Etwas mehr als zwei Jahre nach dem US-Bann stellt Huawei sein eigenes Betriebssystem HarmonyOS offiziell der Welt vor. Am 2. Juni 2021 wird Huawei laut Berichten auf Weibo das OS in China vorstellen. Gemeint ist damit natürlich die finale erste Version, die dann an die Endkunden verteilt wird. Die Info stammt von Weibo, wo ein Leaker die Einladung geteilt hat. Im Moment ist noch unklar, ob Huawei ihr Betriebssystem nur für den chinesischen Markt vorstellt oder ein globaler Launch bevorsteht. Inzwischen hat uns auch Huawei Schweiz den Launch bestätigt und die Schweizer Presse zu einem entsprechenden lokalen Event eingeladen.
Das ist die veröffentlichte Einladung auf Weibo:
Zwei neue Produkte mit HarmonyOS
Zusammen mit dem Launch von HarmonyOS wird Huawei auch zwei Geräte präsentieren, die ab Werk mit HarmonyOS ausgestattet sind. Zum einen wird das ein Tablet sein, zum anderen eine Smartwatch. Das MatePad Pro 2 kommt in zwei Display-Grössen daher, einmal mit 12,2 Zoll, die etwas grössere Version hat 12,6 Zoll. Die Bildwiederholungsrate beträgt 120 Hertz, geladen wird mit 40 Watt. Angetrieben wird das MatePade Pro 2 von einem Kirin 9000. Da stellt sich natürlich die Frage, wie viel Stück Huawei von seinem letzten High-End-Chip noch an Lager hat. Zuletzt gab es Gerüchte, wonach Huawei nicht einmal mehr genug Chips habe, um mehr als eine Million P50 Pro zu produzieren.
Als zweites Produkt soll Huawei eine Smartwatch präsentieren. Die Watch 3 kommt demnach in einer normalen und einer Pro-Variante daher. Erste Leaks legen nahe, dass die Uhr ein rundes Display haben wird, auch wenn das noch nicht als gesichert gilt. Es ist davon auszugehen, dass beide Geräte auch in der Schweiz starten. Sie wären damit nicht die ersten Geräte mit HarmonyOS in der Schweiz. Huawei hat uns bestätigt, dass auch der Fernseher Vision S, der HarmonyOS vorinstalliert hat, für Westeuropa und damit die Schweiz geplant sei. Nur ein Release-Datum wollte man uns noch nicht nennen.
Huawei-Handys vorerst wohl nur in China mit HarmonyOS
Die grosse Frage ist natürlich, ob Huawei nun alle seine Smartphones auf HarmonyOS aktualisiert. Zumindest ausserhalb Chinas dürfte das nicht der Fall sein. Ich gehe davon aus, dass Huawei höchstens seine Modelle ohne Google-Services auf HarmonyOS umstellen wird. Da aber hierzulande noch wichtige Apps nicht in der AppGallery verfügbar sind, wird man wohl vorsichtig vorgehen. In einem Interview mit huaweiblog.de hat William Tian, Country-Manager von Huawei Deutschland, versprochen, dass User in Deutschland nicht zum Update auf HarmonyOS gezwungen werden. Wer ein älteres Huawei-Handy hat, auf dem noch Google-Services laufen, werde die Wahl haben: Entweder auf HarmonyOS umsteigen oder bei Android bleiben. Ich gehe stark davon aus, dass dies auch für die Schweiz der Fall sein wird.
Das lässt natürlich den Schluss zu, dass Huawei seine neueren Geräte in Europa, die keine Google Mobile Services mehr haben, irgendwann per Update umstellen wird, man also nicht die Wahl hat. Momentan betrifft das folgende Modelle, die in der Schweiz erhältlich sind:
- Huawei P40 lite (5G)
- Huawei P40 lite E
- Huawei P40
- Huawei P40 Pro
- Huawei P40 Pro+
- Mate 30 Pro
- Mate 40 Pro
- Huawei Mate Xs
- Huawei P smart 2021
Huawei muss beweisen, dass HarmonyOS eigenständig ist
Klar, angekündigt hatte das Unternehmen seinen Ausweichplan mit HarmonyOS schon zuvor, doch bisher gab es nur Beta-Versionen. Eine davon konnte der Blog Ars Technica im Februar testen. Dabei hat der betreffende Redakteur festgestellt, dass es sich – zumindest bei dieser Betaversion – um eine Kopie von Android 10 gehandelt hat. Huawei habe lediglich versucht, auf der Benutzeroberfläche und dem Code den Namen Android durch HarmonyOS zu ersetzen.
Tragisch wäre das eigentlich nicht, denn Android ist Open Source und darf von jedem Unternehmen kopiert und angepasst werden. Allerdings hatte Huawei behauptet, dass man HarmonyOS seit 2016 entwickle und es keine Android-Kopie sei. Nach den Enthüllungen von Ars Technica gab sich Huawei trotzig und sagte unter anderem, dass solche selbst ernannten Experten wie von Ars Technica keine Ahnung hätten.
Schliesslich hiess es, dass der Code von Android nach und nach durch eigenen Code von Huawei ersetzt werde. Tatsächlich hat Huaweicentral vor einigen Tagen berichtet, dass die neuste Betaversion von OpenHarmony, so der Name der Open-Source-Variante, fast fünf Millionen Zeilen eigenen Code habe. Zum Vergleich: Android 11 besteht aus etwa 15 Millionen Zeilen Code. Es gäbe sogar eine Verzweigung der Betaversion 2.0, die komplett Android-Code-frei sei. Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich aktuell nicht überprüfen, wenn man kein Coder mit Betatesterzugang ist.
Es bleibt auf jeden Fall spannend, ob Huawei die skeptischen Stimmen mit der Präsentation besänftigen kann. Ich selbst bin sehr gespannt, ob Huawei wirklich den versprochenen Mikrokernel liefert oder das alles nur PR war. Vor allem aber wünsche ich mir endlich Klarheit darüber, wie es sich mit Android-Apps auf HarmonyOS verhält: Laufen sie nun Out of the box oder doch nur mit gewissen Anpassungen. Im Vorfeld gab es beiderlei Berichte, zuletzt war sogar von einem Dual-Framework die Rede.