Zuerst dachte ich noch, es liegt an mir, dass ich irgendwas übersehen hätte oder eines meiner Geräte noch Bluetooth aktiviert hat und sich der Kopfhörer automatisch verbunden hat.
Ich kann aber mindestens in zwei Fällen zu 100 Prozent ausschliessen, dass ich einen Fehler gemacht habe.
Fall 1
In unserem Grossraumbüro, wo ich arbeite, hat sich der Kopfhörer mit dem Laptop eines Arbeitskollegen verbunden und dessen Musik abgespielt. Herausgefunden habe ich das, weil die Playlist natürlich nicht von mir war und ich mich dann schlicht bis zu demjenigen durchgefragt hatte, dessen Playlist mein B&B Pure abgespielt hatte. Wie kann es sein, dass sich ein Kopfhörer eifach von selbst mit einem fremden Notebook verbindet?
Fall 2
Ich war am Bahnhof und erneut vernahm ich aus meinem Kopfhörer Musik, die ich nicht in meiner Playlist hatte. Ich hatte nur mein Handy dabei. Also habe ich kurzerhand das Bluetooth beim Smartphone deaktiviert. Doch der Blomm & Berger Pure spielte munter irgendwelche Musik von einem fremden Abspielgerät ab. Ich konnte die Songs sogar steuern, also pausieren, zum nächsten Song wechseln, usw. Die Person mit dem Zielgerät dürfte sich wohl ganz schön gewundert haben, warum ihre Playlist plötzlich verrückt spielt.
Wie kann sowas sein? Ich kann es mir nur damit erklären, dass der Pure keinen wirklichen Pairing-Mode hat. Bei den bisherigen Kopfhörern, die ich hatte, musste man immer mit einer Taste in den Pairing-Mode wechseln. Meist muss man die Power-Taste ein paar Sekunden gedrückt halten. Beim Blomm & Berger Pure ist das aber nicht der Fall. Man schaltet den Kopfhörer ein und irgendwie erscheint er dann in der Bluetooth-Auswahl für neue Geräte und man kann ihn einfach koppeln.
Vielleicht hat auch genau das dazu geführt, dass der Kopfhörer sich immer mal wieder spontan von meinem Smartphone entkoppelt hat. Das passierte zwar eher selten, aber doch oft genug, dass es mich genervt hat. Vor allem, wenn man zwei Geräte gleichzeitig mit dem Kopfhörer verbunden hatte, bekundete er manchmal Mühe. Ich finde aber, dass ein 300-Franken-Kopfhörer fähig sein muss, mindestens ein Smartphone und einen Laptop via Bluetooth auszuhalten.
Und der Sound?
Auch wenn ich bisher nicht viel Gutes am Blomm & Berger Pure gelassen habe, will ich nun noch auf den Sound zu sprechen kommen. Und genau das stimmt mich etwas traurig, denn der Sound des B&B Pure ist wirklich gut. Ich würde ihn jetzt nicht in die Top-Liga der Kopfhörer einordnen, aber in der Preisklasse von 300 Franken schlägt er einen Beats by Dr. Dre locker. Die Bässe sind schön satt und ich hatte nie das Gefühl, dass der Ton bei gewissen Musikstücken blechern wirkt oder sich überschlägt. Aber eben: Was nützt das, wenn der Rest nicht überzeugen kann?
Fazit zum Bloom & Berger Pure
Es waren keine einfachen drei Monate mit dem Blomm & Berger Pure. Der Kopfhörer hatte mich von Anfang an nicht wirklich überzeugt, auch wenn ich wirklich versucht habe, ihn zu lieben – immerhin habe ich auch auf Kickstarter 249 Franken dafür bezahlt. Aber spätestens nach dem verhunzten Update liegt der Kopfhörer bei mir nur noch in der Ecke und dient mir als Notfall-Kopfhörer. Da benutze ich lieber meinen kabellosen 70-Franken-Kopfhörer von Sony. Der ist zwar nicht so bequem, aber immerhin knistert er mir nicht in den Ohren, verbindet sich zufällig mit anderen Geräten oder bricht die Verbindung ab.
An dieser Stelle muss ich daher leider sagen, dass ich den Blomm & Berger Pure nicht empfehlen kann. Wenn ihr tatsächlich 299 Franken (aktueller Preis in den meisten Online-Shops) für diesen Kopfhörer bezahlt, werdet ihr euch sehr bald über das herausgeworfene Geld ärgern. Dann kauft euch lieber einen Sony WH-1000XM3 – der kostet gleich viel und ist sein Geld mehr als wert (wenn man den Tests im Netz glaubt).