Nissan Ariya Evolve 400 im Test: Leistung pur mit Allradantrieb
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Fahrbericht Nissan Elektroauto

Nissan Ariya Evolve 400 im Test: Leistung pur mit Allradantrieb

Bruno Rivas
Bruno Rivas

Inhaltsverzeichnis

Evolve 400, so heisst die neue Variante des Elektro-SUVs Ariya von Nissan. Es ist das aktuelle Elektroauto-Topmodell und strotzt nur so mit Leistung. Fast 400 PS stehen dem Japaner zur Seite. Damit gelingt ihm der Sprint auf 100 km/h aus dem Stand in 5,1 Sekunden. Was der Nissan Ariya Evolve 400 alles zu bieten haben und wo ich noch Optimierungspotenzial sehen, erfährst du im ausführlichen Fahrbericht.

Den Nissan Ariya Evolve 400 durfte ich während zwei Wochen fahren. In dieser Zeit habe ich über 2500 Kilometer mit dem Gefährt zurückgelegt. Ja, auch Langstrecken sind dazu gekommen. Wie unsere lange Reise nach Südfrankreich verlaufen ist, das erfährst du hier.

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Das Testfahrzeug: Nissan Ariya Evolve 400

Als Testfahrzeug wurde mir der Nissan Ariya Evolve 400 in der Aussenfarbe Pearl White/Pearl Black (1650.- Franken) überlassen. Der Japaner verfügt über einen Elektro-Doppelmotor mit einer Systemleistung von 290 kW (394 PS, 600 Nm) und einer 87-kWh-Batterie. In der Topvariante Evolve400 ist bereits die gesamte Mehrausstattung enthalten. Einzig die Wahl der Aussenfarbe kommt (bzw. kann) noch zum Verkaufspreis von 67'990 Franken dazu (kommen).

Unverkennbares, futuristisches Design

Erstmals hat Nissan den Ariya 2019 auf der Tokyo Motor Show als Konzept präsentiert, danach etwas viel Zeit benötigt, um ihn als Serienauto auf die Strassen zu bringen. Geblieben ist das futuristische Aussehen. Die Front fällt bullig aus und bietet feine Lichtleisten, die zu gefallen wissen. Die Dachlinie ist nach hinten abfallend, womit wir es beim Ariya eher mit einem Coupé zu tun haben. Die Heckleuchte zieht sich über die komplette Breite des Kofferraums, was die futuristische Anmutung unterstreicht.

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Nissan nutzt für den Ariya die CMF-Plattform, die unter anderem auch beim Renault Mégane E-Tech eingesetzt wird, der mir im Test vor ungefähr einem Jahr gut gefallen hat. Optisch haben die beiden Modelle aber nicht wirklich viel gemeinsam, was ich durchaus begrüsse. Schliesslich soll nicht jedes Elektroauto identisch aussehen, auch wenn sie dieselbe Plattform nutzen.

Wertige Materialien und gutes Platzangebot im Innenraum

Im Innenraum trifft man beim Ariya Evolve 400 auf wertige Materialien und einem durchdachten sowie guten Platzangebot. Gefallen haben mir die bequemen Sitze sowohl im Fond, wie auch für den Fahrer und Beifahrer, die allesamt mit Nappaleder in Blau überzogen sind. Die beiden vorderen Sitze bieten eine Sitzkühlung und -heizung. Auf der Rückbank gibt es immerhin eine Sitzheizung.

Das Cockpit ist aufgeräumt und wertig verarbeitet | Bild: vybe

Grosse Menschen, wie ich mit meinen ca. 1,90m, finden auf allen Sitzen genügend Platz. Die Kopffreiheit ist gegeben, wenn auch nicht so grosszügig, wie etwa im Renault Mégane E-Tech, und auch für die Beine findet man genügend Platz vor. Unverständlich ist aber, weshalb Nissan die Armauflagen derart weit unten angebracht hat. Sie passt so auch nicht zur elektrisch verschiebbaren Mittelarmlehne, die von der Höhe optimal angebracht ist.

