Mit dem Edge 20 Pro hat Motorola im vergangenen Jahr ein gutes Budget-Flaggschiff auf den Markt gebracht, welches inzwischen mit dem Edge 30 Pro einen Nachfolger erhalten hat. Mit dem Edge 30 Ultra setzt Motorola nun noch einen drauf und möchte damit endgültig das Highend-Segment erobern. Ob das gelingt? Nun, zumindest auf dem Datenblatt ist das Flaggschiff-Modell äusserst gut aufgestellt. Dazu zählt etwa die 200(!) Megapixel-Kamera, das rasend schnelle 144 Hz OLED-Display oder der sehr schnelle Chipsatz von Qualcomm.
Trotz der beeindruckenden Spezifikationen werden für das Motorola Edge 30 Pro in der Schweiz nicht mehr als 1000 Franken fällig. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 999 Franken (in DE bei 900 Euro), wobei das Android-Smartphone bei einigen Händlern sogar schon für unter 800 Franken verkauft wird. Tolle Specs kombiniert mit einem attraktiven Preis, das sollte durchaus funktionieren. Oder verspricht uns Motorola vielleicht doch etwas zu viel?
Ich habe das Smartphone in den letzten Wochen auf Herz und Nieren testen dürfen. In unserm Test erfährst du, weshalb sich das Edge 30 Ultra zu einem Geheimtipp in der Oberklasse mausert und weshalb es doch noch nicht ganz für das Treppchen reicht.
Aussehen und Verarbeitung
Das Edge 30 Ultra muss sich hinsichtlich Look & Feel nicht vor seinen Mitbewerberinnen verstecken. Das Smartphone fühlt sich mit seiner Rückseite aus mattem Glas und dem Metallrahmen sehr wertig an. Die Vorderseite wird durch Gorilla Glas 5 geschützt und ist somit gut besser gegen Kratzer und Brüche geschützt. Unklar ist, was für ein Glas auf der Rückseite verwendet wird, auf jeden Fall ist es komplett unempfindlich gegenüber nervigen Fingerabdrücken.
Die Längsseiten sind sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite gerundet. Auch wenn der Metallrahmen etwas aus dem Gehäuse ragt, liegt das Smartphone dadurch sehr gut in der Hand. Es erinnert mich etwas an das Huawei P30 Pro, wobei die Längsseiten auf der Vorderseite, also beim Display, nicht ganz so stark gerundet sind. Mit einem Gewicht von knapp unter 200 Gramm, ist es im Vergleich zu einem iPhone 14 Pro Max (wiegt 41 Gramm mehr!) schon fast ein Leichtgewicht.
Auf der Rückseite fällt in erster Linie der Kamerabuckel in der oberen linken Ecke auf. Er ist nicht so dominant, wie beispielsweise bei einem Samsung Galaxy S21 Ultra. Der Kamerabuckel beherbergt ein (ziemlich) grosser Kamerasensor und zwei kleinere Kamerasensoren. Leicht versetzt ist der Dual-LED-Blitz und der Schriftzug, der auf die 200 Megapixel-Kamera, die Sensorgrösse und die optische Bildstabilisierung hinweist. Die Optik der Rückseite gefällt und ist stimmig.
Das Motorola Edge 30 Ultra ist gemäss IP52 zertifiziert. Das bescheinigt dem Smartphone einen Schutz gegen das Eindringen von Staub sowie gegen Tropfwasser. Motorola verzichtet somit auf eine IP67-Zertifizierung, womit das Smartphone deutlich besser, das heisst vor zeitweiligem Untertauchen bis maximal 1 Meter Wassertiefe für maximal 30 Minuten, geschützt wäre. Auch wenn nur die Wenigsten unter uns ihr Smartphone ins Wasser mitnehmen, gehört die IP67-Zertifizierung inzwischen zum “guten Umgangston” bei Flaggschiff-Smartphones dazu. Da sollte Motorola beim Nachfolger nachbessern.
