In meinem Verwandtenkreis höre ich immer wieder, dass es unmöglich oder zumindest sehr umständlich sei, mit dem Elektroauto lange Strecken zu bewältigen. Doch ist da was dran? Ich wollte es ganz genau wissen. Gesagt, getan: Mit meiner Familie, Reisegepäck für knapp zwei Wochen und dem Nissan Ariya Evolve 400 als fahrbaren Untersatz, haben wir uns auf den Weg in den Urlaub gemacht.
Unser Elektroauto für zwei Wochen: Der Nissan Ariya Evolve 400
Auf unserem Trip nach Südfrankreich hat uns der Nissan Ariya Evolve 400 begleitet. Es ist das aktuelle Topmodell aus dem Hause Nissan. Ausgestattet mit einem Elektro-Doppelmotor mit 290 kW (394 PS), womit die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5,1 Sekunden gelingt, und einer 87 kWh (netto) grosser Batterie. Der Verbrauch gibt Nissan kombiniert mit 19,4 kWh auf 100 km an.
Die Ladeleistung an einer Schnellladestation beträgt maximal 130 kW. Nissan gibt an, dass bis zu 300 km Reichweite in circa 35 Minuten geladen werden kann. Ein Wert, der +/- hinkommt. Damit findet sich der Ariya Evolve 400 allerdings nur im Mittelfeld. Erfreulich dafür ist, dass der Ariya an einer Wallbox (Wechselstrom) ab Werk mit bis zu 22 kW laden kann. Das ist bei vielen anderen Herstellern, die maximal 11 kW bieten, nicht mal gegen Aufpreis erhältlich.
Unser Trip nach Südfrankreich
Wir sind nicht direkt von Bern (CH) in den Süden gefahren, sondern haben zunächst zwei Tage etwas weiter oben im Norden in Rust (DE) inkl. Besuch des Europa Parks verbracht. Von Rust aus sind wir anschliessend direkt an die Côte d’Azur nach Grimaud (Frankreich) gefahren. So sah im Endeffekt unser Trip aus:
- Bern (CH) nach Rust (DE) - ca. 190 Kilometer
- Rust (DE) nach Grimaud (FR) - ca. 860 Kilometer
- Grimaud (FR) nach Bern (CH) - ca. 709 Kilometer
Das ergibt summa summarum eine Fahrstrecke von insgesamt 1759 Kilometern. Natürlich sind dann auch noch in Südfrankreich der eine oder andere Kilometer dazugekommen. Letztendlich sind wir in der Zeit weit über 2000 Kilometer mit dem Ariya unterwegs gewesen.
Ladeplanung: Mit der Fastned-App erfolgreich ans Ziel
Eine Ladeplanung kann ich bei einer Langstrecke wärmstens empfehlen. Ich habe sie mit der Fastned-App gemacht. Weshalb mit dieser App? Ganz einfach, ich finde die App sehr gelungen und ebenfalls die Schnellladestationen, wie du etwa hier nachlesen kannst. Die Fastned-App gibt nicht nur die hauseigenen Ladestationen an, sondern zeigt dir auch Fremdanbieter an, etwa von IONITY oder Supercharger von Tesla. Du siehst innerhalb der App auf einen Blick, auf wie viel du dein Elektroauto aufladen musst, damit du sicher zur nächsten Ladestationen oder deinem Ziel ankommst. Ziemlich einfach und easy.
Kleiner Tipp am Rande: Auch wenn die Schnelllader alle via App oder Kreditkarte direkt an der Ladestation bezahlt werden können, empfehle ich dir eine physische Ladekarte mit auf deine Langstrecke mitzunehmen, etwa eine von Plugsurfing. Die Ladekarte war insbesondere an den langsamen Ladestationen (Wechselstrom) in den Dörfern von Südfrankreich wertvoll, da diese effektiv nur mittels der Ladekarte aktiviert werden konnten.