Dem Fahrer und Beifahrer fallen sofort die zwei grossen 12,3 Zoll Displays ins Auge. Natürlich gibt es ein Display für den Fahrer und zusätzlich ein weiteres Display, womit die Funktionen des Kombiinstruments (Infotainment) bedient werden können. Etwas verwirrend: Es gibt etliche Funktionen, wie etwa die Anpassung des Head-Up-Displays, die nur über das Hauptdisplays des Fahrers und nicht über das Kombiinstrument eingestellt werden können. Das Head-Up-Display ist nichts bahnbrechendes, zeigt aber die wesentlichsten Informationen gut sichtbar an der Frontscheibe an.

Ambiente-Beleuchtung ist vorhanden und sieht richtig cool aus | Bild: vybe

Ungünstig finde ich die Tasten an der Mittelarmlehne. Darüber lassen sich unter anderem das einstufige E-Pedal und Drive-Mode (Snow, Eco, Normal und Sport) einstellen. Es sind kapazitive Tasten mit haptischem Feedback, die sich so gar nicht erfühlen lassen. Da ich den Drive-Mode doch hin und wieder umgestellt habe, störe es mich, dass ich sie nicht direkt im Blickfeld hatte. Ja, es lenkte mich gar ab auf die Fahrbahn zu schauen.

Ganz generell konnte ich mich nie ganz mit den kapazitiven Tasten anfreunden. Denn auch die mittig angebrachte Bedienung für die Klimaanlange geschieht über ebensolche Tasten, die ich in der Handhabung weit weniger gut finde als klassische Tasten. Letztendlich ist das alles aber Geschmacksache, denn funktionieren tun diese kapazitiven Tasten, wie sie es sollen.

Für die Passagiere auf der Rückbank gibt es USB-C-Anschüsse und Sitzheizung | Bild: vybe

Kommen wir kurz zurück zur Mittelarmlehne. Dort bringt Nissan neben einem Pad für Wireless-Charging etwas weiter unten einen USB-C- und USB-A-Anschluss unter. Für die Gäste im Fond gibt es ebenfalls einen USB-C- und einen USB-A-Anschluss, damit auch die Kinder ihr Tablet oder Smartphones während der Fahrt aufladen können. Weiterhin gibt es im vorderen Bereich ein verstecktes Fach, welches sich über zwei Tasten in der Mittelarmlehne öffnen bzw. schliessen lässt.

Zur Serienausstattung gehört überdies ein Panoramadach, das dem Innenraum viel Licht beschert.

Stauraum im Kofferraum ist genügend vorhanden | Bild: vybe

Kofferraum geht in Ordnung, ein Frunk fehlt

Nissan gibt für den Ariya Evolve 400 ein Kofferraumvolumen von 415 bis 1280 Litern bei umgelegter Rückbanklehnen an. Das ist jetzt im Vergleich zu einem VW ID. 4 nicht ganz so viel, reicht aber dank des flachen Ladebodens in der Regel aus. Wir, das heisst mit mir zusammen drei Personen, hatten zumindest genügend Stauraum für unseren Trip nach Südfrankreich. Unterhalb des Kofferraums kann etwa das Ladekabel verstaut werden.

Ein Frunk, wie es etwa bei Kia oder Tesla gibt, fehlt dem Nissan Ariya leider.

Alles "Digital" im Nissan Ariya Evolve 400 - auch der Rückspiegel | Bild: vybe

Infotainment-System etwas altbacken, aber mit Apple CarPlay und Android Auto

Das Infotainment-System beim Nissan Ariya konnte mich in mehrerer Hinsicht nicht gänzlich überzeugen. Einerseits wirkt das System im Vergleich zu anderen Herstellern etwas altbacken und andererseits sind auch die gewählten Abkürzungen nicht immer sehr aufschlussreich. Für meinen Geschmack fällt die Bedienung nicht immer konsistent aus. Auch der Punkt, den ich schon weiter oben erwähnt habe, ist für mich nicht schlüssig: Weshalb können etliche Funktionen des Hauptdisplays nicht auch über das Display des Infotainments bedient werden? Apropos: Viele Funktionen können auch per Sprachbefehl "Hey Nissan" über Amazon Alexa angesteuert werden, etwa für die Navigation. Leider ist Alexa jedoch (noch) nicht in der Schweiz verfügbar, weshalb du dich mit einer sehr einfachen Spracheingabe zufrieden geben musst.