Display
Das Motorola Edge 30 Ultra verfügt über ein sogenanntes pOLED-Display mit einer Diagonale von 6,67 Zoll bei einer FullHD+-Auflösung (2400 x 1080 Pixel). Damit kommt es zwar nicht ganz an die (teureren) Mitbewerber mit 2K- oder gar 4K-Displays heran, es dürfte im Alltag aber definitiv ausreichend sein. Zudem wird der Akku durch die etwas niedrigere Auflösung geschont. Nicht geschont wird der Akku, wenn die Bildwiederholrate von 144 Hz verwendet wird. Sie muss manuell aktiviert werden und funktioniert nicht im Automatik-Modus, da ist bei 120 Hz Schluss. Nicht tragisch, zumal ich keinen Unterschied zwischen 120 und 144 Hz feststellen kann. Auf LTPO-Technik verzichtet Motorola, weshalb im Automatik-Modus die Bildwiederholrate nur bis mindestens 30 Hz reguliert wird.
Im Test gefällt das Display aber nicht nur durch seine sehr flüssige Darstellung der Inhalte, sondern auch mit einer sehr guten Farbwiedergabe, den tollen Kontrasten und einer hohen Helligkeit (bis zu 1500 Nits gem. Hersteller). Ja, selbst bei direkter Sonneneinstrahlung bleibt das Display damit noch gut ablesbar. Für Videostreaming-Fans von Interesse ist die Unterstützung für den HDR10+-Standard, der beim Edge 30 Ultra offiziell mit an Bord ist.
Schade, gibt es kein echtes Always-on-Display (AOD). Was das heisst? Nun, nur wenn das Edge 30 Ultra kurz berührt oder eine Benachrichtigung eingeht, wird ein rudimentäre Vorschau auf dem Display angezeigt. Danach erlischt es wieder. Kontinuierlich werden somit keine Informationen dargestellt, auch gibt es keine weiterführenden Einstellungsmöglichkeiten für das “Vorschau-Display”.
Ausstattung, Leistung und Software
Keine Kompromisse geht Motorola beim integrierten Chipsatz und dem verbauten Speicher ein. Dank Qualcomm Snapdragon 8+ Gen 1, 12 GB Arbeitsspeicher (LPDDR5) und 256 GB interner Speicher (UFS 3.1, nicht erweiterbar), liefert das Edge 30 Ultra eine ausgezeichnete Performance ab und wird damit einem Oberklasse-Smartphone in jeder Hinsicht gerecht.
Das Smartphone läuft damit ganz einfach butterweich. Ruckler oder Lags, selbst in grafikintensiven Games, konnte ich nicht beobachten. Gamer:innen werden sich über die moderate Hitzeentwicklung freuen. Ja, auch bei längeren Gaming-Sessions hält sich die Hitzeentwicklung noch in Grenzen. Klar, die Rückseite wird etwas wärmer, aber bei Weitem nicht so warm, wie beispielsweise beim kürzlich von uns getesteten Sony Xperia 1 IV.
Die Ausstattung vom Edge 30 Ultra wird durch 5G, Wi-Fi 6e, Bluetooth 5.2, NFC, USB 3.1, starke Stereo-Lautsprecher und einen optischen Fingerabdrucksensor abgerundet. Der Fingerabdrucksensor machte mir zu Beginn das Leben etwas schwer. Sprich, er reagierte meistens nur beim zweiten oder gar dritten Mal. Nach einem erneuten Scan meines Fingers, verbesserte sich die Akkuratheit merklich. Keine Ahnung, was da bei der ersten Einrichtung schief gelaufen ist.
Positiv hervorheben möchte ich das Software-Erlebnis. Wie bereits das günstigere Motorola g82, kommt auch das Oberklasse-Modell mit einem praktisch unveränderten Android 12 zum Kunden. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass ich ein Fan von Stock-Android bin. Es läuft alles flüssig und sieht obendrauf auch sehr gut aus. Bloatware, also ungewünschte Apps von Drittanbietern, sind keine vorhanden – vorbildlich!
Motorola spendiert dem Edge 30 Ultra einige spannende und nützliche Funktionen, wie diverse Gesten oder ein PC-Modus, der an Samsungs DeX erinnert. Wird das Smartphone an einen PC-Monitor oder einem Fernseher verbunden, startet automatisch die sogenannte Ready-for-Funktion. In Kombination mit einer Maus und Tastatur kann so auf eine rudimentäre, aber gut umgesetzte Desktop-Oberfläche zugegriffen werden.
In puncto Updates hat Motorola indes noch (viel) nachzuholen. Das fängt beim Update-Versprechen an. Motorola verspricht drei grosse Updates für Android und während vier Jahren Sicherheitspatches. Heisst, das Edge 30 Ultra wird auch noch das Update auf Android 15 erhalten. Hört sich eigentlich nicht schlecht an, allerdings gibt es da Hersteller wie Samsung oder Google, die nochmals (mindestens) ein Jahr draufpacken.
