Noch vor wenigen Jahren war für mich Huawei Chinaramsch, auf den ich nicht wirklich Lust hatte. Doch seit ich vor zwei Jahren das Mate 9 ausprobieren durfte, haben mich die Chinesen von ihrer Qualiät überzeugt. Im Oktober hat Huawei nun seine neuen Mate-Modelle vorgestellt und wie immer war ich natürlich höchst interessiert, eines davon in die Finger zu kriegen.
Für mich war aber nicht das Flagschiff Mate 20 Pro spannend, sondern der kleinere Bruder, das Mate 20. Mir gefiel bei diesem Gerät vor allem, dass die Notch nur noch ein klitzekleiner Tropfen und der Bildschirm somit wirklich fast randlos war. Beim grossen Bruder ist die Notch immer noch relativ breit, was aber den diversen Sensoren geschuldet ist, die dort für die 3D-Gesichtserkennung Platz finden müssen. Da ich mich aber noch nicht so wirklich mit der Gesichtserkennung anfreunden kann, ist mir das Mate 20 grad recht.
Kurzerhand hab ich bei Huawei angefragt, ob ich eines testen dürfe, und tatsächlich hat man mir für zwei Wochen das Huawei Mate 20 zur Verfügung gestellt. Coole Sache! Wenige Tage später liegt das Gerät bei mir auf dem Tisch und ich bin erst einmal eine halbe Stunde damit beschäftigt, meine Daten vom alten auf das neue Gerät zu transferieren. Da beides Huawei-Geräte waren, hab ich gleich den Huawei-eigenen Dienst Phone Clone benutzt, weil das in der Vergangenheit einfach besser geklappt hat, als alles via Google Backup zu transferieren. Und siehe da – auch dieses Mal wurde alles fehlerfrei und vollständig auf mein neues Testgerät übertragen. So mag ich das!
Der erste Eindruck
Obwohl ich mir grössere Geräte gewöhnt bin, wirkte das Mate 20 im ersten Moment etwas gross. Legt man das Mate 20 aber neben das alte Mate 10 Pro merkt man, dass es zwar durchaus ein bisschen grösser ist, aber nicht so viel mehr, wie ich zuerst dachte. Ich denke, dass es einfach der fast randlose Bildschirm des Huawei Mate 20 ist, der einem vorgaukelt, man habe ein riesiges Gerät vor sich.
Wie ihr seht, sind die Ränder beim Mate 20 (rechts) noch einmal deutlich geschrumpft:
Sehr auffällig hinten: Die neue Triple-Kamera, die, zusammen mit dem LED-Blitz, in einem Quadrat angeordnet sind:
Auch vom Gewicht her fühlt sich das Mate 20 nicht schwerer als sein Vorgänger an. Grundsätzlich war der Umstieg für mich keine grosse Sache. Mein erstes Smartphone mit fast randlosem Display hat mir soweit wirklich gut gefallen. Und der Bildschirm war natürlich, wie ich mir das von Huawei gewöhnt bin, top.
Aussehen und Anschlüsse
Was vielen sicher gefallen dürfte: Das Mate 20 kommt mit einem Kopfhöreranschluss. Mir ist das eigentlich egal, weil ich sowieso schon seit Jahren mit einem Bluetooth-Kopfhörer unterwegs bin. Allerdings muss ich sagen, dass ich einmal doch froh war, dass ich eine Kopfhörerbuchse hatte, nachdem ich meinen kabellosen Kopfhörer zu Hause vergessen hatte und nur kabelgebundene Kopfhörer auftreiben konnte.
Schauen wir uns das Gerät kurz von allen Seiten an:
Für die Selfie-Kamera braucht es noch immer eine kleine Einbuchtung. Die Kamera dient auch für das Entsperren via Gesichtserkennung. Allerdings ohne Infrarot.
An der Unterseite sitzen Lautsprecher, USB-C-Anschluss und einige Sensoren:
Auf der Rückseite sieht man sehr schön den Farbverlauf der Twilight-Lackierung. Das ist sicher Geschmacksache. Ich fand’s okay. Der Fingerprint-Sensor sitzt wie immer unter den Kameralinsen und funktioniert tadellos.
