Knapp zwei Wochen durfte ich das Motorola Razr 40 Ultra testen. In dieser Zeit musste mein eigentlicher Daily-Driver, das iPhone 14 Pro Max, zur Seite weichen. Denn wenn ich ein Smartphone bzw. Foldable schon unter die Lupe nehmen darf, dann richtig. Und das geht nur, wenn das Testgerät im Alltag als Hauptgerät eingesetzt wird. Für einen aussagekräftigen Testbericht war die Testphase von ca. zwei Wochen etwas knapp. Deshalb spreche ich lieber von einem “Kurztest”.
In den letzten Jahren durfte ich so einige Foldables, also faltbare Smartphones, unter die Lupe nehmen. Angefangen beim allerersten in der Schweiz erhältlichen Foldable, dem Samsung Galaxy Fold, das im Frühjahr 2019 vorgestellt wurde und nach einem “Launch-Fail” mit ein paar Monaten Verspätung im September 2019 in der Schweiz gelauncht wurde. Zuletzt war Oppo’s Find N2 Flip bei mir im Langzeittest, das mich unter anderem mit seinem grossen Display überzeugen konnte. Ja, man kann sagen, dass ich die stetige Weiterentwicklung der Foldables hautnah miterleben konnte.
Das Oppo Find N2 Flip hat eine neue Generation der Foldables eingeläutet. Vorherige Geräte hatten alle eher ein kleines Zweitdisplay auf der Aussenseite, das höchstens für einfache Benachrichtigungen und als Fotosucher diente. Oppo wählte einen anderen Ansatz und verbaute ein grosses Aussendisplay, das mehr als die Hälfte der Fläche einnimmt. Motorola geht beim Razr 40 Ultra noch einen Schritt weiter und verbaut bis dato das grösste Aussendisplay bei einem Foldable. Es nimmt fast die ganze Aussenseite in Beschlag.
Doch was hat das Motorola Razr 40 Ultra, abgesehen von dem riesigen Aussendisplay, sonst noch zu bieten? Und bietet das Aussendisplay überhaupt einen Mehrwert? Oder sieht es einfach nur “gut” aus? Diese und weitere Fragen habe ich während den knapp zwei Wochen versucht für euch zu beantworten. Eins sei schon hier verraten: Das Motorola Razr 40 Ultra hat viel zu bieten!
Klein, handlich und praktisch!
Das Vorgängermodell, das mein Redaktionskollege Pascal Scherrer unter die Lupe nahm, erinnerte im Vergleich zu den Foldables von Samsung oder Oppo mehr an einen Prototyp. Davon ist beim Razr 40 Ultra nichts mehr übrig geblieben – im Gegenteil: Das neueste Motorola-Foldable fühlt sich in der Hand extrem wertig an und verschwindet dank seiner kompakten Abmessungen in zusammengeklapptem Zustand perfekt in jede Hosentasche.
Doch auch im aufgeklappten Zustand hinterlässt das Motorola Razr 40 Ultra einen durch und durch stabilen Eindruck. Das Scharnier ist vergleichbar mit dem des Oppo Find N2 Flip, das mich damals schon überzeugen konnte und im aufgeklappten Zustand kaum mehr sichtbar ist. Die Knickfalte im Display ist zwar weiterhin sicht- und spürbar, aber deutlich weniger ausgeprägt als beispielsweise beim Samsung Galaxy Z Flip 4. Dank des Gewichts von nur 188 Gramm und der abgerundeten Längsseiten auf der Rückseite, schmiegt sich das Razr 40 Ultra angenehm in die Hand.
Noch ein paar Worte zu den Farbvarianten: Ich habe das Razr 40 Ultra in Schwarz erhalten. Dieses Modell verfügt über eine Rückseite aus mattem Glas, was mir optisch ausgezeichnet gefällt und Fingerabdrücke fernhält. Zusätzlich gibt es das Foldable in Hellblau, ebenfalls mit matter Rückseite, und einer exklusiv bei Sunrise erhältlichen Farbvariante namens Viva Magenta. Diese Variante ist in Zusammenarbeit mit dem Farbspezialisten Pantone entstanden und ist mit einer Rückseite aus veganem Leder bzw. Kunstleder ausgestattet.
Was bei Foldables generell (noch) ein Problem darstellt, ist die Wasser- und Staubdichtigkeit. Auch am Motorola Razr 40 Ultra haftet dieses Manko weiterhin an. Es ist nur nach IP52 zertifiziert. Damit ist es rudimentär gegen Staub und lediglich gegen Spritzwasser geschützt. Ins Wasser sollte man mit dem Motorola-Foldable also definitiv nicht gehen.