Wie gut ist die Ladeinfrastruktur in Frankreich?
Ich würde dich anlügen, wenn ich hier schreiben würde, dass ich vor dem Trip nicht doch ein paar Bedenken hatte. Insbesondere war mir bis dato nicht bewusst, wie gut die Ladeinfrastruktur in Frankreich ist. Ja, man hört immer wieder Schauergeschichten darüber, dass es viel zu wenige Ladestationen gäbe und es dadurch zu sehr langen Wartezeiten käme. Ich kann dich in Bezug auf Frankreich aber beruhigen.
Ganz ehrlich, ich war extrem überrascht, wie gut die Ladeinfrastruktur an den Autobahnen in Frankreich ausgebaut ist. Überall dort, wo auch eine Tankstelle steht, gibt es mehr als genügend Ladestationen direkt nebenan. Obwohl wir im Juli den Weg nach Südfrankreich in Angriff nahmen und etwas später zurück in die Schweiz, mussten wir nirgends auf eine freie Ladestationen warten. Es gab immer mehrere freie Plätze. Warten mussten wir nur, bis das Fahrzeug wieder geladen ist. Klar, die autoroute du Solei (A7) ist eine der wichtigsten und wohl auch meistbefahrensten Autobahnen in Frankreich. Ob es auf den anderen Autobahnen gleich aussieht, kann ich dir nicht beantworten.
Auf der Reise nach Südfrankreich konnte ich an jeder angefahrenen Ladestation direkt laden - ohne Zwischenfälle. Probleme hatte ich dann auf dem Rückweg, die mich kurz ins Schwitzen kommen lassen haben. Tatsächlich liess sich der Ladevorgang an einer Ladestation von IONITY nicht starten. Weshalb? Ich weiss es nicht. Da genügend freie Plätze vorhanden waren, versuchte ich mein Glück einfach an der nächsten Ladestation nebenan. Und siehe da, es klappte - zum Glück. Auch an der zweiten Ladestation, diesmal von Fastned, die ich auf dem Rückweg in die Schweiz besucht habe, musste ich wechseln. Sie liess sich nicht aktivieren, da scheinbar der vorherigen Ladevorgang nicht korrekt beendet wurde.
Wie viel Ladestopps waren nötig, um in Südfrankreich anzukommen?
Von Rust nach Grimaud musste ich insgesamt drei Ladestopps einlegen. Wir waren dabei jeweils zwischen zwei bis knapp drei Stunden mit dem Nissan Ariya Evolve 400 unterwegs. Nach dieser Fahrzeit war mir eine Pause ehrlich gesagt nur recht. WC-Pause, etwas Bewegung für die Beine und natürlich etwas essen, damit konnten wir die Ladezeit gut überbrücken. Klar, hier und da hätte ich mir eine etwas höhere Ladeleistung von unserem Elektroauto gewünscht. Ja, ich habe an der einen Ladestation doch etwas neidisch zum Kia EV6 (240 kW) rübergeschaut.
Auf dem Weg von Grimaud nach Bern reichten zwei Ladestopps aus, um noch mit einem Restakku von 21% anzukommen.
Übersicht der Ladestopps von Rust (DE) nach Südfrankreich
- e-Vadea - Marchaux-Chaudefontaine (A36) - 25 Minuten (keine funktionierende App, wurde mit KK bezahlt)
- Fastned - Aire de Dracé (A6) - 34 Minuten (49,10 kWh nachgeladen) / Kostenpunkt: 28,97 Euro
- IONITY - Aire de Mornas Village (A7) - 31 Minuten (46,75 kWh nachgeladen) / Kostenpunkt: 15.43 Euro
Total Zeit für Ladevorgang: 1 Stunde und 30 Minuten.