Rechts sitzen die Tasten für Lautstärke und das Entsperren. Die Lautstärketaste kann man auch als Fotoauslöser verwenden.
Auf der linken Seite sitzt der SIM-Karten-Einschub für bis zu zwei SIM-Karten. Alternativ kann man auch den Speicher erweitern. Bei 128 GB internen Speicher sollte das aber nicht so schnell nötig sein.
Hier sieht man noch einmal schön den Farbverlauf der Twilight-Lackierung. Das Blau wechselt zu Violett und wird dann zu einem sehr, sehr dunklen Blau, das schon fast Schwarz anmutet.
Jetzt die grosse Frage: Was taugt die Kamera?
Okay, das Huawei ist technisch ein tolles Gerät. Grosszügiger Speicher, schneller Prozessor, viel Arbeitsspeicher, tolles Display. Doch dass Flagschiff-Geräte technisch immer top sind, ist ja nicht wirklich etwas Neues. Im täglichen Gebrauch hat das Gerät mich nie im Stich gelassen, nicht geruckelt, keine Abstürze. Einzig meine Netflix-App wollte sich strickt nicht öffnen lassen und hängte sich immer wieder auf. Warum? Keine Ahnung. Da es aber alle anderen Apps tadellos öffnen liessen, schiebe ich die Schuld hier jetzt mal Netflix in die Schuhe.
Da ich aber bei Smartphone-Empfehlungen eigentlich immer nur ein Kriterium durchgehend höre, will ich mich nun einfach diesem widmen: Die Kamera muss gut sein.
Klar, Huawei lobt seine Kamera in den höchsten Tönen und auch der Zusatz “Leica” macht schön was her. Doch welcher Hersteller tut das nicht? Um euch zu zeigen, was die neue Kamera kann, habe ich das Mate 20 ganz einfach gegen das Mate 10 Pro antreten lassen. Nachfolgend findet ihr also immer das gleiche Motiv einmal mit dem Mate 10 Pro und dann mit dem Mate 20 fotografiert. So könnt ihr selber entscheiden, welche Fortschritte die Kamera in euren Augen gemacht hat. Alle Fotos wurden immer im Automatikmodus des jeweiligen Smartphones geschossen.
Was mir sehr gefällt, ist, dass die Kamera bei eher schlechten Lichtverhältnissen, wie in den oberen Bildern (es war doch ordentlich bewölkt) deutliche Fortschritte gemacht hat. Vor allem beim ersten Foto mit dem Baum sieht man den Unterschied sehr gut. Dort wollte mein Mate 10 Pro schlicht kein helleres Foto abliefern. Klar, im Nachhinein kann man immer etwas aufhellen, aber dann gehen eben auch immer etwas die Details verloren.
Was ich aber bei der neuen Kamera wirklich super fand, waren die drei Linsen. Huawei hat nun nämlich die bisherige Monochrom-Linse weggelassen und dafür drei unterschiedliche Linsen eingebaut:
- Die Hauptkamera mit 12 MP (für die Alltagsfotografie/Schnappschüsse)
- Die Telelinse mit 8 MP (für weiter entfernte Objekte)
- Die Ultraweitwinkellinse mit 16 MP (für Landschaftsaufnahmen und Makros)
Wenn du dich nicht so gut mit Fotografie auskennst, fragst du dich nun vielleicht, was dir das genau bringt. Nun, du hast im Prinzip einen dreifachen, optischen Zoom. Das heisst, dass dass der Bildausschnitt nicht einfach digital vergrössert wird und dann die Pixel neu berechnet werden, damit das Foto scharf aussieht, sondern der Bildausschnitt wird mit den unterschiedlichen Linsen tatsächlich vergrössert (wie wenn du an einer Spiegelreflexkamera am Objektiv drehst, um zu zoomen).
