Featured, Technik

Meinung: Huawei, sag uns endlich, was Sache ist!

Symbolbild Huawei HarmonyOS

Huawei hatte es in den vergangenen zwei Jahren durch den US-Bann wahrlich nicht leicht. Hinter den Kulissen dürfte es seit dem 15. Mai 2019, als das Unternehmen auf der schwarzen Liste landete, eine Notfallübung nach der anderen geben. Gegen aussen gibt sich der Konzern selbstbewusst. Laufend wurde betont, wie sehr man an einer Zusammenarbeit mit Google interessiert sei, was sicher der Wahrheit entspricht. Wo Huawei aber weit weniger ehrlich war, wie sich nun gezeigt hat, ist beim Thema alternatives Betriebssystem. Dieses hatte Huawei in Form von HarmonyOS präsentiert. Laut Huawei habe man bereits 2016 mit der Entwicklung begonnen. Angeblich hätte man erahnt, dass Huawei irgendwann darauf angewiesen sein könnte.

Das ist natürlich wunderbare PR, um zu zeigen, dass die USA Huawei, das stellvertretend für Chinas Techbranche steht, nicht auf dem linken Fuss erwischt hat. Spätestens aber, seit die Technik-Website Ars Technika in einem umfassenden Blog aufgedeckt hat, dass die Betaversion von HarmonyOS 2.0 nur Android 10 ist, hat Huaweis PR-Schlachtschiff Schlagseite. Wie sehr der Ruf unter dieser Story gelitten hat, lässt sich schwer sagen. Zumindest in meinem Umfeld hat sich Huawei damit aber einiges an Sympathien verspielt. Klar, die Chinesen haben auch in der Vergangenheit immer mal wieder geflunkert. Beispielsweise bei angeblichen Handy-Fotos, die in Wirklichkeit mit einer DSLR aufgenommen wurden. Ist auch nicht okay, aber lässt man Huawei noch durchgehen, immerhin gehört das bei Handy-Herstellern leider schon fast zum guten Ton.

Was hat sich Huawei nur dabei gedacht?

Aber wie Huawei genau auf die Idee gekommen ist, dass man den Leuten Android 10 als Neuentwicklung verkaufen kann, ist mir schlicht schleierhaft. Zumal man anscheinend nicht damit gerechnet hat, dass das so schnell ans Licht kommt. Zumindest legt das die Tatsache nahe, dass Huawei erstaunlich lange gebraucht hat, um eine offizielle Stellungnahme zu veröffentlichen. Obwohl die Story von Ars Technica am 2. Februar erschien, hat Huawei Schweiz erst am 5. Februar die offizielle Stellungnahme aus dem Hauptquartier erhalten. Diese lautet wie folgt:

HarmonyOS basiert auf der verteilten Technologie von Huawei und ist ein brandneues Betriebssystem, das speziell für die neuen Anforderungen einer Zukunft entwickelt wurde, in der unterschiedliche IoT-Geräte massiv miteinander verbunden sind. Es kann bei Bedarf auf einer Vielzahl von Geräten eingesetzt werden und passt sich flexibel an unterschiedliche Hardwareressourcen und Anwendungsanforderungen an.

Während sichergestellt wird, dass alle anwendbaren Open-Source-Regeln strikt eingehalten werden, nutzt HarmonyOS eine große Anzahl von Open-Source-Ressourcen von Drittanbietern, einschließlich Linux, um die Entwicklung einer umfassenden Architektur zu beschleunigen.

Obwohl bestimmte UI-Elemente von EMUI 11 in der aktuellen Entwickler-Beta beibehalten werden, wird HarmonyOS mit einer komplett neuen UI zusammen mit den kommenden Huawei-Smartphones auf den Markt kommen. Das Entwickler-Beta-Programm ist noch nicht abgeschlossen und wir freuen uns über jedes Feedback von Entwicklern und Partnern, die mit uns zusammenarbeiten, um unsere Vision für alle Szenarien zum Leben zu erwecken.

Gut, was sagt uns diese Stellungnahme? Erstmal: Gar nichts. Huawei schwurbelt weiter herum und sagt mit vielen Worten genau nichts Konkretes zur aktuellen Situation. Am ehesten könnte man noch den Teilsatz „nutzt HarmonyOS eine grosse Anzahl von Open-Source-Ressourcen von Drittanbietern, einschliesslich Linux, um die Entwicklung einer umfassenden Architektur zu beschleunigen“ als Eingeständnis werten, dass man eben doch auf Android 10 setzt.

