Ikone der Kindheit: die Schweizer Trickfilm-Figur Pingu. (Bild: zvg SRF)
Pingu ist für neue Streiche bereit, wenn auch nicht mehr mit Schweizer Beteiligung. (Bild: zvg SRF)
Hintergrund Serie Unterhaltung

«Pingu»: Mattel verschafft dem Star unserer Kindheit ein Comeback

Chris Bucher
Chris Bucher

Als Kind war «Pingu» mein absolutes Wohlfühlprogramm. Der freche kleine Pinguin, der mit seinen Eltern und seiner Schwester Pinga in einem Iglu am Südpol lebte, war fester Bestandteil meines Abendrituals.

Die fünfminütigen Episoden waren quasi mein «Bettmümpfeli», immer ein kleines Abenteuer mit Witz und Charme für einen ruhigen Schlaf. Sieht man von der elenden Traum-Episode ab. Ihr wisst schon, die mit dem ebenso grossen wie gruseligen Walross. Die hat wohl eine ganze Generation von Kindern nachhaltig geschädigt. Schaut's euch doch mal an:

Wie ich überhaupt dazu komme, hier den «Pingu» aufzuwärmen? Na, weil aktuell ein Reboot geplant ist. Wie sich das für eine nostalgie-lastige TV-Serie eben gehört. Aber wisst ihr was? Für einmal finde ich das eine hervorragende Idee.

Grundgesetz: Nostalgie muss aufgewärmt werden

Für die Neuauflage spannt der amerikanische Spielzeughersteller Mattel («Barbie» und «Hot Wheels») mit dem englischen Animationsstudio Aardman Animations (verantwortlich für Meisterwerke wie die «Wallace & Gromit»-Reihe und «Chicken Run») zusammen, um den nölenden Pinguin zurück auf die Bildschirme zu bringen. Und zwar so, wie wir ihn kennen und lieben: als Stop-Motion-Knet-Figur.

Ich kann den Verantwortlichen nur applaudieren. Schliesslich wäre es naheliegend gewesen, auf günstigere 3D-Animation zu setzen – eine Entscheidung, die anderen Reboots den Charme geraubt hat («Biene Maja», wir schauen dich an). Doch Aardman und Mattel bleibt der alten Technik treu.

«Mit der Stop-Motion-Magie von Aardman und ‹Pingu's› universellem Charme, der ihn zu einem Social-Media-Hit gemacht hat, freuen wir uns darauf, neue Geschichten über unseren Lieblingspinguin zu erschaffen», schreibt Josh Silverman, Chief Franchise Officer von Mattel in einer Mitteilung.

Manch einer mag sich jetzt fragen, warum ein amerikanischer Spielzeuggigant und ein englisches Animationsstudio dazu kommen, ein Schweizer Urgestein wieder zu beleben. Dafür müssen wir die Zeit ein paar Jahrzehnte zurückdrehen.

Die Schweizer TV-Serie «Pingu» entstand in liebevoller Handarbeit.
«Pingu» isch Liebi, «Pingu» isch Läbe! (Bild: zvg SRF)

Wie «Pingu» die Welt eroberte

Die Schweizer Kinder-Serie stammt aus der Feder von Otmar Gutmann und Erika Brueggemann und lief von 1990 bis 2000 im Schweizer Fernsehen. Insgesamt wurden ab 1986 vier Staffeln zu je 26 Folgen produziert, dazu noch eine Handvoll Spezialfolgen.

«Pingu» eroberte nicht nur die Herzen von Schweizer Kindern, sondern watschelte zeitnah in zahlreichen weiteren Ländern über die Fernsehbildschirme. Der Schweizer Exportklassiker war besonders in England beliebt. Und zwar so sehr, dass die britisch-amerikanische HIT Entertainment Ltd. 2001 die Rechte an «Pingu» für 16 Millionen Pfund gekauft hat und mit einem eigenen Team 52 neue Folgen produzieren liess. 2012 kaufte der Spielzeugkonzern Mattel schliesslich HIT Entertainment Ltd. – und damit die Rechte an «Pingu».

Pingus Abstecher nach Japan

Auch Japan hat seit den frühen Neunzigern den Narren an der Serie gefressen und 2017 mit «Pingu in the City» ein Spin-Off produziert, dass über 52 Folgen bis 2019 lief. Interessanterweise wurde diese Neuinterpretation in 3D-Animation umgesetzt, orientierte sich aber optisch stark am Stop-Motion-Original.

Die Popularität von «Pingu» ist weiterhin ungebrochen –wohl mit ein Grund, warum eine Neuauflage in Arbeit ist. Denn bis heute taucht der freche kleine Kerl im TV auf, wird von mittlerweile erwachsenen Menschen referenziert und muss seinen runden Knet-Kopf für Memes und Parodien hinhalten.

Die News über ein Reboot animiert zum Freudentanz. (Bild: zvg SRF)

Keine Beteiligung aus der Schweiz

Wie aber soll der neue, alte «Pingu» konkret daherkommen? Darüber können die Talente von Aardman aktuell noch nicht viel verraten, wie Aardman-Sprecher James Douglas auf Anfrage von «vybe» erklärt. Aber: «Aardman und ‹Pingu› ist eine so natürliche, wie verlockende Kombination. Der Charme der Stop-Motion-Animation zusammen mit der schrulligen Erzählweise passt perfekt zu unserem kreativen Ansatz», heisst es seitens Aardman.

Fest steht aber: Mit seiner einstigen Schweizer Heimat hat die Serie abgeschlossen. Das Schweizer Fernsehen ist in die neue Produktion nicht involviert, wie SRF-Mediensprecher Roger Muntwyler auf Anfrage bestätigt. Einen eigenen Reboot zu realisieren, wie das beispielsweise Japan gemacht hat, steht ebenfalls nicht zur Diskussion. «Es gibt keine Bestrebungen, ‹Pingu› selbst neu aufzulegen», so Muntwyler weiter. Wohl auch, weil das SRF keine Rechte mehr an der Marke hat.

Für Kinder und erwachsene «Pingu»-Fans bleibt somit nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie sich die geplante Neuauflage aus englisch-amerikanischer Produktion entwickelt. Bis dahin ist der kleine Pinguin auf SRF weiterhin um 17:30 Uhr im «Guetnachtgschichtli» zu sehen – oder auf dem offiziellen Pingu-YouTube-Kanal.

«Pingu»-Trivia:

  • Die Sprache, die Pingu und seine Familie spricht, nennt man «Grammelot», eine Fantasiesprache, die lautmalerisch und oft mit übertriebener Mimik und Gestik vorgetragen wird. Im Schweizer Original lieh der Italiener Carlo Bonomi (1937 - 2022) Pingu und anderen Figuren seine Stimme.
  • Im Gegensatz zur klassischen Stop-Motion-Animation wurden bei «Pingu» nicht die einzelnen Puppen Stück für Stück animiert, sondern eine Vielzahl Puppen in verschiedenen Posen hergestellt und nach jedem gedrehten Bild durch die nächste ersetzt.
  • Trash-Ikone David Hasselhoff hat nicht nur die Berliner Mauer niedergesungen, 1993 hat er den offiziellen Song «Pingu Dance» veröffentlicht. Das Lied wurde in späteren Staffeln der Schweizer Serie sogar verwendet.
  • Der englische Stop-Motion-Künstler Lee Hardcastle hat 2011 eine Adaption von John Carpenters Horrorklassiker «The Thing» (1982) im «Pingu»-Universum gedreht und auf Youtube veröffentlicht. Die düstere und sackbrutale Version namens «Thingu» ging viral und heimste sogar Lob von Regie-Legende Carpenter selbst ein: