Ende November hat Sky Show in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen seine erste Schweizer Eigenproduktion vorgelegt. «Tschugger» ist eine Comedy-Serie über einen verschlafenen Walliser Polizeiposten, bei dem einiges schiefläuft. Mit Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller David Constantin haben wir in einem ausführlichen Interview bereits über die Herausforderung einer Schweizer Serienproduktion gesprochen.
Uns hat aber auch die Sichtweise von Sky interessiert, das als internationaler Streaming-Dienst noch vor Netflix und Disney ein Original «Made in Switzerland» abgeliefert hat. Sky-Switzerland-Chef Eric Grignon hat uns in einem Gespräch Einsichten in die Entstehung von «Tschugger» gegeben, aber auch über die Herausforderungen und die Möglichkeiten des Produktionsstandorts Schweiz.
vybe: Sky ist jetzt seit dreieinhalb Jahren in der Schweiz erhältlich. Wie lautet das Fazit nach dieser Zeit?
Eric Grignon: Zuerst möchte ich sagen, dass Sky schon viel länger in der Schweiz tätig ist – einfach unter anderem Namen. Wir haben bereits seit etwa 15 oder sogar 20 Jahren die Inhalte für verschiedene Dienste zur Verfügung gestellt. Einer davon war Teleclub.
Aber um die Frage zu beantworten: Wir sind sehr zufrieden. Mit Sky Sports sind wir in der Schweiz die Nummer 1 im Sport-Streaming, obwohl wir unter anderem ein Jahr nach DAZN gestartet sind. Mit Sky Show sind wir im Moment noch hinter Netflix. Aber wir holen auf. Wir haben einen tollen Katalog, den wir laufend ausbauen. Aktuell reden alle über HBO Max. Durch die langjährige Partnerschaft zwischen Sky und HBO, sind wir in der Position, ein vielfältiges Angebot an exklusiven Serien, inklusive HBO Serien und Sky Originals anbieten zu können.
Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nutzt bereits Netflix. Laut einem Bericht von Moneyland sind viele Schweizer*innen nicht bereit, für mehr als einen Streaming-Dienst zu bezahlen. Wie wollt ihr diese Nutzer*innen weglocken?
Dem Bericht von Moneyland kann ich nicht zustimmen. Unsere Erfahrungen ausserhalb der Schweiz haben gezeigt, dass Leute bereit sind, mehrere Dienste zu abonnieren. In den USA hat eine Person durchschnittlich 3,2 Streaming-Dienste abonniert, in Skandinavien sogar mehr als vier. Ich denke nicht, dass die Schweizer*innen hier anders sind. Das zeigen auch unsere Umfragen unter den Sky-Usern: Die Mehrheit von ihnen hat nebst Sky Show auch andere Anbieter abonniert.
Aber das geht ganz schön ins Geld …
Selbst wenn man zwei oder drei Streaming-Dienste abonniert, ist das noch immer günstiger als die Grundgebühren des Kabelanschlusses mit einem TV-Abo.
Als 2020 die Coronapandemie losging, ging Streaming durch die Decke. Was hat das für Sky Show bedeutet?
Die Pandemie hatte für uns positive und negative Aspekte. Klar, die Abozahlen gingen rauf, aber wir hatten auch mit grossen Herausforderungen zu kämpfen. Die Serien- und Filmproduktion stand 2020 zeitweise komplett still und lief erst 2021 wieder richtig an. Das hat unseren Veröffentlichungsplänen für 2021 stark zugesetzt.
Gibt es da Zahlen?
Unser Line-up für 2021 lag produktionsseitig unter dem, was ursprünglich geplant war. Seit dem vierten Quartal läuft unsere Produktion wieder auf einem normalen Niveau, wir drehen gerade viele neue Projekte.
Ende November habt ihr auch euer erstes Schweizer Original veröffentlicht. Wie fühlt sich das an?
Fantastisch! Unsere Botschaft, die wir mit «Tschugger» vermitteln möchten, ist: Wir sind Schweizer*innen. Wir sind Sky Switzerland und investieren in den Standort Schweiz. Unsere Büros sind in Neuchatel, unsere App wird hier entwickelt und unser Ziel ist ganz klar, dass wir in Schweizer Produktionen investieren möchten. «Tschugger» ist nun das erste Projekt daraus und für uns ein riesiger Meilenstein.
Ich kann schon jetzt sagen, dass wir weitere Projekte in der Schweiz umsetzen werden. Das tun wir aber nicht nur für den hiesigen Markt. Klar, unsere Schweizer Kund*innen stehen bei der Entwicklung der Stoffe im Fokus, aber wir wollen unsere Schweizer Originals auch auf unseren internationalen Kanälen verfügbar machen. [«Tschugger» wird voraussichtlich im Februar auch in Österreich und Deutschland veröffentlicht, ein Release in England ist geplant, Anmerkung der Redaktion.]
Wie kam es denn dazu, dass ihr «Tschugger» produzieren wolltet?
