Jetzt also doch. Nachdem es seit der Veröffentlichung des 25. Bond-Films «No Time To Die» 2021 verdächtig ruhig wurde um die von Eon Productions produzierte Reihe, folge am 21. Februar der Donnerschlag.
Barbara Broccoli und Michael G. Wilson geben die kreative Kontrolle über die Filmreihe vollständig ab. Und zwar an Amazon, die 2022 die angeschlagenen MGM-Studios für 8,5 Milliarden US-Dollar übernommen und seither ein Wörtchen mitzureden hatten. Die kreative Kontrolle über die Bond-Reihe blieb aber bei Broccoli und Wilson, ihres Zeichens Stiefgeschwister und Nachkommen von Franchise-Produzent Albert «Cubby» Broccoli. Bis jetzt.
James Bond gehört ins Kino
Nach ihrem Rückzug hat das amerikanische Milliardenunternehmen erstmals die alleinige Kontrolle über den britischen Geheimagenten. Und das sorgt bei langjährigen Fans nicht nur für Euphorie.
In der jüngeren Vergangenheit soll es zwischen den beiden Produzenten und Amazon nicht gefunkt haben, wie auch die «NZZ» schrieb. Amazons Pläne, die Marke um Spin-Off-Serien fürs TV zu erweitern, kam bei dem Produzenten-Duo nicht besonders gut an. Bond gehöre ins Kino, so die Meinung von Broccoli und Wilson. Eine Ansicht, die ich durchaus teile.
Auf ergänzende Serien habe ich persönlich nämlich keine Lust und auch null Interesse. Disney hats mit Marvel und «Star Wars» negativ vorgemacht, wie schnell einem die Flut an «Franchise-Content», den Spass an einer Marke vergällen kann. Lieber warte ich fünf Jahre auf ein Filmereignis, als dass man mir Bond, Moneypenny und Blofeld im Quartalstakt in den Rachen schiebt. Dass das finanziell kaum rentabel ist, lasse ich an dieser Stelle aussen vor.
Im Zweifel für den Angeklagten
Werden wir also zeitnah mit Spin-off-Serien zugedeckt? Kommen überhaupt noch Filme ins Kino oder nutzt das Unternehmen die Marke als Zugpferd, um seinen Streamingdienst voranzubringen? Oder geht Amazon den Weg, den Universal gerade mit «Jurassic World: Rebirth» betritt und liefert eine Geschichte im selben Universum, aber ohne bisherige Figuren? Das weiss noch niemand so genau (zumindest jene nicht, die sich vor den Kulissen bewegen).
Obwohl ich die komplette Übergabe an Amazon kritisch betrachte, bin ich auch einigermassen gespannt. Klar, ihre Serien «Rings of Power» und «Wheel of Time» gehen nicht gerade feinfühlig mit den jeweiligen Vorlagen um und ernten – in meinen Augen teilweise – berechtigte Kritik. Aber mit «Fallout» und «The Boys» zeigt Amazon dann aber auch, dass sie durchaus eine sehr gute Adaption auf die Reihe kriegen. Ob das auch für Filme gilt, wird sich zeigen müssen.
Grundsätzlich gebe ich Amazon noch den «benefit of the doubt», auch, weil die letzten Bond-Filme in meinen Augen geschwächelt haben. Ich mochte Craig als Bond, fand seine raubeinige Interpretation der Figur gerade in seinen ersten Filmen nahe an der literarischen Vorlage. Die Entscheidung, seine Filme rückwirkend in einen einzelnen Erzählstrang zu zwängen, war in meinen Augen jedoch ein Fehlentscheid. Zu erzwungen, zu löchrig in der Logik.
