Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu, die Leute haben sich durch Stau und Warteschlangen am Flughafen zurück aufs heimische Sofa gekämpft. Damit wird es für die etlichen Streaming-Dienste Zeit, ihre neuen Serien-Flaggschiffe auf die zahlende Kundschaft loszulassen. Und da Fantasy spätestens seit «Game of Thrones» auch im TV wieder ganz hoch im Kurs ist, schenken Netflix und Co. diesem Genre ganz besonders viel Geld Aufmerksamkeit.
Dieser Effort führt dazu, dass ab August innerhalb von nur 30 Tagen drei Megaproduktionen aufeinandertreffen. Mega vom Budget her, mega vom Erfolgsdruck, vor allem aber mega, was die Erwartungen der Fans anbelangt. Wer daraus aus Sieger hervorgeht, ist schwer zu sagen und wird sich wohl erst Ende Jahr zeigen, wenn der Staub sich gelegt hat.
Für die Zuschauer:innen dürfte dabei vor allem der Inhalt und der visuelle Aspekt massgebend sein. Für die produzierenden Streaming-Dienste ist es aber vor allem eine Schlacht der Mega-Budgets – und ein Scheitern daher keine Option.
5. August: «Sandman»
Netflix ist etwas in Schieflage geraten. Die Abozahlen sinken, wenn auch nicht drastisch, doch beim erfolgsverwöhnten Streaming-Pionier sorgt das für sinkende Aktien. Der Konzern reagiert darauf mit Sparmassnahmen und hat unter anderem Leute entlassen. Sparen tut Netflix aber auch bei den Ausgaben für Produktionen, denn hier hat es das Unternehmen in den letzten Jahren gewaltig übertrieben. Unter anderem hat Netflix allein für die Rechte an den zwei Fortsetzungen des Indie-Hits «Knives Out» 400 Millionen bezahlt. Was für ein Schwachsinn.
Der Grund, weshalb Netflix solche Unsummen aufwendet, ist die verzweifelte Suche nach einem ertragreichen Franchise à la «Herr der Ringe», «Game of Thrones» oder «Star Wars». Tatsächlich hat Netflix sogar die «Game of Thrones»-Serienschöpfer D. B. Weiss und David Benioff abgeworben – natürlich für eine gigantische Summe. 250 Millionen US-Dollar bezahlt Netflix den beiden Showrunnern für einen Vertrag mit fünfjähriger Laufzeit.
Mit «Sandman» haben Benioff und Weiss zwar nichts zu tun, allerdings gehört die Serie ebenfalls zu Netflix Franchise-Bestrebungen. «The Sandman» basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Neil Gaiman und galt lange als unverfilmbar. Zum einen wegen des komplexen Stoffs, der ausgeklügelten Welt und der hohen Erwartungen, die die Fans haben würden. Denn «The Sandman» hat nicht nur etliche renommierte Preise gewonnen, sondern hat auch Kultstatus.
Für die Produktion gibt Netflix entsprechend viel Geld aus. Das Magazin Deadline berichtet, dass pro Episode ein Budget von bis zu 15 Millionen US-Dollar zur Verfügung stehe. Damit könnten sich die Gesamtkosten der 11-teiligen 1. Staffel auf bis zu 165 Millionen US-Dollar belaufen. Kein kleiner Betrag und dennoch: Im Vergleich dazu, was HBO für «House of the Dragon» und Amazon für «Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» ausgeben, ist es schon fast bescheiden.
22. August: «House of the Dragon»
«House of the Dragon» ist das erste Spin-Off von «Game of Thrones». Als solches trägt es die grosse Bürde, ein Erfolg werden zu müssen. Aus Sicht der Fans inhaltlich, denn diese sind teilweise noch immer sauer ob der enttäuschenden 8. Staffel der Mutterserie. Aus Sicht von HBO finanziell, denn das Unternehmen hat sehr viel Geld investiert und bereits verbraten.
