Im Test: Der Kia EV6 AWD
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eMobilität Elektroauto Fahrbericht

Im Test: Der Kia EV6 AWD

Bruno Rivas
Bruno Rivas

2021 lancierte KIA mit dem EV6 ein sehr spannendes Crossover-SUV, das wie der Hyundai IONIQ 5 auf der E-GMP (steht für Electric Global Modular Platform) basiert. Ich muss gestehen, dass ich mich sehr auf den Test dieses Elektroautos gefreut habe. Das aus mehreren Gründen: Einerseits gefällt mir das futuristische Aussehen und andererseits hat er in dieser Preisklasse technisch sehr viel zu bieten, wie etwa die 800-Volt-Technik. Alles in allem ist der Kia EV6 also ein äusserst spannendes Elektroauto.

Werden meine (hohen) Erwartungen an den Kia EV6 erfüllt? Das beantworte ich auf den nächsten Zeilen. Eins sei aber schon hier erwähnt: Der Kia EV6 ist eines dieser Fahrzeuge, das ich nach der Testphase ungern zurückgegeben habe. Ein gutes Zeichen.

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Das Testfahrzeug: Kia EV6 AWD (4×4)

  • Leistung: 239 kW (325 PS)
  • Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,2 Sekunden
  • Reichweite nach WLTP: 506 Kilometer
  • Verbrauch nach WLTP: 17.2 kWh auf 100 km
  • Ladeleistung DC: 240 kW
  • Ladeleistung AC: 11 kW
  • Batteriegrösse: 77,4 kWh
  • Preis: ab 65’600 Franken

Innenausstattung und Infotainment

Werfen wir gleich einen Blick auf die Innenausstattung. Wer schon den IONIQ 5 von Hyundai gefahren ist, der wird sich im Kia EV6 schnell wohlfühlen. Warum? Beide Modelle basieren auf derselben Plattform. Das wird im Innenraum schnell sichtbar. Wie im IONIQ 5, gibt es zwei grosse Displays mit einer Diagonale von je 12,3 Zoll (ca. 31 cm). Der Bildschirm hinter dem Lenkrad stellt alle nötigen Daten (Geschwindigkeit, Verbrauch, usw.) für den Fahrer dar. Das Cockpit-Display wird durch ein Head-up-Display mit Augmented Reality ergänzt, sodass der Blick immer auf die Strasse gerichtet ist.

Übersichtlich und geräumig: Das Cockpit im Kia EV6
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Mittig ist das zweite, grosse Display für das Infotainment-System integriert. Darüber lässt sich etwa das integrierte Navi oder das Radio bedienen. Ganz so überzeugt hat mich das Infotainment-System nicht. Es wirkt etwas altbacken und läuft auch nicht so flüssig, wie etwa Android Automotive beim Renault Megane E-Tech Electric. Hinzu kommt eine etwas umständliche Bedienung, beispielsweise für das Navi. Und auch die Ladeplanung hat Kia (und auch Hyundai) nicht so gut im Griff. Das geht einfacher und besser. Kia (und Hyundai) haben in dieser Hinsicht noch Luft nach oben.

Ganz so tragisch ist das etwas altbackene Infotainment-System nicht, vor allem dann nicht, wenn man ein Android-Smartphone oder ein iPhone nutzt. Denn das Infotainment-System von Kia unterstützt auch Android Auto und Apple CarPlay. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber auch hier: Trotz serienmässiger induktiver Ladeschale muss zwingend ein USB-Kabel für die Nutzung von CarPlay und Android Auto verwendet werden – schade. Überzeugend war dafür das tolle Soundsystem.

Leider nur mit Kabel nutzbar: Apple CarPlay und Android Auto
Leider nur mit Kabel nutzbar: Apple CarPlay und Android Auto | Bild: vybe

Obwohl Kia die Innenausstattung sehr modern gestaltet hat, gibt es noch vereinzelte haptische Knöpfe im Auto  – und das schätze ich. Es ist also nicht alles nur per Touchscreen oder berührungsempfindlichen Flächen zu bedienen. Darüber dürften vor allem Fahrer:innen erfreut sein, die physische Tasten in einem Fahrzeug noch zu schätzen wissen. Die gewählten Materialien im Innenraum fühlen sich sehr wertig an. Kurzum: Die Verarbeitungsqualität ist top!

