Vor und zwei Jahren hat HMD Global den Nokia-Smartphones die Reboot-Taste gedrückt. Seither versucht das Unternehmen im überfüllten Smartphone-Markt seine Nische zu finden. Punkten will Nokia mit einer guten Akkulaufzeit, langem Software-Support und seit Neuestem auch Nachhaltigkeit. Auch optisch gibt es einen Neuanstrich: Die neuen Modelle kommen nicht mehr mit runden, zentrierten Kameramodulen, sondern eckigen, links positionierten Modulen.
Das Nokia X30 ist eines der ersten Nokia-Handys, das unter dieser neuen Strategie erscheint. Mit seiner Zugehörigkeit zur X-Serie dürfen wir ein gutes Mittelklassegerät erwarten, das laut HMD Global folgende Versprechen einlösen muss:
- 2 Tage Akkulaufzeit
- 3 Jahre lang monatliche Sicherheitsupdates und OS-Updates
- 3 Jahre Gerätegarantie, 100 Prozent kompostierbare Schutzhülle
Zumindest so definierte HMD Global die X-Serie im April 2021 bei der Ankündigung der Neuausrichtung. Preislich geht es bei den X-Modellen ab 250 Dollar los.
Ich hatte die Möglichkeit, das Nokia X30 für rund zwei Monate ausgiebig zu testen. Somit kann ich nun sehr gut beurteilen, ob HMD Global seine Versprechungen halten kann, vor allem aber, ob sich der Kauf des Nokia X30 wirklich lohnt.
Design & Verarbeitung
Wie bereits eingangs erwähnt, kommen die neuen Nokia-Geräte in einem frischen Design daher. Legt man das neue Nokia X30 neben das ältere G50 zeigen sich die Unterschiede deutlich. Klar, damit nähert sich Nokia dem klassischen Design der Konkurrenz. Allerdings hebt sich das Gerät doch genug von Samsung oder Oppo ab, um als eigenständig durchzugehen. Höchstens zu gewissen Motorola-Midrangern gibt es eine gewisse Ähnlichkeit, die aufzeigt, dass Nokia wohl keine eigene Designabteilung hat.
Trotzdem gefällt das X30 mit einer schlichten, aber ansprechenden Optik. Vor allem aber hat es HMD Global geschafft, dem Nokia X30 einen wertigen Look zu verpassen. Dies setzt sich auch bei der Haptik fort. Klar, man merkt, dass die Rückseite kein Metall oder Glas ist. Allerdings hat es HMD Global geschafft, dass man nicht das Gefühl hat, Plastikspielzeug in den Händen zu halten. Insgesamt gefällt das Gehäuse mit einem schlanken, fast schon kühlen nordischen Design.
Gehäuse teilweise aus wiederverwerteten Materialien
Wo man dem Gerät die Mittelklasse deutlich ansieht, ist auf der Vorderseite. Hier gibt es oben und unten sichtbar breite schwarze Rahmen. Dadurch, dass HMD Global vorn endlich auf den Nokia-Schriftzug verzichtet, fallen diese aber etwas schmaler aus als in der Vergangenheit. Insgesamt ist die Vorderseite optisch aber nicht schlechter ausgefallen als Smartphones der Konkurrenz im ähnlichen Preissegment.
Herausstechen möchte Nokia beim Gehäuse aber vor allem mit der Nachhaltigkeit. So sind 100 Prozent des verwendeten Aluminiums rezykliert. Auch der Plastik besteht aus immerhin 65 Prozent wiederverwendetem Kunststoff. Zurückverfolgen, wie beim Fairphone lässt sich das zwar nicht, aber der Ansatz gefällt. Damit ist HMD Global zumindest schon weiter als etwa Samsung, Apple oder Oppo.
Display
Nokia setzt auf eine Bildschirmdiagonale von 6,43 Zoll mit einer Auflösung von 1080 x 2400 Pixeln. Bei der Displayhelligkeit gibt es 450 Nits (700 Nits Peak) und die Bildwiederholungsrate beträgt 90 Hertz. Damit bewegt sich das Nokia X30 in etwa auf dem Niveau vieler Mittelklassegeräte, etwa dem Oppo Reno 8.
Insgesamt wirken die Farben ordentlich, sind aber nicht so kontrastreich, wie etwa bei Samsungs A53. Überraschen kann das Nokia X30 dafür mit dem Schutz: Während etwa Oppo oder Samsung Gorilla Glass 5 bei ihren Mittelklassegeräten verbaut haben, bekommt ihr mit dem X30 Gorilla Glass Victus. Damit hat das Display einen (theoretischen) Schutz auf Flaggschiffniveau.
Insgesamt hat HMD Global beim Nokia X30 ein solides Display verbaut. Die Farben wirken aber etwas blasser als bei vielen anderen Geräten. Auch bei der Bildwiederholung gibt es nur 90 Hertz, vermutlich zugunsten des Akkus. Damit bewegt sich das Nokia X30 bezüglich Display im soliden Mittelfeld.
Kamera
Bei der Kamera liefert das Nokia X30 ordentliche Bilder, wenn die Lichtverhältnisse stimmen. Vor allem bei den Farben liefert das Gerät sehr natürliche Werte, die nicht übersättigt sind. Das ist eine Stärke, die Nokia-Smartphones unter HMD Global schon immer ausgezeichnet haben.