Ein weiterer Punkt, der mir negativ aufgefallen ist: Auf meinem Testgerät war Mitte November immer noch der Sicherheitspatch vom September installiert. Ein neues Update war nicht in Sicht. Was die Verteilung von Updates betrifft, da scheint Motorola (nach wie vor) nicht äusserst speditiv zu sein. Nur so zum Vergleich: Bei Samsung und Google gibt es bei den Oberklasse-Smartphones monatliche Sicherheitspatches. Auch ist noch unklar, wann das Edge 30 Ultra das grosse Update auf Android 13 erhalten wird, das inzwischen auch schon ein paar Monate verfügbar ist.
Kamera
Das grösste Highlights ist zweifelsohne der gigantische Kamerasensor mit einer unglaublichen Auflösung von 200 Megapixeln und einer optischen Bildstabilisiierung (OIS). Doch was sagt uns die hohe Megapixelzahl über die Qualität der Aufnahmen aus? Genau, eigentlich gar nichts. Motorola packt aber nicht nur einen Kamerasensor mit einer hohen Megapixelzahl in das Edge 30 Ultra, sondern mit 1/1.22 Zoll auch einen relativ grossen Sensor. Diese Kombination in Verbindung mit einer gut optimierten Software, kann durchaus für eine überzeugende Aufnahmequalität sorgen.
An dieser Stelle ist zunächst zu erwähnen, dass das Motorola Edge 30 Ultra standardmässig Aufnahmen mit einer Auflösung von 12,6 Megapixeln macht. Der 200 Megapixel-Sensor, der übrigens von Samsung stammt, kombiniert jeweils 16 einzelne Pixels, sodass ein einzelner und damit viel grösserer Pixel mit 2,56 µm entsteht. Im Fachjargon nennt man das „Pixel Binning“. Es gibt ein gesonderter 200 MP-Modus, in dem Aufnahmen mit voller Auflösung entstehen. In diesem Modus dauert eine Aufnahme ca. 2 bis 3 Sekunden und die Dateigrösse liegt bei über 30 Megabyte. Zudem sind Bildverbesserungen in diesem Modus nicht aktiv.
Und wie sieht es nun in der Praxis bzw. im Alltag aus? Nun, ich bin ehrlich gesagt positiv überrascht. Nein, ich bin kein von Fan von immer mehr Megapixeln, aber beim Edge 30 Ultra scheint die Software ordentlich auf die Hardware abgestimmt zu sein. Tatsächlich entstehen überzeugende Aufnahmen mit der Hauptkamera, vor allem bei optimalen Lichtverhältnissen. Diese zeichnen sich durch einer ausgezeichneten Bildschärfe, einer guten Bilddynamik und wenig Bildrauschen aus. Stark ist zudem der Bokeh-Effekt, der die Hauptkamera hinbekommt.
Folgend ein paar Beispielaufnahmen der Hauptkamera.
Wie die Nachtaufnahme oben zeigt, macht die Hauptkamera auch bei schwierigen Lichtbedingungen einen durchaus guten Job. Im Nachtmodus, der sich in der Regel automatisch dazu schaltet, entstehen scharfe Aufnahmen mit erfreulich vielen Details. Hier muss sich das Edge 30 Ultra nur ganz wenigen Mitbewerber:innen geschlagen geben. Insgesamt ist die Hauptkamera eine für mich doch überraschend runde Sache geworden.
Neben der Hauptkamera, ist im Edge 30 Ultra eine 50 Megapixel-Ultraweitwinkelkamera und eine 12 MP-Telelinse mit einer 2-fach Vergrösserung integriert. Beide Kamerasensoren können nicht ganz mit der Qualität der Hauptkamera mithalten, fallen aber auch nicht stark ab. Vor allem die Ultraweitwinkelkamera zaubert gute Aufnahmen auf das Display, die auch bei schwierigen Lichtverhältnissen noch brauchbar sind.
Die 12 MP-Telelinse liefert (leider) nur einen 2-fach Zoom. Hier hätte ich mir einen etwas besseren bzw. höheren Zoom gewünscht. Klar, es gibt auch noch einen digitalen Zoom, der ist aber nicht wirklich brauchbar – wie bei allen anderen Mitbewerber:innen ebenso. Was die Aufnahmequalität betrifft, da gibt es nichts auszusetzen. Bei Tag sowieso nicht, doch auch in der Nacht liefert sie dank der lichtintensiven f/1.6-Blende weiterhin gute Aufnahmen.