Ein riesengrosses Aussendisplay mit Wow-Effekt
Das faltbare Hauptdisplay bringt es auf eine Diagonale von 6,9 Zoll (ca. 18 cm) und bietet ein Seitenverhältnis von 22:9. Damit ist es etwas länger, dafür aber schmaler als die typischen Smartphonedisplays. Im Alltag ist mir das etwas ungewöhnliche Seitenverhältnis nicht negativ aufgefallen. Dank einer Bildwiederholrate von 165 Hertz darf man sich auf eine besonders flüssige Darstellung der Inhalte freuen. Ob ich einen Unterschied zwischen 120 und 165 Hertz festgestellt habe? Nein.
Die Auflösung gibt Motorola mit 2640 x 1080 Pixel an. Damit setzt das Razr 40 Ultra zwar keinen neuen Massstab, aber die Auflösung reicht vollends aus. Inhalte werden darauf knackig scharf dargestellt und dank der P-OLED-Technologie darf man sich auf eine hervorragende Farbwiedergabe und einem ausgezeichneten Kontrastverhältnis freuen. Die Helligkeit passt, sodass das Foldable bei Sonnenlicht eine gute Figur abgibt.
Kommen wir zum Highlight des Motorola Razr 40 Ultra: Das Aussendisplay. Ich fand ja schon das Aussendisplay vom Oppo Find N2 Flip ziemlich genial, aber das Razr 40 Ultra setzt mit seinem 3,6 Zoll (ca. 9 cm) grossen Aussendisplay mindestens noch einen drauf. Die Auflösung entspricht dem des Hauptdisplays, die Bildwiederholrate reduziert sich auf 144 Hertz. Ja, das Display sorgt für Begeisterung – zumindest im ersten Moment.
Was ich damit sagen möchte? Nun, mir hat ehrlich gesagt der Mehrwert gefehlt. Klar, es sieht sexy aus, aber Motorola macht meiner Meinung nach zu wenig aus dem Zweitdisplay. Es gibt kaum angepasste Widgets, geschweige Apps. Hier sollte Motorola unbedingt nachbessern.
Die Kameras gehen in Ordnung
Die Kamerafunktion ist für viele Menschen inzwischen eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Funktion in einem Smartphone. Gute bis sehr gute Kameras findet man heutzutage bereits in Mittelklasse-Smartphones. Mit einem Preis von 1199 Franken (UVP) ist das Motorola Razr 40 Ultra weit von Mittelklasse-Smartphones entfernt und eine sehr gute Kamera darf erwartet werden.
Motorola hat sich für eine 12 Megapixel-Hauptkamera mit optischer Bildstabilisierung (OIS) und einer 13 Megapixel-Ultraweitwinkelkamera entschieden. Letztere kann zusätzlich als Makrokamera eingesetzt werden. Und sind die beiden Kamerasensoren wirklich “gut”? Sagen wir es mal so: sie sind gut, aber es gibt im Preissegment um die 1200 Franken deutlich bessere Kamera-Smartphones.
Die Hauptkamera liefert bei optimalen Lichtverhältnissen anschauliche Bilder mit einer kräftigen, aber nicht zu übersättigten Farbwiedergabe. Der Autofokus arbeitet schnell und die Kamera kommt mit Gegenlicht gut zurecht. Bei schlechten Lichtverhältnissen nimmt die Bildqualität merklich ab. Abhilfe hätte hier ein grösserer Kamerasensor schaffen können, der allerdings mehr Platz benötigt hätte – und der ist in einem Foldable begrenzt.
Zufriedenstellend sind die Aufnahmen der 13 Megapixel-Ultraweitwinkelkamera. Sie kommen mit weniger Bilddetails daher und wirken für meinen Geschmack etwas blass. Besser hat mir der Sensor als Makrokamera gefallen. Dank der höheren Auflösung, gelingen damit mit etwas Geschick und einer ruhigen Hand detailreiche Nahaufnahmen.
Mit der 32 MP-Frontkamera gelingen gute und erfreulich detaillierte Selfies. Noch bessere Ergebnisse erzielt man, wenn dafür die Hauptkamera genutzt wird. Dank des Aussendisplays gelingt das problemlos. Vermisst habe ich in diesem Preissegment eine Telelinse, allerdings ist das bei Flip-Phones definitiv kein Standard und bei keinem anderen Hersteller zu finden.
Potente Hardware, die (zu) schnell heiss wird
Motorola verbaut im Razr 40 Ultra den Snapdragon 8+ Gen 1 von Qualcomm. Es handelt sich dabei um einen sehr schnellen Chipsatz, welcher allerdings aus dem Vorjahr stammt. Bei einem Preis von rund 1200 Franken hätte ich eigentlich mit dem aktuellen Snapdragon 8 Gen 2 gerechnet. Klar, was die Leistung anbelangt, da merkt der Laie kaum einen Unterschied. Der Snapdragon 8+ Gen 1 liefert eine hervorragende Rechen- und Grafikleistung. An seine Leistungsgrenzen kommt der Chipsatz überaus selten, sodass alle Apps und Games darauf laufen.