Mühe hat die Kamera dafür bei Gegenlicht. Hier schafft es die Software nicht, die Highlights in den Griff zu bekommen. So gibt es dann oft ausgebrannte Stellen, wie man bei folgendem Beispielfoto sehr gut sieht:
Ebenfalls Mühe hat die Software bei schummrigem Licht, etwa in einem Zimmer oder wenn es draussen bewölkt ist. Diese Bilder werden dann gerne tendenziell etwas dunkler. Versucht man dann die Belichtung nachzukorrigieren, tendiert die Software dazu, überzubelichten und Details verschwimmen. Dies sieht man sehr gut bei folgendem Beispiel. Der Fokus liegt links auf den Steinen, rechts auf den roten Pflanzen.
Umso überraschender ist, dass Nachtaufnahmen mit dem Nokia X30 richtig gut aussehen. Zwar muss auch hier genügend Kunstlicht vorhanden sein, fotografierst du aber beispielsweise an einer Strandpromenade, wo es entsprechend viele Strassenlaternen hat, gibt es wirklich schöne und sehr stimmungsvolle Fotos.
In diesem Beispiel habe ich das linke Foto im normalen Kameramodus aufgenommen, das rechte mit dem Nachtmodus.
Noch ein Beispiel einer Nachtaufnahme:
Unter dem Strich reicht das aber nicht, um sich im Mittelklassesegment hervorzutun. Dafür, dass das Nokia X30 aktuell noch immer rund 450 Franken kostet, ist die Kamera zu wenig gut. Hier bekommst du bei der Konkurrenz, etwa dem Samsung Galaxy A53 oder dem Oppo Reno 8, mehr geboten.
Leistung & Software
Ansprechendes Design, ordentliches Display, solide Kamera: Jetzt muss das Nokia X30 bei der Leistung richtig gut abliefern. Leider patzt das Nokia X30 hier ordentlich. Das Gerät ist mit einem Snapdragon 695 5G ausgestattet. Als dieser Ende 2021 erschienen ist, gehörte er zur gehobenen Mittelklasse. Damit müsste er eigentlich genug Power für alltägliche Rechenaufgaben liefern.
Was das Nokia X30 aber im Hinblick auf die Leistung umsetzt, ist leider oft sehr frustrierend. Zwar läuft alles ohne Ruckler, allerdings auch öfter im Schneckentempo. So dauert es zwischendurch selbst bei simplen Apps wie WhatsApp oder der internen Kamera-Anwendung merklich lange, bis sie geöffnet sind. Als ich das Nokia X30 einmal neu gestartet habe und nach rechts wischte, um den Google Newsfeed anzuzeigen, dauerte es über 30 Sekunden (ich habe die Zeit gestoppt), bis der Feed mit allen Elementen geladen war.
Für meinen Geschmack ist das Nokia X30 damit leider viel zu langsam. Vor allem, wenn ich das Gerät mit anderen Mittelklassemodellen vergleiche. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Software nicht gut auf die Hardware abgestimmt ist. Denn auch wenn der verbaute Chip nicht der allerneuste ist, sollte das Gerät nicht solche Mühen haben.
Stock Android, aber noch immer kein Android 13
Bei der Software setzt HMD Global wie immer auf Stock Android. Ganz ohne vorinstallierte Apps geht es allerdings auch bei HMD Global nicht mehr. Mit Spotify und einem VPN-Dienst bleibt es aber überschaubar – zumal du beide Apps deinstallieren kannst. Ausgeliefert wird das Nokia X30 mit Android 12, das Update für Android 13 wird seit Ende April 2023 verteilt.
Bei den Sicherheitsupdates war das Nokia X30 zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Bericht geschrieben habe (7. Mai 2023) aktuell. Der April-Patch wurde pünktlich ausgeliefert, womit HMD in diesem Bereich seine Zuverlässigkeit beweist. Insgesamt verspricht HMD Global 3 Jahre lang Sicherheitsupdates und drei Jahre lang Versions-Upgrades. Damit hinkt man inzwischen anderen Herstellern wie Samsung oder Oppo hinterher. Klar, diese versprechen langen Update-Support oft nur bei ihren Topmodellen. Bedenkt man aber, dass nach dem X30 bei Nokia aktuell nicht mehr viel kommt, darf man das X30 ruhig als Topmodell anschauen – und daher auch längeren Support erwarten.
Akku & Laden
Die Akkulaufzeit des Nokia X30 ist sehr gut und beträgt bei durchschnittlicher Nutzung tatsächlich rund zwei Tage. Damit kann HMD Global sein Versprechen einhalten. Ist der Akku dann leer, lädst du mit 33 Watt. Im Mittelklassesegment ist das in Ordnung, aber auch hier muss man sagen, dass andere Geräte schneler laden. Schade ist, dass es kein Wireless-Charging gibt. Für einen Preis von fast 500 Franken hätte das drin liegen müssen. Vor allem, da das Nokia XR20 dieses Feature an Board hat und beim Release nur wenig mehr gekostet hat.
Fazit zum Nokia X30
Eigentlich hätte HMD Global mit dem Nokia X30 ein sehr ansprechendes Mittelklasse-Smartphone im Portfolio. Das Design gefällt, das Display kann mit der Konkurrenz mithalten und die Kamera liefert solide Ergebnisse. Leider macht der Prozessor dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung: Stellenweise ist das Smartphone so langsam, dass es richtig nervt. Bei einem Preis von über 500 Franken (UVP) darf das nicht sein. Vor allem nicht, wenn es in der gleichen Preisklasse Geräte gibt, die diese Geschwindigkeitsprobleme nicht haben. Da nützt auch der nachhaltige Ansatz und die drei Jahre Garantie nicht. Zumal sich das X30 auch bezüglich Software-Update nicht mehr von jeder Konkurrenz abheben kann. 3 Jahre Updates verspricht zum Beispiel auch Oppo bei seinem Reno8 – und dieses ist nicht nur günstiger, sondern auch schneller.