Tablets hatten in meinem Gadget-Alltag in den letzten zehn Jahren nie eine allzu grosse Rolle gespielt. Ja, sie sind in gewissen Situationen durchaus praktisch, aber die Vorteile gegenüber einem Laptop in Kombination mit einem Smartphone hielten sich für mich in Grenzen. Weshalb also extra ein Tablet kaufen? In den letzten zwei, drei Jahren sind Tablets aber plötzlich um einiges interessanter geworden. Bezüglich Leistung können Topmodelle wie die S-Reihe von Samsung locker mit Businesslapops mithalten und wer gerne digital zeichnet, schätzt Tablets sowieso.
Obwohl die Android-Welt einiges an verschiedenen Tablets auf die potenziellen Kund:innen loslässt, dominiert Apple den Markt. Vor allem, wer kreativ unterwegs ist, hat mit dem iPad Pro mit Final Cut und Procreate eine schier unschlagbare Kombination in Aussicht. Samsung ist einer der wenigen Hersteller, der sich jedes Jahr anschickt, Apples Dominanz zu brechen. Während sich viele Unternehmen auf Einsteiger- oder Mittelklasse-Tablets beschränken, bringen die Südkoreaner jährlich ein neues High-End-Modell auf den Markt. In diesem Jahr ist es das Galaxy Tab S8 Ultra. Ich habe es für knapp einen Monat getestet und komme zu einem gemischten Fazit. Das Tablet lässt eigentlich kaum Wünsche offen, doch ausgerechnet die Sache, die mich stört, kann Samsung nicht (oder kaum) beeinflussen: das Betriebssystem.
Ein Tablet, das auch ein Laptop sein könnte
Samsung hat sich beim Galaxy Tab S8 Ultra für Android entschieden, was nicht überrascht. Und Android auf Tablets ist so eine Sache. Google hat die Entwicklung in den letzten Jahren arg vernachlässigt und das rächt sich nun. Bereits auf handlichen Tablets macht Android oftmals keine gute Figur. Apps können zwar installiert und ausgeführt werden, sind aber sichtbar nicht für grössere Bildschirme als denjenigen von Smartphones optimiert. Nun kommt Samsung und präsentiert ein Tablet, dass eine Bildschirmdiagonale von riesigen 14,60 Zoll hat und damit ein Laptop sein könnte.
Mit so einer riesigen Bildschirmdiagonale wird das Gerät für mich natürlich als Laptopersatz interessant. Doch so sehr ich es versucht habe: Ich konnte mich mit Android als Windows-Alternative nicht anfreunden. Für alltägliche Büroarbeiten wie Schreiben, Mails beantworten oder auch mal eine Präsentation erstellen ist Android tipptopp. Das liegt auch daran, dass Microsoft sich in den letzten Jahren bemüht hat, seine Office-Suite für Android-Tablets zu optimieren. Und selbst wer nicht Microsoft-Software nutzt, kommt mit Samsungs Alternativen oder selbst Googles Office-Lösung gut durch den Alltag.
Das Galaxy Tab S8 Ultra lässt kreative Herzen nur bedingt höher schlagen
Will man mit dem Galaxy Tab S8 Ultra aber kreativ werden, wird es knifflig. Es ist nicht so, dass es für Android keine brauchbaren Zeichen-Apps gäbe. Samsung selbst liefert die hauseigene App Penup mit und das ist fürs gelegentliche Skizzieren tipptopp, wenn auch etwas gar verspielt. Wer aber auf Produktivität aus ist und aus der Adobe-Welt kommt, wird seine liebe Mühe haben. Ja, Adobe hat auch seine Apps für Android, aber diese sind keine echten Alternativen zu Photoshop für den Desktop oder auch Premiere Pro. Und wer gerne mit Fresco arbeitet, schaut bei Android sowieso in die Röhre.
Im Moment ist es einfach so, dass das Android-Ökosystem keine zufriedenstellenden Alternativen zur Adobe-Suite bieten kann. Stattdessen muss man sich seine Production-Pipeline aus Apps verschiedener Hersteller zusammenklauben, die sich bezüglich Zielgruppe an eher Hobbyanwender:innen orientiert. Eine richtig gute All-in-One-Alternative zu Photoshop, wie es Procreate bei Apple ist, gibt es noch immer nicht.