Das integrierte Navi funktioniert und harmoniert auch mit dem Head-Up-Display gut zusammen. Allerdings habe ich für meine Routenplanung jeweils auf Apple CarPlay oder auch Android Auto gesetzt. Beides wird unterstützt - letzteres aber nur mittels Kabel. CarPlay hingegen lässt sich kabellos verbinden. Allerdings musste ich auf der Langstrecke feststellen, dass die Verbindung zu meinem iPhone 14 Pro Max immer wieder mal abgebrochen ist. Das kam bei Android Auto, das via USB-Anschluss verbunden war, nicht vor. Abschliessend kann ich dazu aber nicht sagen, woran es konkret gelegen hat. Möglich auch, dass es an meinem iPhone, das mit der aktuellen iOS 18 Beta 2 läuft, gelegen hat.

Sehr positiv ist mir das integrierte Bose-Audiosystem mit insgesamt 10 Lautsprechern aufgefallen. Es bietet kristallklaren Sound und viel Bass.

Der Nissan Ariya Evolve 400 bietet viel Leistung und ein ausgewogenes Fahrwerk | Bild: vybe

Viel Leistung und ausgewogenes Fahrwerk

Mit einer Leistung an die 400 PS (280 kW) verbaut Nissan zwei leistungsstarke Elektromotoren, die im Alltag viel Spass bereiten. Die Beschleunigung gelingt so in 5,1 Sekunden auf 100 km/h. In dieser Preisklasse muss sich Nissan aber mit anderen Kalibern auseinandersetzen, etwa mit dem Tesla Model Y, das erst noch deutlich günstiger zu haben ist und unterm Strich auch (noch) mehr Leistung bietet. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei maximal 200 km/h.

Wer es bevorzugt in Kurven schnell zu fahren, der wird mit dem Ariya Evolve 400 an seine Grenzen stossen. Das ESP mischt sich dabei ziemlich schnell ein - ja, vielleicht gar zu schnell. Generell lässt sich festhalten, dass Nissan auch bei der sportlichen Evolve-Variante auf ein richtig sportliches Fahrwerk verzichtet. Eher ist der Nissan Ariya Evolve 400 als ein gut ausbalanciertes Elektroauto zu bezeichnen ä. Emotionen kommen dabei nur Verhalten auf.

Merklich unterscheiden tun sich die vier Drive-Mode Snow, Eco, Normal und Sport. Wie gut der Snow, also Schnee-Modus funktioniert, konnte ich im Sommer wenig überraschend nicht testen. Die anderen Modi wirken sich aber gut spürbar auf das Fahrverhalten aus. Im Sport-Modus ist darüber hinaus auch die Lenkung straffer gehalten. Das gefällt insgesamt. One-Pedal-Drive ist über das E-Pedal eingeschränkt möglich. Ganz zum stillstand kommt das E-Pedal allerdings nicht, zudem lässt sich auch die Intensität nicht justieren.

Der Fahrmodus und das e-Padal wird über die Mittelarmlehne bedient | Bild: vybe

Die Assistenzsysteme arbeiten insgesamt gut und unterstützen den Fahrer bei der Fahrt. Der adaptive Tempomat kann das Tempolimit mit Verkehrszeichen übernehmen - auf Wunsch ganz automatisch. Das gelang interessanterweise auf den Autobahnen und Strassen in Frankreich deutlich besser als in der Schweiz. In der Schweiz übernahm das System oftmals fälschlicherweise die Geschwindigkeit, die für die Ausfahrt gilt. In Frankreich gab es dieses Problem nicht. Möglich, da in Frankreich jeweils bei der Ausfahrt auch ein entsprechendes Verkehrsschild angebracht ist, das in der Schweiz fehlt. Erfreulich: Im Gegensatz zum Kia EV9, der andauernd irgendetwas akustisch und vibrierend zu motzen hatte, hält sich der Ariya erfreulich zurück.

Die automatische Einparkfunktion sorgte im Test jeweils für keine Probleme. Das Fahrzeug hat sich passendgenau in die jeweiligen Parklücken hinein manövriert. Ich musste dabei nie aktiv eingreifen.