«House of the Dragon» ist nämlich streng genommen das zweite Spin-Off, das HBO in Auftrag gegeben hat. Ursprünglich hätte eine Serie mit dem Arbeitstitel «Bloodmoon» das Franchise weiter ausbauen sollen. Von den fünf Serien, die HBO parallel hat entwickeln lassen, hatte «Bloodmoon» am meisten überzeugt. Ein Cast, angeführt von Naomi Watts, wurde rekrutiert, eine Pilotepisode für 30 Millionen US-Dollar gedreht. Und dann? Verschwand das Projekt sang- und klanglos in den Untiefen von HBOs Serienarchiv.
Weshalb? Die Serie hatte einige wichtige Leute bei HBO wohl doch nicht endgültig überzeugt. Den genauen Grund, weshalb HBO die Serie trotz bereits investierter 30 Millionen US-Dollar begraben hat, ist unklar.
Nun muss es also «House of the Dragon» richten und das angezählte Franchise wieder zu alter Grösse führen. Das Geld für das Spin-off sass bei HBO trotz des «Bloodmoon»-Fails weiterhin locker: Etwas unter 20 Millionen US-Dollar soll eine Episode gekostet haben. Bei neun Episoden beläuft sich das Produktionsbudget also auf nicht ganz 200 Millionen – Marketing-Kosten noch nicht eingerechnet. Ein hübsches Sümmchen.
Eine umfassende Übersicht zu «House of the Dragon» findest du hier: «House of the Dragon»: Alles, was wir über das «GoT»-Spin-Off wissen
2. September: «Herr der Ringe: Die Ringe der Macht»
Hätte mir jemand nach der «Hobbit»-Trilogie gesagt, dass Amazon knapp zehn Jahre später eine Serie auf Basis von «Der Herr der Ringe» veröffentlichen würde – ich hätte laut gelacht. Christopher Tolkien, der Sohn von J. R. R. Tolkien, war kein Fan der Filme und war strikt dagegen, weitere Film- oder Serienlizenzen zu verkaufen.
Aber eben: Geld löst wohl doch so manches Problem und so kündigte Amazon 2017 an, die TV-Rechte an «Herr der Ringe» gekauft zu haben. 250 Millionen US-Dollar hat der Online-Riese hingeblättert. Den gleichen Betrag hat Amazon laut eigenen Angaben in die Produktion der ersten Staffel gesteckt. Bei neun Folgen sind das, die Lizenzgebühren einberechnet, fast 56 Millionen pro Folge. Klingt nach viel und ist es auch. 2017 hat Amazon einen Jahresumsatz von knapp 178 Milliarden US-Dollar gemacht, der Ertrag belief sich schliesslich noch auf drei Milliarden.
Für Amazon muss die Serie also ein Erfolg werden. Klappt das, darf sich der Online-Händler auf einen wahren Geldsegen freuen. Denn die Einnahmen durch die Streaming-Abos dürften das Unternehmen kaum interessieren. Die meisten Nutzer:innen bekommen das Streaming-Abo ohnehin mit dem Prime-Abo geschenkt. Und selbst wenn nicht: Mit knapp 9 Franken ist Prime Video spottbillig. Worauf es Amazon abgesehen haben dürfte, ist alles drumherum: das Merchandising. Hier befindet sich Amazon in einer Position, die nicht einmal Disney vergönnt ist: Der Online-Riese kontrolliert die grösste Verkaufsplattform der USA.
Theoretisch könnte Amazon also von der Produktion über den Verkauf die ganze Handelskette des Merchandising kontrollieren. Es ist aber gut denkbar, dass Amazon auch einfach Lizenzen vergibt. Denn schlussendlich kommen die Lizenznehmer:innen in den USA nicht darum herum, ihre Waren auf Amazon zu verkaufen. Und ratet mal, wer da eine schöne Provision absahnt? Genau!