Überraschend war es nicht, als HMD Global vor wenigen Tagen ankündigte, dass man zukünftig unter dem eigenen Markennamen Smartphones veröffentlichen wolle. Dafür hat man sich auch gleich ein neues Branding verpasst und kommuniziert mit einem Video laut in die Welt hinaus: HMD Global ist jetzt nur noch HMD. Und HMD steht für Human Made Devices.
Offiziell tot sind Nokia-Smartphones zwar nicht, denn HMD hat sich dazu (noch) nicht konkret geäussert. Theoretisch läuft die Lizenz erst 2026 aus, HMD könnte also weiterhin Nokia-Smartphones veröffentlichen. Doch schaut man sich an, was im Hintergrund bereits alles passiert ist, ist schnell klar: HMD hat keinesfalls vor, das zu tun. Am einfachsten zu erkennen, ist das im Netz. Hier werden die Spuren von Nokia-Smartphones seit einigen Wochen nach und nach beseitigt. Teilweise wurden die Usernamen von Nokia-Accounts auf Social-Media-Plattformen zu HMDglobal geändert. Auf der offiziellen Website sind die Smartphones inzwischen verschwunden. Ruft man die alte URL zur Unterseite auf, leitet diese auf HMD.com weiter.
Das offizielle Profil von Nokia Mobile auf Twitter wurde vor wenigen Tagen stillgelegt und auch MyNokia kündigte an, seinen Account stillzulegen. Letzterer war der offizielle Kanal, um Produkte von Nokia-Lizenznehmern zu promoten. Dieser Schritt lässt vermuten, dass Nokia sich mehr und mehr aus dem Lizenzgeschäft für Consumer-Produkte verabschiedet. Sollte dies der Fall sein, dürfte es bald auch keine Nokia TVs, Laptops und Kopfhörer mehr geben.
Immerhin bei klassischen Tasten-Handys soll die Marke Nokia vorerst noch erhalten bleiben, wie HMD mitgeteilt hat. Diese Handys dürften aber vor allem für einkommensschwache Länder gedacht sein. Und spätestens 2026 ist wohl auch mit klassischen Handys mit Nokia-Aufdruck Schluss.
Wird HMD zur Lifestyle-Marke?
HMD bereitet sich aber schon für die Post-Nokia-Ära vor. Bereits am World Mobile Congress Ende Februar will das Unternehmen neue Smartphones präsentieren. Diese sollen zukünftig unter dem eigenen Branding erscheinen. Erste Teaserbilder und Leaks legen nahe, dass HMD einen völlig neuen Weg einschlägt: Bunt soll es werden, mit Pastellfarben und Lifestyle-Optik. HMD scheint sich als junge, coole Marke positionieren zu wollen. Und wenn man sich die angeteaserten Geräte anschaut, fällt auf: HMD hat Nokia doch noch nicht ganz loslassen können. Zumindest erinnert eines der Designs stark an das Nokia N9, das noch unter der alten Nokia-Ära erschienen ist.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, könnte der Neustart ordentlich Aufmerksamkeit generieren. Ein Android-Smartphone im aufgefrischten Design der alten Nokia-Lumia-Smartphones? Ja, gerne! Doch auch ein weiteres Handy zeigt sich in einem Leak: Dieses erinnert sehr stark an das Xperia 10 IV, das Sony letztes Jahr veröffentlicht hat. Womöglich nutzt HMD die beiden Designs-Sprachen, um High-End und Mittelklasse zu differenzieren.
Gleichzeitig scheint HMD sein Nachhaltigkeits-Versprechen fortführen zu wollen. Die Reparierbarkeit der Geräte für Laien soll weiterhin gewährleistet werden, heisst es in der Gerüchteküche. Auch das obige geleakte Bild deutet darauf hin. Und auch die Produktion in Europa wird wohl bleiben und könnte zu einem Alleinstellungsmerkmal von HMD werden. Im Moment sind das zwar nur Business-Geräte, aber wer weiss, was die Zukunft bringt?
Kleines Portfolio und unkomplizierte Namen müssen her
Sollte HMD tatsächlich diesen Weg einschlagen, könnte das Unternehmen vielleicht das Unmögliche schaffen: Sich einen festen Platz in der europäischen (und weltweiten) Smartphone-Welt ergattern. Voraussetzung ist allerdings, dass HMD seine Nokia-Strategie endlich aufgibt: Statt etliche Modelle pro Jahr mit verwirrendem Namenskonzept zu veröffentlichen, sollte der Hersteller sich auf ein kleines Portfolio konzentrieren. Nothing und Google haben gezeigt, dass Apples Strategie auch in der Android-Welt funktioniert: Eine Pro-Linie und ein Budget-Modell reichen völlig aus.
Das ist eine Strategie, die HMD mit dem Nokia-Neustart 2016 versäumt und später sogar noch verschlimmert hat. Statt sich auf zwei, drei Modelle zu konzentrieren, die sich klar differenzieren, gab es etliche Nokias, die ähnlich ausgestattet waren. Hinzu kam noch, dass HMD sich mit der Zeit nicht einmal mehr an seine anfangs angekündigten Differenzierungsmerkmale der G- C- und X-Serie gehalten hat. Es bleibt nur zu hoffen, dass HMD diesen Fehler mit den eigenen Modellen nicht wiederholt. Gebt uns einfach ein HMD One Pro, ein HMD One und ein HMD Ona Lite und gut ist.
Wie sich HMD seine eigene Smartphone-Zukunft vorstellt, werden wir wie bereits erwähnt am World Mobile Congress sehen. Dieser findet vom 26. bis 29. Februar statt. Mit der Präsentation an diesem Event legt sich HMD auch gleich mit der ganz grossen Konkurrenz an: Auch Oppo, Nothing, Honor und womöglich Xiaomi Produktneuheiten für den MWC angekündigt.