Ja, das Razr 40 Ultra ist ein sehr kompaktes und vor allem dünnes Foldable geworden. Und genau das wird dem Foldable bei längeren Gaming-Sessions unter Volllast zum Verhängnis. Das Gerät läuft dabei ziemlich warm, was nicht unbedingt ein Problem darstellt. Eher problematisch ist, dass der Chipsatz seine Leistung bei erhöhter Wärme (drastisch) drosselt. Statt die Leistung eines High-End-Chipsatzes erreicht man dann noch maximal die Leistung eines Mittelklasse-Smartphones.
Das Razr 40 Ultra gibt es mit 8 GB RAM und einem internen Speicherplatz von 256 GB (UFS 3.1). Eine Speichererweiterung mittels microSD-Karte ist nicht möglich, aber nicht unbedingt notwendig bei so viel Speicher. Via eSIM kann das Foldable mit zwei Rufnummern verwendet werden. Diese Funktion ist vor allem dann sehr von Vorteil, wenn man im Ausland eine zweite SIM-Karte fürs Roaming nützen möchte.
Auf das aktuelle Wi-Fi 7 muss verzichtet werden, aber immerhin ist Wi-Fi 6e mit an Bord. Auch damit ist eine schnelle, kabellose Datenübertragung möglich. Weiterhin sind natürlich 5G, GPS & Co. mit an Bord.
Unverändertes Android mit drei Jahren Update-Garantie
Das Motorola Razr 40 Ultra wird ab Werk mit Android 13 ausgeliefert. Wer Stock-Android mag, der wird sich über die kaum veränderte Benutzeroberfläche erfreuen. Motorola verspricht drei grosse Android-Updates (bis Android 16 garantiert) und während vier Jahren die Android-Sicherheitspatches. Das ist zwar eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Versprechen, Motorola kann damit aber nach wie vor nicht mit dem Klassenprimus Samsung mithalten (vier grosse Android-Updates und fünf Jahre Sicherheitspatches).
Android läuft auf dem Motorola Razr 40 Ultra flüssig, was der integrierten Hardware zu verdanken ist. Es gibt nur wenige Apps, die Motorola zusätzlich auf seinem Foldable installiert hat. So gibt es eine erweiterte Gestensteuerung, womit man mittels Geste die Kamera oder die Taschenlampe starten kann. Weiterhin sind auch die erweiterten Sicherheitsfunktionen ThinkShield for Mobile vorhanden. Damit können unter anderem Ordner zusätzlich geschützt werden.
Akku sorgt für gute Laufzeiten
Der 3800 mAh umfassende Akku hat bei mir im Alltag vollends ausgereicht. Das heisst, dass ich das Gerät problemlos über den Tag nutzen konnte. Knapp wurde es bei mir nie, obwohl ich mein Alltagsgerät doch ziemlich intensiv (Internet, Messaging, Musik- und Videostreaming) nutze. Trotzdem, die Laufzeit hängt sehr stark von der Nutzung ab und kann sich entsprechend ändern.
Das mitgelieferte 30 Watt Netzteil lädt das Motorola Razr 40 Ultra in etwas mehr als einer Stunde von 0 auf 100 %. Erfreulich: Motorola spendiert dem Foldable sogar Wireless-Charging. Mit lediglich 5 Watt lädt es allerdings sehr gemächlich kabellos auf.
Motorola Razr 40 Ultra: Ein erstes Fazit
Ich bin vom Razr 40 Ultra hin- und hergerissen. Optisch ist es meiner Meinung nach das bisher schönste Flip-Phone. Es liegt sehr gut in der Hand, verschwindet dank der kompakten Abmessungen in jeder Hosentasche und fühlt sich wertig an. Das Aussendisplay sieht cool aus, doch Motorola schöpft das Potenzial (noch?) nicht aus. Das Problem: Viele der Apps sind schlichtweg nicht für das Aussendisplay optimiert. Widgets gibt es, Stand heute, noch nicht viele.
Nicht ganz auf Top-Niveau ist die verbaute Hardware. Angefangen beim Chipsatz, der aus dem Vorjahr stammt. Leistungstechnisch spielt er zwar nach wie vor ganz oben mit, aber bei einem Preis von rund 1200 Franken darf man durchaus den neuesten und schnellsten Chipsatz erwarten. Ausserdem wird er unter Volllast ziemlich (schnell) warm und drosselt die Leistung. Die Kühlung scheint in diesem schlanken Gehäuse ein Problem darzustellen. Die Kamera ist gut, aber nicht High-End. Eine Telelinse für optischen Zoom fehlt gänzlich.
Trotz all dem hat Motorola mit dem Razr 40 Ultra die Messlatte bei den Flip-Phones höher gelegt. Der überzeugende Falt-Mechanismus und das tolle Aussendisplay haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Doch die Konkurrenz schläft nicht und Samsung wird schon sehr bald mit dem kommenden Galaxy Z Flip 5 darauf reagieren. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das neue Samsung-Foldable gegen das Motorola Razr 40 Ultra schlagen wird.