Zu gross, um nur Videos zu schauen
Damit stellt sich für mich die Frage, welche Zielgruppe Samsung mit dem Galaxy Tab S8 Ultra ansprechen will. Nur um Videos anzuschauen, wird sich das S8 Ultra niemand kaufen. Dafür ist es zu gross und zu teuer. Selbst ein mittelmässiges Nokia T20 reicht dafür aus – nur schon, weil das S8 Ultra durch seine Grösse relativ schwer in der Hand liegt. Als kreativer Hub ist das Galaxy S8 Ultra auch nur bedingt geeignet, was allerdings nicht an Samsung liegt, sondern, wie schon erwähnt, an Android.
Samsung selbst macht nämlich einen hervorragenden Job. Der Stift liegt gut in der Hand und reagiert richtig schnell. Nur 2,8 Millisekunden soll die Latenz laut Datenblatt betragen. Egal, ob Skizzieren, Malen oder Kalligrafie – der S-Pen meistert alles top und es macht richtig Spass, ihn zu benutzen. Da tut es natürlich umso mehr weh, wenn man kein Zeichenprogramm hat, dass einen zufriedenstellt. Hier hätte ich mir tatsächlich eine Windows-Version des S8 Ultra gewünscht.
Unter dem Strich ist das Galaxy Tab S8 Ultra also vor allem als Ersatz für einen Business-Laptop spannend. Dafür ist das Tablet auch mit Samsungs DeX ausgerüstet. Ist dieses aktiviert, präsentiert sich Android in einer Windows-ähnlichen Desktopoberfläche. Für die Arbeit mit Maus und Tastatur ist diese ideal und stellenweise vergisst man sogar kurz, dass man eigentlich Android nutzt. Apps werden, wie man das von Desktops gewohnt ist, in Fenstern angezeigt und können auch übereinander gestapelt werden. Nutzt du die magnetische Samsungtastatur, kannst du auch einstellen, dass DeX automatisch startet, wenn du diese anschliesst. Einzig die paar Sekunden Verzögerung, die es beim Wechsel auf DeX braucht, müssten nicht sein.
Leistung lässt keine Wünsche übrig
Aber auch hier frage ich mich: Wieso brauche ich ein riesiges Tablet mit DeX, wenn ich auch einfach einen richtigen Laptop kaufen kann, auf dem Windows oder MacOS installiert ist? DeX ist für mich primär bei Samsung-Smartphones spannend, da es mir dort einen wirklichen Vorteil bringt. DeX auf dem S8 Ultra ist zwar ein netter Workaround für das eher dürftige Android, aber gegenüber herkömmlichen Desktop-OS bezüglich Software ein Downgrade.
Rein technisch kann sich das Galaxy Tab S8 Ultra nämlich sehen lassen. Samsung setzt nicht auf einen hauseigenen Exynos-Prozessor, sondern hat den Snapdragon 8 Gen 1 verbaut, das Flaggschiff aus dem Hause Qualcomm. Dazu gibt es optional 8 oder 16 GB RAM. Ich habe die Version mit 16 GB RAM getestet und ja, was soll ich sagen? Das S8 Ultra hat so viel Power, dass ich es nicht ein einziges Mal an den Anschlag gebracht habe. Mit Office-Anwendungen sowieso nicht, aber auch sämtliche grafische Arbeiten oder Videoschnitt in 4k hat dem S8 Ultra nur ein müdes Gähnen entlockt. Die bekannten Benchmarks wie Geekbench, Speedometer 2.0 oder 3DMark bestätigen diesen Eindruck: das S8 Ultra hat bezüglich Leistung überall sehr gute Werte.
Auch in Sachen Design hat Samsung ein Schmuckstück abgeliefert. Überrascht hat mich vor allem, wie dünn das Gerät trotz seiner Grösse ist. Stell dir einen 15-Zoll-Laptop vor, der aber nur 5,5 Millimeter dünn ist. Im ersten Moment hatte ich fast Angst, das Tablet zu zerbrechen. Aber natürlich ist das Tab S8 Ultra sehr stabil und top verarbeitet – eben so, wie man das von Samsung gewohnt ist. Gefallen haben mir auch die sehr schmalen Ränder, die rundherum fast gleich breit sind. Einzig die Notch sticht hervor, stört aber im Alltag nicht weiter. Ihre Position macht auch sofort klar, dass Samsung das Tab S8 Ultra im Alltagsbetrieb als Laptop-Ersatz sieht.