Bitte wieder einzelne Filme
Ausserdem hatten Leute, die sich nicht intensiv mit der Reihe beschäftigen (oder ein Mammutgedächtnis haben) Mühe, den Handlungen und Verknüpfungen eines neuen Films zu folgen, weil sie die Ereignisse des Jahre vorher erschienenen Vorgängers nicht mehr präsent hatten – ein Problem, dass auch Marvel irgendwann hatte, wo sich neue Filme nicht wie eigenständige Geschichten anfühlten, sondern als kleiner Teil eines grösseren Puzzles. Ich habe damit an sich keine Probleme, weil mein Nerdhirn auch unsinnigste Details speichert (beim Einkaufszettel und Französisch-Vokabular aber komplett versagt), trotzdem fände ich es schön, einfach in einen Film zu hocken und eine in sich abgeschlossene Handlung zu erleben, ohne dafür «Vorarbeit» geleistet haben zu müssen.
Ja, ich weiss, dass auch frühere Bond-Filme auf vorangegangene Streifen Bezug nahmen (Stichwort: Teresa «Tracy» Bond), fürs Verständnis der Geschichte waren diese aber nicht relevant.
Diese erzwungene Verschachtelung aller Craig-Filme ging irgendwann unter ihrem eigenen Ballast unter. Obwohl ich «Skyfall» über weite Strecken sehr mochte (auch dank Javier Bardems Schurke) und mir einzelne Momente in «Spectre» und «No Time To Die» gefielen, erreichte die Reihe für mich nicht mehr die kompromisslose Wucht von Craigs Erstling «Casino Royale» – oder der knalligen Unterhaltung früherer Filme. Zumal mit «Mission Impossible: Fallout» Action-Spionage-Filme auf den Markt kamen, die Bond in Punkto Action, Stunts und Bombast mühelos den Rang abliefen. Darum tut frischer Wind der Reihe durchaus gut und bietet Möglichkeiten für Neues – oder beliebtes Altes.
Das sind mögliche Szenarien
Im Grunde hat Amazon jetzt verschiedene Möglichkeiten, James Bond zurückzubringen:
- Sie tun das, was die Filme vor Craig schon gemacht haben: Wir kriegen einen neuen Darsteller (die männliche Form ist in diesem Fall bewusst gewählt) als James Bond, behalten einige der anderen Gesichter (beispielsweise Ralph Fiennes als «M», Naomie Harris als «Moneypenny» und Ben Wishaw als «Q») und stürzen in ein neues Abenteuer in der Gegenwart.
- Amazon macht tabula rasa und besetzt die ganze Figurenpalette neu, startet bei Null und lässt die bisherige Filmreihe komplett hinter sich. Als Film, als Serie oder als Kombination aus beiden.
- Eine weitere Variante wäre, die 14 Fleming-Romane neu zu verfilmen. Modernisiert oder in ihrem ursprünglichen Setting (1950er und 1960er Jahre). Da nur wenige der Romane wirklich werkgetreu verfilmt wurden (wie etwa «Liebesgrüsse aus Moskau» und «Im Geheimdienst Ihrer Majestät») gäbe es hier genug Stoff, der es noch nicht auf die Leinwand geschafft hat. Oft haben sich die Macher der Filme nur an Versatzstücken der Geschichten oder Figurennamen orientiert. Fraglich wäre dann aber, ob die oft einigermassen bodenständigen Spionageromane genug Zunder für ein modernes Publikum bieten würde. Und ob wir nur knapp 20 Jahre nach «Casino Royale» bereits wieder ein Reboot brauchen.
- Und dann wäre da noch die Möglichkeit, die «neueren» Bond-Romane zu verfilmen. Denn nach Flemings Tod erschienen im Laufe der Jahrzehnte rund 30 weitere offizielle Romane zum Geheimagenten, verfasst von namhaften Autoren wie Anthony Horowitz, Raymond Benson und John Gardner. Je nach Autor sind diese in der offiziellen Zeitlinie von Flemings Büchern angesiedelt oder den Weg der Filme gegangen und haben Bond in die jeweilige Gegenwart geholt.
Für mich ist klar: Egal, für welchen Weg sich Amazon entscheidet, es dürfte ziemlich schnell gehen. Schliesslich gibt es Geld zu verdienen. Und die Leute sind bereit für einen neuen James Bond.