Ein weiteres Highlight ist für mich die Selfie-Kamera. Sie bietet eine Auflösung von 60 Megapixeln, wobei auch hier Pixel Binning eingesetzt wird. Statt wie bei der Hauptkamera 16 einzelne Pixel, werden bei der Selfie-Kamera vier Pixel zu einem grossen Pixel kombiniert. Das Resultat kann sich sehen lassen: Sowohl bei guten, als auch bei schwierigen Lichtverhältnissen liefert sie überzeugende Aufnahmen mit vielen Details und einer tadellosen Bildschärfe.
Last but not least, unterstützt das Edge 30 Pro Videoaufnahmen mit einer Auflösung von 8K bei maximal 30 FPS. Wer auf die 8K-Auflösung verzichten kann, sollte Videos eher mit 4K bei 60 FPS aufnehmen. In diesem Modus sind die Videoaufnahmen nicht nur “flüssiger”, sondern auch die Bildstabilisierung arbeitet insgesamt deutlich besser.
Akku und Laden
Der Akku weist eine Kapazität von 4610 mAh auf und liefert damit im Alltag eine überzeugende Akkulaufzeit. Mit Automatik-Modus für das Display und einer regen Nutzung (ca. 4h Display-On), erreicht das Edge 30 Ultra bei mir problemlos eine Laufzeit von 1,5 Tagen. Untermauert wird die überzeugende Akkulaufzeit von diversen Benchmarks.
Ein weiteres Highlight ist das Schnellladen mit bis zu 125 Watt. Das passende Ladegerät befindet sich bei Motorola übrigens nach wie vor im Lieferumfang. Innerhalb von ungefähr 25 Minuten wird das Edge 30 Ultra damit von 0 auf 100 Prozent komplett aufgeladen. Die 50 Prozentmarke wird bereits nach etwas mehr als 10 Minuten geknackt. Kabellos sind bis zu 50 Watt möglich, was ebenfalls sehr flott ist. Wireless-Reverse-Charging ist mit bis zu 10 Watt möglich.
Motorola Edge 30 Ultra: Pro und Contra
Das Testfazit zum Motorola Edge 30 Ultra
Verspricht Motorola mit dem Edge 30 Ultra zu viel? Nein, ganz und gar nicht. Das Edge 30 Ultra zeigte im mehrwöchigen Test kaum Schwächen auf. In Sachen Wertigkeit, Display, Leistung und Akku (samt Schnellladen) kann das neue Oberklasse-Smartphone von Motorola mit den deutlich teureren Mitbewerber:innen mindestens mithalten und teilweise sogar übertreffen.
Bei der 200 MP-Kamera war ich zunächst skeptisch, wurde jedoch eines Besseren belehrt. Die Hauptkamera ist sehr gut und wird auch gehobenen Ansprüchen gerecht. Qualitativ hochwertig sind ebenso die Ultraweitwinkelkamera und die verbaute Telelinse, die auch bei schwierigen Lichtverhältnissen überzeugen kann. Die zweifache Vergrösserung dürfte bei einem Oberklasse-Smartphone jedoch schon etwas grösser sein.
Kritik kann an der fehlenden IP67-Zertifizierung geäussert werden. Ja, bei einem Oberklasse-Smartphone erwarte ich mehr als nur einen Schutz gegen Tropfwasser und Staub. Wer mit seinem Smartphone achtsam umgeht, der wird die bessere Wasserdichtigkeit indes nicht vermissen. Weiterhin sollte Motorola an seiner Update-Politik arbeiten. Ein Jahr länger Updates und eine schnellere Bereitstellung der Updates (inkl. Sicherheitspatches) ist wünschenswert.
Trotz diesen (wenigen) Kritikpunkten, mausert sich das Motorola Edge 30 Ultra zu einem echten Geheimtipp in der Oberklasse. Preislich ist es spätestens jetzt attraktiv, wo es bereits für unter 800 Franken über die Ladentheke wandert. Das ist ein gemessen an der Ausstattung sehr guter Preis. Von mir kriegt das Motorola Edge 30 Ultra definitiv einen Daumen hoch!