Kameras erfüllen ihren Zweck, mehr nicht
Dann wären da noch die Kameras, etwas, was ich bei Tablets durchaus vernachlässigbar finde. Für gute Fotos habe ich mein Smartphone oder eine Systemkamera. Vorne und hinten gibt es eine Weitwinkelkamera, die von einer Ultraweitwinkelkamera flankiert wird. Da die Leute kaum mit einem knapp 15-Zoll grossen Tablet durch die Landschaft rennen und Fotos machen werden, gibt’s auf der Rückseite ein Setup mit 13 Megapixel (weit) und 6 Megapixel (ultraweit). Die Fotos, die damit entstehen, sind okay, aber nichts Weltbewegendes.
Auf der Vorderseite gibt es bei beiden Kameras 12 Megapixel mit maximal 4k, was dafür sorgt, dass man bei Videochats besser aussieht als bei manchem Laptop. Damit hat das Tab S8 Ultra bezüglich Kameraqualität alltagstaugliche Hardware, die aber nicht aus der Masse heraussticht.
Akku schafft etwa sieben Stunden
Bleibt noch der Akku. Dieser ist 11’200 mAh gross und kann mit maximal 45 Watt geladen werden. Laut Samsung ist der Akku so in 82 Minuten wieder vollständig aufgeladen, wenn er mal leer ist. Wirklich überprüfen konnte ich das nicht, da Samsung kein Ladekabel dazugibt und ich kein originales Samsung-Schnellladekabel hatte. Zwar habe ich es mit Schnellladekabeln anderer Hersteller getestet, aber diese brauchten deutlich länger, wohl, weil die Chips in den Adaptern nicht mit Samsung kompatibel waren.
Ist der Akku dann mal voll, hält das Tablet bei intensiver Nutzung nicht ganz einen Arbeitstag durch. Wer also 8,5 Stunden arbeitet, muss sich etwa eine Stunde vor Feierabend auf die Suche nach einer Steckdose machen. Das ist jetzt nicht der schlechteste Wert, aber eine etwas längere Laufzeit hätte ich mir schon gewünscht.
Fazit zum Galaxy Tab S8 Ultra
Samsungs neues High-End-Tablet ist ohne Frage ein Top-Gerät, wenn es um die Hardware geht. Der neuste Prozessor, viel Arbeitsspeicher und sogar ein Slot für eine miniSD-Karte sorgen für viel Spass. Das OLED-Display überzeugt mit gutem Kontrast, schönen Farben und unterstützt 120 Hertz. Das Gerät sieht toll aus und ist erstaunlich dünn für seine Grösse. Ein Haar in der Suppe zu finden, ist schwierig, wenn auch nicht unmöglich. Ja, das Tablet hat keine IP-Zertifizierung. Aber mit dem riesigen Teil gehst du wohl kaum in die Badewanne. Auch die Akkulaufzeit ist durchschnittlich, aber verkraftbar.
Das Problem, dass das Tab S8 Ultra hat, ist Android. Was nützt mir ein Gerät, das technisch einen Laptop ersetzten könnte, wenn die Software nicht dafür optimiert ist. Für Office-Arbeiten ist das Tab S8 Ultra zwar problemlos nutzbar, allerdings kann man sich auch einen günstigen Laptop kaufen. Für Kreative, die in der Adobe Suite gefangen heimisch sind, ist das Tab S8 Ultra leider nicht geeignet. Auch ansonsten muss man sich bei Android in professioneller Hinsicht auf einige Kompromisse gefasst machen, wenn man sich eine gute Production Pipeline für den kreativen Alltag aufbauen möchte
Damit wird das Galaxy Tab S8 Ultra zu einem Gerät, bei dem ich nicht so recht weiss, wem ich es empfehlen soll. Für das Modell mit 16 GB RAM und 512 GB internem Speicher aus diesem Test musst du rund 1430 Franken berappen. Immerhin gibt Samsung den S-Pen dazu, verlangt allerdings für das Book Cover Keyboard nochmals extra 248 Franken. Damit kostet die beste Ausführung mit Cover und Tastatur beinahe 1700 Franken. Hätte das S8 Ultra Windows installiert, würde ich sagen: kaufen! Mit Android kann ich momentan nur sagen: Überleg es dir sehr gut.