Richtig toll fand ich hierbei die Ultraweitwinkellinse. Damit kriegst man einfach viel mehr auf ein Foto, ohne, dass man sich von der Stelle bewegen muss. Was ich damit meine, seht ihr in den folgenden drei Beispielfotos. Jedes Foto habe ich vom exakt gleichen Standpunkt aus aufgenommen, einfach jeweils mit einer anderen Kameralinse des Mate 20.
So sieht das Foto aus, wenn man die normale Linse verwendet:
Mit dem Teleobjektiv sieht der Bildausschnitt so aus. Ihr seid also näher dran, ohne dass das Bild verpixelt wirkt:
Und so sieht der Bildausschnitt mit dem Ultraweitwinkelobjektiv aus. Nicht vergessen: Ich stehe immer noch am exakt gleichen Ort wie bei den anderen beiden Fotos!
Für mich war die Ultraweitwinkellinse wirklich ein grosser Pluspunkt. Ich mache sehr gerne Landschaftsaufnahmen und dafür bevorzuge ich Weitwinkelobjektive. Bisher habe ich dafür natürlich immer meine Systemkamera verwendet – und das werde ich auch in Zukunft tun – aber das Mate 20 gibt mir dennoch die zusätzliche Möglichkeit, einfach mal ohne das Gewicht einer Sstemkamera unterwegs zu sein und trotzdem schöne Landschaftsaufnahmen machen zu können.
Und falls ihr mir noch immer nicht glaub, dass ich da immer am gleichen Ort gestanden habe, gibt’s hier noch einmal drei Beispielfotos:
Ein weiterer Pluspunkt der Ultraweitwinkellinse ist, dass ihr damit Makros machen könnt, also Objekte von ganz nah fotografieren. Huawei sagt, dass man bis zu 2,5 Zentimeter an ein Objekt heran kann, ohne dass das Bild nachher verschwommen ist. Dafür muss man allerdings in den Pro-Modus wechseln, heisst es zumindest. Ich war aber so frech und hab es ebenfalls im Automatikmodus versucht und ich muss sagen, dass ich wirklich zufrieden und auch etwas überrascht bin. Das klappt wirklich gut!
Für meinen Test habe ich Moos auf einem Baum fotografiert – ich weiss, nicht sehr spannend. Aber ich fand einfach, dass Moos, mit seinen vielen filigranen Bestandteilen ein ideales Motiv ist. Wie schon zuvor, habe ich das Mate 20 gegen mein Mate 10 Pro antreten lassen – und der Unterschied ist echt krass. Sowas habe ich wirklich nicht erwartet. Aber seht selbst:
Und wie werden die Fotos bei Nacht?
Die kurze Antwort? Gut – zumindest für Smartphone-Verhältnisse. Hier bewegt sich das Huawei Mate 20 definitiv in den Spitzenpositionen. Die Kamera-App hat extra einen Nachtmodus, mit der man teilweise wirklich Fotos schiessen kann, bei denen man das Gefühl hat, es sei taghell oder zumindest nur leicht am Eindämmern, obwohl es eigentlich richtig dunkel ist.
Stockdunkel war es bei dieser Aufnahme nicht, aber doch um einiges düsterer als hier zu sehen:
Voraussetzung dafür ist aber, dass man zumindest ein bisschen Licht aus einer künstlichen Lichtquelle hat. Ist ein Raum vollkommen dunkel, vermag auch kein Mate 20 im Nachtmodus (und ohne Blitz) irgendetwas aufzuhellen. Das ist aber auch nicht wirklich verwunderlich, oder? Weiterhin muss man im Nachtmodus das Handy relativ ruhig halten, da der Sensor für einige Sekunden beleuchtet wird, damit das Foto nachher schön hell wird. Zittert man hier zu fest, entstehen verwackelte Fotos. Keine Angst, eine absolut ruhige Hand braucht es nicht, denn das Mate 20 gleicht leichte Ruckler problemlos aus.
In der Foto-App habt ihr wieder jede Menge Einstellungsmöglichkeiten. Wie schon beim Mate 10 Pro gibt’s auch hier Unterstützung von einer künstlichen Intelligenz, die Motive automatisch erkennen soll und die Fotos entsprechend optimiert. Wer keine Lust hat, dass einem von einer KI reingeredet wird, kann ganz einfach in den Pro-Modus wechseln und dort alles selbst einstellen.
Etwas schade finde ich, dass man für den Bokeh-Effekt jetzt extra via Swipe in den Bokehmodus wechseln muss. Beim Mate 10 Pro gibt es dafür oben einfach einen Button, den man aktivieren kann. Ich find das etwas biedienungsfreundlicher.
Es gibt gefühlt hunderte von Extras und Einstellungsmöglichkeiten. Experimentierfreudige werden hier sicher ihren Spass haben.
Was fehlt noch? Genau, die Videofunktion!
Ja, filmen wird man mit so einem Smartphone vermutlich mehr als Fotos machen. Ich möchte hier nicht detailliert auf die Videofunktion eingehen, denn ehrlich gesagt gibt es nichts zu bemängeln und mit superlativen Eindecken möchte ich euch jetzt auch nicht. Alles läuft flüssig, die Bedienung ist gewohnt einfach und die Video sehen toll aus. Erwähnenswert finde ich die Zeitlupenfunktion. Hier könnt ihr nämlich Videos mit bis zu 960 Bildern pro Sekunde machen, wenn auch nur mit 720p. Aussehen tut es trotzdem super, vor allem, wenn ihr es bei Wasser verwendet:
Den Akku möchte ich dann doch noch erwähnen
Was nützt einem die beste Kamera, wenn der Akku nach einem halben Tag schlapp macht? Glücklicherweise hat Huawei seinem Mate 20 wieder einen richtig grossen Akku von 4000 mAh spendiert. Das Mate 20 hält also so richtig schön lange. Mindestens einen Tag bei intensiver Nutzung, meistens sogar etwas länger, wenn man nicht die ganze Zeit am Smartphone hängt. Ist der Akku dann doch einmal leer, hat man ihn dank Power-Charge richtig schnell aufgeladen. Ich bin mir das bereits vom Mate 10 Pro gewöhnt, aber Leute, die das noch nicht kennen, dürften sicher positiv überrascht sein. Wenn Huawei behauptet, dass der Akku in 30 Minuten wieder auf 58 Prozent ist, übertreiben sie damit nicht!
Ich bin unterdessen so weit, dass ich mein Handy nur noch selten über Nacht voll auflade. Ist der Akku mal unter 30 Prozent, häng ich das Ding schnell für eine halbe Stunde ans Netz und hab wieder genug Akku für die nächsten paar Stunden. Sowas ist wirklich bequem.
So, das war’s von meiner Seite, Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Eindruck des Mate 20 respektive dessen Kamera vermitteln. Ich hätte das Telefon gerne behalten, musste es aber leider nach zwei Wochen wieder zurückschicken. Oder in anderen Worten: Ich kann das Mate 20 wirklich ohne schlechtes Gewissen empfehlen. Vor allem auch, wenn es High-End sein soll, aber du keine Lust hast, 1000 Franken auszugeben.
Das Mate 20 kostet aktuell in den meisten Online-Shops 749 Franken. Wer ein bisschen Geduld hat, findet es sicher auch bald schon unter 700 Franken.
Die wichtigsten technischen Daten
- Kirin 980 Octa-Core-Prozessor mit bis zu 2.6 GHz, 4 GB RAM, 128 GB interner Speicher (via NM-Karte erweiterbar)
- 6,53″-Touchdisplay mit IPS-Panel und einer Auflösung von 2244 x 1080 Pixeln
- 24 MP Frontkamera und 16+12+8 MP Triple-Rückkamera (Teleobjektiv, Ultraweitwinkel-/Makroobjektiv, AI-Unterstützung)
- 2G/3G/4G, Dual-SIM, 802.11ac WLAN, Bluetooth 5.0/BLE, NFC, GPS, USB-C
- Fingerabdruckscanner, 4000 mAh Akku mit Schnellladefunktion
- Betriebssystem: Android 9 mit EMUI