Der Nissan Ariya Evolve 400 an einer Ladestation in Südfrankreich | Bild: vybe

Reichweite geht in Ordnung, Schnellladen nur durchschnittlich

Die Reichweite gibt Nissan mit bis zu 498 Kilometern gemäss WLTP an. Je nach Fahrstil liegt der Wert wenig überraschend deutlich darunter. Auf der Langstrecke (knapp 900 Kilometer) zeigte mir der Bordcomputer im Eco-Fahrmodus einen durchschnittlichen Verbrauch von 22 kWh auf 100 Kilometern an. Das geht so weit in Ordnung und liegt im Bereich, der Nissan für das Fahrzeug angibt. Zudem muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich aufgrund der hohen Temperaturen (weit über 30 Grad) und der stets hoch eingestellten Klimaanlage der Verbrauch ebenfalls nicht gerade positiv entwickelt hat.

Was ich mir insbesondere auf der Langstrecke gewünscht habe, ist eine etwas höhere Ladeleistung an einer Schnellladestation. Mit 130 kW liegt der Ariya noch knapp im Mittelfeld. Positiv hervorzuheben ist dafür die Ladeleistung an einer Wallbox mit Wechselstrom: Hier lässt der Ariya seine Muskeln spielen und lädt mit 22 kW auf. Da liefern andere Hersteller mit der Hälfte, also 11 kW, weniger. Eine Ladung an einer kompatiblen Wallbox gelingt so in ca. 3,5 bis 4 Stunden.

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Das Testfazit zum Nissan Ariya Evolve 400 nach über 2500 Kilometern

Die Optik ist Geschmacksache, mir sagt das futuristische Design zu. Im Innenraum erwarten dich wertige Materialien, bequeme und ebenso wertige Sitze mit Nappallederüberzug und ein gutes Platzangebot auf allen Plätzen - auch für grössere Menschen bis ca. 195 cm. Das Kofferraumvolumen ist ausreichend und bietet dank des flachen Ladebodens einen Mehrwert. Das Cockpit für den Fahrer ist aufgeräumt und bietet ein serienmässiges Head-Up-Display. Das Soundsystem von Bose überzeugt.

Mit den kapazitiven Tasten mit haptischem Feedback konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Auch finde ich es nach wie vor keine gute Idee essenzielle Funktionen, wie die verschiedenen Fahrmodi, in der Mittelarmlehne unterzubringen. Diese Dinge sollten meiner Meinung nach im Blickfeld des Fahrers bleiben. Und das sind sie in der Mittelarmlehne definitiv nicht.

Die Leistung von knapp 400 PS (280 kW) ist mehr als ausreichend, um flott auf der Autobahn zu beschleunigen und im Stadtverkehrt problemlos unterwegs zu sein. Dem Ariya gelingt der Sprint auf 100 km/h so in etwas mehr als fünf Sekunden. Beim Fahrwerk triffst du ein gut ausbalanciertes an, das sich jedoch nicht allzu sportlich anfühlt. Die Assistenzsysteme im Ariya sind ausgereift und funktionieren im Alltag gut.

Besser dürfte das Infotainmentsystem sein. Es wirkt hier und da noch etwas altbacken und gehört jetzt auch nicht zu den schnellsten, was die Reaktionszeit betrifft. Dennoch bietet Nissan alle nötigen Funktionen an. Ja, auch Android Auto und Apple CarPlay werden unterstützt, letzteres sogar ohne Kabel und somit komplett kabellos.

Die Reichweite und der Verbrauch fand ich insgesamt gut. Bei der Ladeleistung hätte ich mir hier und da etwas mehr Leistung gewünscht. 130 kW sind inzwischen nicht mehr als Durchschnitt. Es wäre wünschenswert, wenn Nissan bei einem Nachfolger diesen Wert erhöhen könnte und allenfalls sogar auf die 800-Volt-Technologie wechseln würde. Positiv aber: Die Ladeleistung bleibt bis fast 90% relativ konstant hoch.

Zusammengefasst: Der Nissan Ariya Evolve 400 begleitete mich sowohl auf kurzen Distanzen, wie auch auf unserer Reise nach Südfrankreich. Er war dabei über die ganze Zeit ein zuverlässiger Begleiter. Der Preis von knapp 68000 Franken ist jedoch an der Grenze. Inzwischen gibt es etliche Alternativen, die eine ähnliche Leistung und Ausstattung bieten, die günstiger zu haben sind.