Sony hat sein neustes Flaggschiff, die Alpha 1 vorgestellt. Sie positioniert sich ganz oben im Line-up der Sony Kameras – oder um es mit einem flachen Wortwitz zu sagen: Sie ist das neue Alphatier. Die A1 hat das Potenzial, für Leute die Vielseitig unterwegs sind, die einzige Kamera zu sein, die man braucht. Eine Tasche mit der Alpha 1, einige Objektive, Mikrofon und einem guten Stativ – egal, ob man ein Gebäude fotografieren, ein Interview filmen oder einen Fussballmatch festhalten will – in der Theorie meistert diese Kamera alles souverän. Ich durfte die Alpha 1 für rund zwei Wochen ausprobieren, um mir selbst einen Eindruck von ihr zu verschaffen.
Wer mit 4K filmt, muss kleine Abstriche machen
Schaut man sich das Datenblatt an, ist die A1 eigentlich eine A7SIII, die zusätzlich in 8K filmt. Tatsächlich ist die A1 gegenüber der A7SIII sogar etwas im Nachteil, wenn man in 4K filmen möchte, weil der neue Sensor alles von 8K auf 4K herunterrechnen muss. Wer mit 4K filmt, muss daher mit diesen kleinen Einbussen leben:
- Einen Crop von etwa 10 Prozent
- Ein schlechteres Rauschverhalten bei wenig Licht
- ISO nur bis 32’000, nicht 409’600
- die Akkulaufzeit ist etwas tiefer
Im täglichen Gebrauch wird das aber vermutlich kaum stören, wenn man nicht den direkten Vergleich mit dem 4K der A7SIII hat.
Wer mit 8K filmt, braucht ordentlich Rechenpower fürs Schneiden
Mit der Sony Alpha 1 in 8K filmen macht Spass, aber man muss sich bewusst sein, dass das auch bedeutet, dass man einiges an Ressourcen fürs Schneiden benötigt. Die kurzen Testclips in 8K haben mein MacBook Pro (2.9GHz 6-Core i9, 32 GB RAM, Radeon Pro Vega 20) schon ziemlich gefordert – ohne Proxies läuft nichts.
Wie viel schärfer 8K wirklich ist, siehst du auf diesen Vergleichsbildern. Entstanden sind sie mit dem neuen FE 18mm f/1.4. Der leicht andere Bildausschnitt ist dem bereits erwähnten leichten 4K-Crop geschuldet.
Für 4K-Delivery bedeutet 8K eine 200 Prozent Crop-Möglichkeit und wenn nur FullHD benötigt wird, reicht theoretisch ein Sechzehntel des Bildes aus. Das heisst: Eine Gesprächsrunde mit vier Leuten aus der Totale filmen und dann zusätzlich Nahaufnahmen der vier Personen zuschneiden – empfehlen würde ich das eher nicht, aber machbar ist es. Voraussetzung ist, dass die Gesprächsrunde nicht zu lang dauert, denn irgendwann wird entweder der Akku, der Speicherplatz oder die Wärmeentwicklung ein Problem.
Viel Auswahl bei den Aufnahmeformaten
Die Alpha 1 bietet verschiedene Aufnahmeformate zur Auswahl. 8K gibt es nur in 400Mbps XAVC-HS, also einem long GOP H.265 Format, das schön effizient vom Speicherplatzbedarf ist, aber die meisten Computer zum editieren nicht so toll finden. 8K wird mit 10-bit 4:2:0 Aufgezeichnet. Die fehlende 2 beim Chromasubsampling (4:2:0 vs 4:2:2) fällt auch bei praktisch keinem Anwendungsbereich ins Gewicht – für Greenscreen und Szenen, die ein sehr starkes Grading verlangen, würde ich aber vermutlich doch zu einem der 10-bit 4:2:2 Formate greifen.
Diese hat die Alpha 1 in 4K zur Genüge: 4K ist mit bis zu 120 Bilder pro Sekunde (für 120fps muss die Kamera auf NTSC umgestellt werden, im PAL Modus geht sie bis 100) in 10-bit 4:2:2 Formaten verfügbar. Nebst XAVC-HS gibt es für 4K auch ein XAVC S-I Modus, also ein All-Intra Codec der mehr Speicherplatz benötigt (600Mbps statt 280Mbps), sich aber dafür besser editieren lässt. Im All-Intra Codec passen circa 30 Minuten Video auf eine 160-GB-Speicherkarte. Wer mit der höheren Bitrate filmen möchte, braucht Sonys neue Speicherkarte CFexpress, die nicht gerade günstig ist: Eine Speicherkarte mit 160 GB kostet rund 400 Franken, eine mit 80 GB etwa 200 Franken.
Zum Vergleich: Eine Aufnahme in 4K und 8K – S-Cinetone, Weissabgleich etwas daneben und unterbelichtet. Graden lassen sich beide gut, übertreibt man es mit der Sättigung, sehen auch beide ähnlich schlecht aus.
Direkt aus der Kamera:
Etwas bearbeitet:
Wenn man die Sättigung so richtig hochschraubt:
Und was ist mit RAW?
Atomos erlaubt mit der Alpha 1 und dem Ninja V bereits 4.3K ProRes RAW mit bis zu 60fps extern aufzuzeichnen. Ich gehe schwer davon aus, dass mit dem Ninja V+ künftig auch 8K 30fps und 4K 120fps in ProRes RAW möglich sein werden, so wie bei der Canon EOS R5.
Fotografieren: Das Beste aus zwei Kameras
Im Bereich Fotografie ist die Alpha 1 klar das neue Flaggschiff und vereint alle Vorteile der Alpha 7RIV und der Alpha 9II oder übertrifft diese sogar. Die Alpha 7RIV hat mit 61 Megapixel einen etwas höher auflösenden Sensor, dafür aber einen etwa tieferen Dynamikumfang und einen minim langsameren Autofokus. Das Hauptfeature der Alpha 9II war die Geschwindigkeit. Die Alpha 1 ist jetzt schneller und hat einen 50 Megapixelsensor statt dem 24 Megapixelsensor der A9II. Zusätzlich löst der elektronische Sucher der Alpha 1 noch einmal eine Spur höher auf als alles, was Sony bisher verbaut hat. Bleibt einfach noch zu erwähnen, dass die A7RIV mit 4000 Franken und die A9II mit 5800 Franken immer noch deutlich günstiger sind als die Alpha 1 mit knapp 7800 Franken.
Sony Alpha 1 Testfazit: Kaufen oder nicht?
Für mich ist die Alpha 1 aktuell vor allem eine eindrückliche Tech-Demonstration was Sony im Hybridbereich herstellen kann. 8K ist wohl eher fürs Marketing cool – ich nehme an, wer für VFX-Shots zwingend 8K braucht, will kein XAVC und löst dies bereits mit einer RED.
Hybrid-User, die mit einer A9II für Geschwindigkeit, einer A7RIV für Auflösung und einer A7SIII für Video liebäugeln, können mit der Alpha 1 alles in einer Kamera haben. Wer einfach EINE Kamera möchte, die in jedem Bereich in der obersten Liga mitspielt, für den ist die Alpha 1 im Moment perfekt.
Wenn wir jedoch sehen, wie rasch sich die Kameratechnik entwickelt (vor allem Sony hört ja nicht auf neue Modelle vorzustellen), würde ich eher einzelne Kamerabodies für Fotografie und Video kaufen und diese dann jeweils separat upgraden. Eine A7SIII und eine A7RIV zusammen kosten ungefähr dasselbe wie die Alpha 1 – und mehr Kameras sind immer besser. 😉
Mehr zu Sony: