Mit Raya und der letzte Drache feiert rund zwei Monate nach Pixars Soul schon der zweite Animationsfilm auf Disney Plus Premiere. Während Soul aber im Abo enthalten war, müsst ihr für Raya extra bezahlen. Disney nennt das VIP-Zugang und verlangt dafür 29 Franken. Das Gleiche hatte der Mauskonzern bereits im September 2020 mit Mulan gemacht und damit riesigen Erfolg. Zwar hat Disney nie offizielle Zahlen genannt, doch laut diversen Analysediensten, sind die Abozahlen von Disney Plus bei der Veröffentlichung von Mulan in die Höhe geschnellt.
Die Veröffentlichungsstrategie ist dabei nicht das Einzige, was Raya und der letzte Drache mit Mulan gemeinsam hat: Schon in den ersten paar Minuten von Raya ist klar, dass sich die Macher*innen des Films sehr stark an der asiatischen Kultur orientiert haben. Müsste ich mich auf ein Land festlegen, das den Film am meisten beeinflusst hat, würde ich auf China tippen. Ob dies Zufall ist oder der Tatsache geschuldet, dass Disney seine neuen Filme immer öfter auf chinesische Bedürfnisse abstimmt? Wir wissen es nicht. Dennoch erscheint dies, in Anbetracht dessen, dass China zu einem der wichtigsten Märkte für Hollywood geworden ist, naheliegend. Nun gut, das soll man dem Film nicht zur Last legen, denn mir ist das allemal lieber, als die gefühlt tausendste Neuinterpretation eines westlichen Märchens.
Bekannte Handlung mit starken Hauptfiguren
Raya und der letzte Drache entführt uns in das fiktive Land Kumandra. Dort haben vor 500 Jahren die Drachen ihr Leben geopfert, um eine dunkle Macht aufzuhalten. Nun, in der Gegenwart, sind die einst geeinten Völker zerstritten und kämpfen um das letzte bisschen Drachenmagie, das noch übrig ist. Der Legende nach soll aber ein Drache überlebt haben. Die Kriegerin Raya sucht diesen Drachen, in der Hoffnung, dass er ihr helfen kann, wieder Einheit in das Land zurückzubringen.
Mehr Details gibt’s im Trailer:
Soviel also zur ungefähren Handlung. Klingt jetzt nicht sehr aussergewöhnlich, ist es auch nicht. Zwar kommt im Film noch der eine oder andere Aspekt vor, den ich euch hier jetzt nicht verraten möchte, aber wirklich etwas Neues tischt uns Disney mit ihrem neusten Animationsfilm nicht auf. Die eher bekannte – und oft auch vorhersehbare Handlung – wird aber durch interessante Charaktere aufgewertet. Allen voran ist da natürlich Raya, die selbstverständlich die Tochter des Oberhaupts ihres Volkes ist. Wie sich aber bereits in den vergangenen Filmen wie Die Eiskönigin oder Vaiana angekündigt hat, ist die Ära der klassischen Disney-Prinzessinnen vorbei.
Raya ist eine starke Figur, die ihren eigenen Willen hat, sich durch eine unwirtliche Welt kämpft und ziemlich badass ist. Was aber vor allem neu ist, ist, dass Raya es alleine hinkriegt. Sie braucht weder einen Prinzen, der ihr beisteht, noch sonst einen Mann. Damit ist Raya auch keine Buddy-Comedy wie noch bei Vaiana und wird damit (im Rahmen der Disney-tauglichen familienfreundlichkeit) deutlich erwachsener. Das zeigt sich auch im Charakter von Namaari, die Rayas Gegenspielerin ist. Immer dann, wenn die beiden aufeinander treffen, wird der Film richtig spannend und stellenweise auch sehr ernst. Das liegt natürlich an der physischen Auseinandersetzung, aber vor allem auch an der Chemie zwischen den beiden. Namaari ist dabei eine wirklich gelungene Gegenspielerin, da sie genauso eine junge Erwachsene ist wie Raya. Das ist eine erfrischende Abwechslung zu all den älteren Bösewichten, die die Filmwelt noch immer dominieren.
Hier sehen wir eine Gegenspielerin, die aus einem Antrieb handelt, den wir alle verstehen können. Namaari ist das Produkt einer Gesellschaft, die sich mit Misstrauen und härte begegnet. Gleichzeitig zeigt sich immer wieder, dass auch sie schlussendlich nur eine junge Frau ist, die ihren Platz in der Welt zu finden versucht. Dabei sind die Ratschläge, die sie von den erfahreneren Personen in ihrem Leben bekommt, nicht immer die besten.
Drache als (fast etwas kitschiger) Kontrast
Dagegen wirkt Sisu, der letzte Drache, mit seiner quirligen Art schon fast etwas deplaziert. (Das ist übrigens kein Spoiler, man sieht den Drachen schon im Trailer). Überhaupt ist das ganze Design der Drachen ein starker Kontrast zur restlichen Welt und auch dem Erzählton. Während Raya und Namaari oft ernste Töne anschlagen und eher braune Farben im Bild dominieren, kommt Sisu in einem Look und Feel daher, das schon fast an ein Spielzeug von Hasbro erinnert. Das ist natürlich gewollt, denn zufälliges Aussehen in einem Film gibt es nicht. Allerdings muss einem sowas gefallen. Vor allem, dass Drachen nun plötzlich Haare haben, dürfte westlichen Zuschauern (die Fuchur nicht kennen) etwas seltsam vorkommen.
Auch von der Charakterisierung wirkt Sisu nicht (ja, es ist eine Drachendame), als würde sie in den restlichen Film passen. Schlussendlich fügt sie sich aber sehr wohl ins Ganze hinein, denn Sisu spiegelt Rayas Unzulänglichkeiten wider. Raya hat im Zuge ihrer Erfahrungen vergessen, was es heisst, zu vertrauen. Und genau hier kommt Sisu ins Spiel und zeigt auf, worum es in Raya geht: Vorurteile überwinden und auch einmal Vertrauen, obwohl man es anders gelernt hat. Die Art und Weise, wie Raya und der letzte Drache diese Botschaft vermittelt, ist nicht sehr subtil. Für Kinder reicht das sicher, Erwachsene wird der Film damit nicht beeindrucken. Hier zeigt sich wieder klar, weshalb Filme von Pixar den Disney-Animationsfilmen noch immer erzählerisch überlegen sind.
Eine Welt zum Staunen und Entdecken
Wo Raya und der letzte Drache den Filmen von Pixar in nichts nachhängt, ist bei der Welt, die es zu entdecken gibt. Kumandra ist in fünf Länder unterteilt, die alle ihre eigenen Kulturen und Landschaften haben. Umgesetzt hat das Team hinter dem Film wirklich wundervoll. Die Orte wirken stimmig und sehen richtig gut aus. Das Highlight ist dabei die Stadt auf dem Wasser, die mit ihren verwinkelten Gassen und Marktständen fasziniert. Alle, die den Trickfilm Avatar für seine Landschaften geliebt haben, dürften Raya und der letzte Drache ebenfalls ins Herz schliessen. Es ist geradezu schade, dass einem der Film nicht mehr Möglichkeiten gibt, diese faszinierenden Länder zu erkunden. Andererseits ist dieser Animationsfilm mit seiner Welt wohl prädestiniert für ein Serienspin-Off, nur schon, wegen all der angedeuteten Nebenschauplätzen.
Fazit zu Raya und der letzte Drache
Raya und der letzte Drache ist sicher nicht Disneys Meisterstück. Die Handlung ist relativ vorhersehbar und die Moral der Geschichte wird einem direkt und wenig subtile aufs Auge gedrückt. Dafür gibt es mit Raya und Namaari zwei starke Charaktere, die für kleine Kinder eine tolle Vorbildfunktion sein dürften. Auch die wundervolle Welt, die mit viel Liebe gestaltet ist, kann viel von der eher durchschnittlichen Handlung wettmachen. Die Landschaft lädt zum Entdecken und Staunen ein. Insgesamt ist Raya ein durchaus gelungener Film, den man sich gerne anschaut. Ob man dafür aber 29 Franken extra ausgeben möchte? Ich für meinen Teil würde wohl eher warten, bis der Film im Disney-Plus-Abo enthalten ist. Wer aber mit seinen Kindern einen schönen Filmabend veranstalten möchte, kann mit Raya und die letzten Drachen nichts falsch machen.
Raya und der letzte Drache ist ab dem 5. März 2021 auf Disney Plus verfügbar. Der Film kostet 29 Franken extra und ist dann für unbegrenzte Zeit abrufbar.