Zuerst war da natürlich der Entscheid, dass wir Schweizer Originals produzieren wollen. Danach hatten wir zwei Teams, die nach Projekten gesucht haben: Das eine war unser Sky Studios Team in München, das dann den Auftrag bekam, auch Ausschau nach Projekten aus der Schweiz zu halten. Das zweite Team bestand eigentlich nur aus Fabian Stein, unserem Programmchef bei Sky Switzerland. Er hatte den Auftrag, alle Schweizer Produzent*innen abzuklappern und ein gutes Drehbuch auszusuchen.
Fabian war dann richtig schnell. Er kam schon nach wenigen Monaten mit «Tschugger» zu mir und war begeistert: Die Story sei typisch Schweiz, lustig und trotzdem völlig anders als alles, was man bisher in der hiesigen Serienlandschaft zu sehen bekommen hatte.
Und ihr wart dann so begeistert, dass ihr (und das SRF) noch vor dem Start der Serie eine zweite Staffel bestellt habt …
Genau. Die wird gerade gedreht. Die zweite Staffel wird dann auch exklusiv drei Monate lang nur auf Sky Show zu sehen sein, bevor sie bei SRF läuft.
Warum das? Die erste Staffel ist doch zeitgleich auf Sky Show und SRF gestartet?
Das liegt daran, dass wir bei «Tschugger» etwas spät eingestiegen sind. Das SRF war mit dem Projekt schon relativ weit, also haben wir einen Deal gemacht: Die erste Staffel startet gleichzeitig auf allen Kanälen und nächstes Jahr haben wir die zweite Staffel dann drei Monate exklusiv.
Sky ist ein internationales Unternehmen mit viel Produktionserfahrung. Die Schweiz wiederum ist nicht gerade ein Mekka für Serienproduktionen. Was waren die Herausforderungen, hierzulande eine Serie zu produzieren?
Im Wesentlichen, dass in der Schweiz die grossen Produktionsfirmen und Infrastrukturen fehlen, wie wir sie zum Beispiel in England haben. Glücklicherweise konnten wir hier auf Ressourcen von Sky zurückgreifen. Wir haben allein in London 14 Produktionshallen, die wir in Zukunft auch Schweizer Produzent*innen zur Verfügung stellen könnten. Viel schwieriger wäre es, wenn es keine guten Schweizer Drehbücher gäbe. Das ist aber zum Glück nicht der Fall. Ich bin zuversichtlich, dass die grossen Investitionen in Originals, die Sky und auch andere Streaming-Anbieter machen, sich positiv für Schweizer Produzent*innen auswirken.
Aber ist es nicht ein Problem, dass in der Schweiz alles teurer ist?
Das sehe ich nicht so. Wenn ich mir die Kosten für «Tschugger» anschaue, gehen diese im Vergleich zu unseren internationalen Produktionen völlig in Ordnung. Die grössere Herausforderung ist für uns, Geschichten zu finden, die ein Schweizer Publikum ansprechen, aber auch internationalen Zuschauer*innen abholen. Wenn wir das schaffen, eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.
Wie kommt ihr denn an diese guten Drehbücher?
Wie bereits erwähnt haben wir ein Team in München, das auch für den DACH-Raum zuständig ist. Dieses ist mit Produzent*innen in ganz Europa in Kontakt und sichtet ständig Drehbücher für die verschiedenen Märkte. Hier wird auch aktiv nach Projekten Ausschau gehalten, die zwischen zwei Ländern entstehen könnten, so wie bei «Der Pass», das in Deutschland und Österreich spielt. Unser Programmchef Fabian Stein ist ebenfalls weiterhin auf der Suche nach guten Drehbüchern, aber auf lokaler Ebene.
Schauen wir noch in die Zukunft. 2022 kommen HBO Max und Paramount+ nach Europa. Beide sind aber auch Content-Partner von Sky Show. Was bedeutet das nun für die Schweiz?
Ich kann nicht für unsere Partner HBO und Paramount sprechen. Was ich sagen kann ist, dass durch unsere langjährige Partnerschaft mit HBO auch weiterhin HBO Serien exklusiv auf Sky Show gezeigt werden können. Und Sky Show werden wir neu als Teil von Sky Cinema auch Filme von Paramount anbieten können.
Das klingt nach sehr viel neuem Content. Welche Highlights erwarten Abonnent*innen von Sky Show 2022?
Wir haben sehr viele Topserien, die mit neuen Staffeln zurückkehren. «Westworld», «His Dark Materials», «White Lotus» oder «Mayans M.C.». Im April kommt unser Original «Das Boot» mit einer neuen Staffel, im zweiten Halbjahr folgt «Babylon Berlin». Ebenfalls ein grosses Highlight für uns ist «House of the Dragon», das Spin-off zu «Game of Thrones». Im Oktober oder November natürlich die zweite Staffel von «Tschugger». Ebenfalls kann ich bereits verraten, dass es eine zweite Staffel zum «Sex and the City»-Nachfolger «And Just Like That» geben wird.
In Sachen Filme haben wir auch ein paar sehr tolle Highlights geplant, unter anderem erscheinen der neuste «James Bond», «Matrix 4» und «Minions 2» exklusiv auf Sky Show im regulären Abo.
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