Kosten (geschätzt, da zu e-Vadea keine genaue Angabe vorhanden): 44.40 Euro (+ ca. 20 Euro bei e-Vadea)
Übersicht der Ladestopps von Grimaud in die Schweiz
- IONITY - Aire de Mornas Les Adrets (A7) - 41 Minuten (61,15 kWh nachgeladen) / Kostenpunkt: 20.18 Euro
- Fastned - Aire de Romagniu (A43) - 37 Minuten (60,14 kWh nachgeladen) / Kostenpunkt: 35.48 Euro
Total Zeit für Ladevorgang: 1 Stunde und 18 Minuten
Kosten: 55.66 Euro
Wie hoch ist der durchschnittliche Verbrauch auf der Autobahn mit dem Nissan Ariya Evolve 400?
Der durchschnittliche Verbrauch in kWh betrug auf der Autobahn knapp über 22 kWh. Insbesondere auf dem Rückweg hatten wir noch relativ viel Verkehr und auch Stau. Die durchschnittliche Geschwindigkeit betrug 84 km/h. Hier sei anzumerken, dass ich die Strecke jeweils im Eco-Modus gefahren bin. In diesem Modus steht dir weniger Leistung zur Verfügung, sie reicht aber locker aus, um auf der Autobahn problemlos zu fahren.
Fazit zu unserem Trip mit dem Nissan Ariya Evolve 400 nach Südfrankreich
Meine Bedenken, die ich im Vorfeld durchaus hatte, haben sich relativ schnell in Luft aufgelöst. Zwei, drei kleine Stresssituationen gab es zwar, etwa, wo wir auf dem Weg nach Südfrankreich die geplante Ladestation aufgrund eines streikenden Navis verpasst haben, oder auf dem Weg zurück in die Schweiz, wo zunächst die Ladestationen streikten. Da die Ladeinfrastruktur auf der von uns befahrenen Autobahnen aber sehr gut ausgebaut war, entpuppten sich weder der verpasste Ladepark, noch die nicht funktionierenden Ladestationen als Problem.
Ich würde lügen, wenn ich hier schreiben würde, dass ich mir hier und da nicht gewünscht hätte, eine etwas kürzere Ladepause machen zu können. Rückwirkend gesehen taten mir aber die jeweils ca. 30-40 Minuten langen Ladepausen geistig und körperlich gut, so dass ich alle Strecken (Rust - Grimaud / Grimaud - Bern) alleine bewältigen konnte. Und hier sei nochmals angemerkt, dass etwa ein Kia EV6/EV9 oder Hyundai IONIQ 5/6 eine deutlich höhere Ladeleistung erreicht, so dass die Ladepausen sich folgerichtig verkürzen.
Auch in Südfrankreich selbst, also in der Umgebung rund um Saint Tropez, trifft man eine gute Ladeinfrastruktur an. Bei den grösseren Einkaufscenter, etwa Leclerc in Cogolin, gibt es neben Ladestationen mit bis zu 37 kW ebenfalls Schnellader mit bis zu 150 kW. Preislich bewegen wir uns dabei bei 0,2616 bzw. 0,3662 Cent pro kWh. Hinzu kommt eine Blockiergebühr nach 30 Minuten von 0,2747 Cent pro Minute.
Abschliessend lässt sich festhalten: Würde ich nochmals mit einem Elektroauto eine Langstrecke bewältigen? Ja. Ist ein Elektroauto Langstreckentauglich? Ich würde diese Frage nach meinen Erfahrungen, die ich auf unserem Trip gemacht habe, ebenfalls mit Ja beantworten. Elektromobilität auf Langstrecken funktioniert. Von Vorteil ist aber, wenn du dir vor der Reise eine Ladeplanung zurecht legst. Dann erlebst du auch kein blaues Wunder.
Übrigens: Du findest auf unseren sozialen Kanälen bei TikTok und YouTube (Short) ein Videotagebuch von meinem Trip in den Süden.
Hast du Fragen zu unserem Trip nach Südfrankreich? Gerne beantworte ich sie dir in den Kommentaren.