Huaweis Kommunikation ist ein Gewurstel

Dass Huawei bei HarmonyOS auf Android setzt, nimmt dem Unternehmen wohl niemand übel. Aus sicht von Huawei, Entwickler*innen und Nutzer*innen hat das sogar nur Vorteile. Huawei kann Entwicklerstudios einfacher von HarmonyOS überzeugen, da diese im Wesentlichen nur die Google Mobile Services durch Huawei Mobile Services austauschen müssen. Gleichzeitig erhalten Huawei-Nutzer*innen so schneller Zugang zu einer Vielzahl von Apps. Für ein neues Betriebssystem ist das überlebenswichtig.

Huawei AppGallery
Huaweis AppGallery wächst ständig. Dennoch gibt es noch einiges aufzuholen. | Bild: vybe

Was Huawei nun aber macht, ist schlicht, sich mit fremden Federn zu schmücken. „Wir haben ein eigenes OS am Start und es ist grossartig und die Zukunft des Internet of Things“, so der Tenor. Klar, Huawei kann schlecht sagen „Unser HarmonyOS ist eine Android-10-Kopie und kann nicht speziell mehr als Android“. Aber dann ganz zu verschweigen, dass man (zumindest zu Beginn) auf Android setzt, kann auch nicht die Lösung sein. So verkauft man die User*innen nur für dumm, mehr nicht. Hier hat wohl einfach eine Mischung aus „sein Gesicht“ waren und mangelnde Absprache bei der internen Kommunikation zu diesem Kommunikationsgewurstel geführt. Als Ergebnis hat man dann so etwas wie den Ars-Technica-Fail der letzten Tage.

Viele Fragen bleiben weiterhin offen

Vielleicht denkt Huawei aber auch schlicht, Journalisten seien zu dumm. Schliesslich gab es bereits im Dezember erste Videos und Berichte, die andeuteten, dass Huawei Android schlicht übernommen hat. Spätestens hier hätten bei den Chinesen alle Alarmglocken schrillen sollen und eine klare Kommunikationsstrategie hermüssen. Sagt uns endlich, was los ist. Sagt uns: Ja, HarmonyOS basiert auf Android, wird aber nach und nach zu einem eigenständigen OS weiterentwickelt. Das klingt dann vielleicht nicht so innovativ wie „unser selbstentwickeltes HarmonyOS ist die Zukunft des IoT“, aber es ist ehrlich.

Stattdessen erzählen uns verschiedene Manager in verschiedenen Interviews oder Statements Dinge, die wir uns zusammenreimen müssen. Mein aktueller Stand: Huawei hat einen eigenen Mikrokernel entwickelt, der Androids monolithischen Kernel überlegen sein soll. Aus Kompatibilitätsgründen setzt man aber vorerst noch auf den linuxbasierten Kernel von Android. Später soll dann der Mikrokernel per Update folgen.

Ganz ehrlich? Auch wenn ich es Huawei wünsche, dass sie mit ihrem OS Erfolg haben, ich glaube, wir werden hier weiterhin mit PR-Gequatsche hingehalten. Nur schon der letzte Absatz in der Stellungnahme macht mich stutzig: „Obwohl bestimmte UI-Elemente von EMUI 11 in der aktuellen Entwickler-Beta beibehalten werden, wird HarmonyOS mit einer komplett neuen UI zusammen mit den kommenden Huawei-Smartphones auf den Markt kommen.“

Für mich klingt das weniger nach einer überzeugenden Rechtfertigung, sondern mehr wie ein weiterer Baustein in einem Lügenkonstrukt, das irgendwann in sich zusammenfällt. Klar, eine neue EMUI-Oberfläche wird kommen, das ist klar. Vielleicht sogar tatsächlich schon demnächst. Aber die Sache mit dem Mikrokernel, der per Update folgen soll? Diese Äusserung wirft nur schon wieder etliche neue Fragen auf. Beispielsweise, wie die ganzen Android-Apps, die man sich dann auf HarmonyOS 2.0 installiert hat, plötzlich mit dem neuen Kernel kompatibel sein sollen. Werden diese emuliert? Gibt es dann für jede App bereits Ersatz in der neuen AppGallery? Alles Fragen, die wir wohl nicht so schnell beantwortet kriegen.

Dass Huawei bei der Kommunikation manchmal etwas dick auftragen muss, ist klar. Das machen alle Unternehmen und gehört zum PR-Spiel, wie der Prozessor zum Smartphone. Aber den Eindruck, den Huawei mit der aktuellen Kommunikationsstrategie bezüglich HarmonyOS fährt, könnte sich bald als grosses Eigentor erweisen. Da nützt es dann auch nichts mehr, zu betonen, wie viel die Chinesen in kürzester Zeit erreicht haben. Bekanntlich bleibt im Gedächtnis der Leute meist nur das Negative haften.

Mehr Storys zu Huawei aktueller Situation:

Schreibe einen Kommentar