Platzangebot

Beim Kia EV6 sprechen wir von einem Crossover-SUV. Der Innenraum bietet reichlich Platz für Passagiere und Gepäck. Laut Kia bietet der Kofferraum ein Volumen zwischen 490 und 1300 Liter. Dazu kommen weitere 60 Liter unter dem Kofferraumboden und ein (sehr) kleiner Frunk unter der Motorhaube. Genügend Platz, auch für Familien, ist für Gepäck allemal vorhanden.

Ziemlich viel Platz bietet der Kofferraum des Kia EV6
Geräumig ist der Kofferraum | Bild: vybe

Auf den bequemen Fahrer- und Beifahrersitzen, die je nach Ausstattungsvariante über eine Heizung und Sitzkühlung verfügen, darf man sich über viel Platz freuen. Selbst ich, mit meinen knapp 1,90 m, kann mich über das Platzangebot überhaupt nicht beklagen. Mitunter ein Grund dafür ist die schwebende Mittelkonsole, die für eine hervorragende Beinfreiheit sorgt. Ich fühlte mich im Kia EV6 hinter dem Steuer keineswegs eingeengt und hatte auch zum Dachhimmel hin mehr als genug Platz. Hinzu kommen viele nützliche Ablagen.

Auch auf der Rückbank lässt sichs bequem verweilen
Auch auf der Rückbank lässt sichs bequem verweilen | Bild: vybe

Im Fonds, das bis zu drei Personen einen Platz bietet, ist das Platzangebot etwas limitierter. Besonders grosse Menschen könnten sich über die knappe Kopffreiheit stören. Mit meiner Körpergrösse (knapp 1,90 m)  hatte ich zum Dachhimmel hin nicht mehr allzu viel Luft. Klar, mit Kindern ist das kein Problem. Apropos: Für Kindersitze gibt es zwei Isofix-Befestigungspunkte auf der Rückbank. In der Mitte gibt es zusätzlich eine aus- und abklappbare Armlehne.

Fahrspass

Ich hatte das Vergnügen während zwei Wochen den Kia EV6 AWD mit einer Systemleistung von 239 kW (325 PS) und einem Drehmoment von 605 Nm. Damit katapultiert sich das 2,5 Tonnen schwere Gefährt in lediglich 5,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei 185 km/h ist der Topspeed erreicht. Ja, für Fahrspass ist zweifelsohne gesorgt. Je nach Lust und Laune kann aus den drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport gewählt werden. Im Eco-Modus hat man spürbar weniger Leistung, dafür geht es im Sport-Modus so richtig ab. Die Lenkung und das Fahrverhalten insgesamt empfand ich als sehr angenehm.

Der Kia EV6 bietet verschiedene Fahrmodi
Der Kia EV6 bietet verschiedene Fahrmodi | Bild: vybe

Gefallen hat mir die gute Isolation. Ja, selbst auf der Autobahn, mit erhöhter Geschwindigkeit, bleibt es im Innenraum angenehm ruhig. Einzig das viele Piepsen der zahlreichen Fahr- und Sicherheitsassistenten müssten nicht sein und werde ich definitiv nicht vermissen. Übrigens, von den besagten Assistenten sind im Kia EV6 alle nennenswerten vertreten. Dazu zählen etwa eine hochauflösende 360-Grad-Kamera, Parksensoren vorne und hinten, der aktive Spurhalteassistent, der adaptive Tempomat, der Totwinkelassistent, Notbremssystem samt Kollisionswarner und noch viele mehr.

Die Fahrassistenz- und Sicherheitssysteme im Kia EV6
Die Fahrassistenz- und Sicherheitssysteme im Kia EV6 | Bild: vybe
Der Kia EV6 verfügt üb er zahlreiche hochauflösende Kameras und Sensoren
Der Kia EV6 verfügt üb er zahlreiche hochauflösende Kameras und Sensoren | Bild: vybe

Was ich schon jetzt bei meinem eigenen Fahrzeug vermisse, ist die Kameraansicht beim Blinken. Das ist nicht nur eine coole, sondern gleichzeitig eine äusserst nützliche Funktion. Nähert sich beispielsweise ein Fahrrad von hinten, bekommt man das gleich via Kamera auf dem Cockpit-Display angezeigt. Natürlich informiert auch der Totwinkelassistent frühzeitig über das Hindernis beim Rückspiegel und via Head-up-Display.

Reichweite und Laden

Unser Testfahrzeug war mit der grossen 77,4 kWh-Batterie bestückt. Laut Hersteller kann damit eine WLTP-Reichweite von maximal 506 Kilometern erreicht werden. Im Alltag erreichte ich zwar keine 500+ Kilometer, aber bei optimalen Wetterverhältnissen (um die 15 bis 20 Grad) waren 440+ Kilometer absolut realistisch. Auch im Sport-Modus und mit vielen Autobahnkilometern stieg der Verbrauch nicht über 20 kWh auf 100 km. Insgesamt hat mich der Verbrauch des Kia EV6 AWD positiv überrascht.

Der Kia EV6 an einer Schnellladestation
Der Kia EV6 an einer Schnellladestation | Bild: vybe

Die gute Reichweite ist auch ein Verdienst der intelligenten Rekuperation, die im Kia EV6 zum Einsatz kommt. Dabei regelt das System automatisch die Regenerativbremse je nach Fahrbahngefälle und Fahrverhalten des vorausfahrenden Fahrzeuges. Das System minimiert die unnötige Betätigung des Brems- und Beschleunigungspedals, verbessert den elektrischen Wirkungsgrad und unterstützt den Fahrer somit aktiv.

Ein grosser Pluspunkt beim Kia EV6 ist die 800-Volt-Technologie. Damit lässt sich der Crossover-SUV an einer entsprechenden Schnellladestation extrem schnell aufladen. Wird der Akku vorkonditioniert, sah ich schon mal auch für kurze Zeit eine Ladegeschwindigkeit von weit über 200 kW. Das ist schon ziemlich beeindruckend und erreichte ich bis jetzt noch mit keinem anderen Elektroauto. Ein kleiner Wermutstropfen: An einer AC-Ladestation (Wechselstrom) gibt es maximal 11 kW. Eine Option auf 22 kW bietet Kia nicht an.

Der Kia EV6 kann mit einem guten Verbrauch überzeugen
Der Kia EV6 kann mit einem guten Verbrauch überzeugen | Bild: vybe

Apropos Laden: Der Kia EV6 unterstützt die sogenannte Vehicle-to-load-Funktion (V2L), mit dem ein anderes Elektroauto oder auch ein Fernseher betrieben werden kann. Ja, sogar das E-Bike lässt sich so bequem unterwegs aufladen. Damit die V2L-Funktion verwendet werden kann, wird ein kleiner Adapter benötigt. Insgesamt eine sehr nützliche Funktion, die keineswegs einen Standard bei Elektroautos darstellt.

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Das Fazit zum Kia EV6 AWD

Ich bleibe auch nach zwei Wochen dabei: Der Kia EV6 AWD erfüllt meine hohen Erwartungen an ein modernes Elektroauto mit seinen technischen Features, der ansprechenden Optik und dem überzeugenden Fahrverhalten. Einige Punkte wie das Infotainment-System, die Ladeplanung über das eingebaute Navi oder die fehlende kabellose Unterstützung von CarPlay sowie Android Auto könnten jedoch noch verbessert werden.

Falls ich mich heute für ein Elektroauto entscheiden müsste, dann würde der Kia EV6 AWD definitiv in die engere Wahl kommen. Klar, mit einem Preis ab 65’600 Franken, ist die von uns gefahrene Variante kein Schnäppchen. Allerdings bekommt man bei Kia sehr viel geboten, etwa mit der 800-Volt-Technologie. Ausserdem: Wer auf Allradantrieb und die grössere Batterie verzichten kann, bekommt den Kia EV6 auch schon ab 53’600 Franken.

Abschliessend lässt sich festhalten, dass der EV6 eine sehr attraktive Option in der Welt der Elektromobilität darstellt.