Sony will es noch einmal wissen. Obwohl das Unternehmen im Smartphone-Segment schon seit Jahren keine nennenswerten Marktanteile mehr gewinnen konnte, versuchen es die Japaner weiter. Auch in der Schweiz will es Sony noch einmal wissen und hat nebst dem neuen Flaggschiff Xperia 1 IV auch das Mittelklassegerät Xperia 10 IV vorgestellt.
Ich konnte das Gerät für rund vier Wochen ausgiebig testen. In dieser Zeit habe ich ein Smartphone kennengelernt, dass mich in einigen Aspekten positiv überrascht hat, in anderen aber zu wünschen übrig lässt.
Aussehen und Handhabung
Man muss Sony zugutehalten, dass sie nicht dem Mainstream folgen, sondern ihr eigenes Ding bezüglich Design durchziehen. Das heisst: keine randlosen Displays, ein Format von 21:9 und ein 3,5-Millimeter-Kopfhöreranschluss. Damit hebt sich Sony ganz klar von anderen Mittelklassegeräten ab.
Ob einem der etwas breitere Rand nun stört oder nicht, ist sicher Geschmacksache. Mich hat es nicht gestört, obwohl ich eigentlich ein Fan von möglichst randlosen (aber nicht gebogenen) Displays bin. Das liegt daran, dass das Gerät sehr schlank ist und damit überhaupt nicht klobig wirkt, wie mein letztes Testgerät, das Oppo Find X5 Lite.
Richtig begeistert war ich aber davon, wie gut das Xperia 10 IV in der Hand liegt. Hier zahlt sich Sonys Entscheidung, als Formfaktor auf 21:9 zu setzten, aus. Trotz einer Displaydiagonale von 6 Zoll fühlt sich das Gerät eher wie ein iPhone 13 Mini in der Hand an. Hier erhältst du also ein Smartphone, das trotz seiner Grösse mit einer Hand richtig gut zu bedienen ist.
Gehäuse hebt sich ab
Abheben tut sich das Xperia 10 IV auch beim Gehäuse. Während heutige Mittelklassegeräte meist auf eine Glasrückseite setzt, verwendet Sony eine Art Kunststoff. Dieser überzieht die Rückseite als auch den Rand und wirkt im ersten Moment ein wenig, als handle es sich um eine Hülle. Das soll aber nicht heissen, dass sich das Gerät billig anfühlt. Klar, es gibt Smartphones im Preisbereich von 500 bis 600 Franken, die sich hochwertiger anfühlen, aber mir hat das Äussere gut gefallen. Es war mal etwas Anderes und hat mich fast ein wenig an die alten Nokia-Lumia-Smartphones erinnert.
Praktisch ist auch, dass sich der SIM-Kartenschacht ohne zusätzliches Werkzeug mit der Han öffnen lässt. Dort findest du Platz für zwei SIM-Karten und eine microSDXC-Karte, wenn du eine der beiden SIM-Karten weglässt.
Fingerabdrucksensor nicht im Display
Interessant ist, dass sich Sony beim Fingerabdrucksensor dafür entschieden hat, diesen an der Seite unterzubringen. In Anbetracht dessen, dass das Xperia 10 IV fast 600 Franken kostet, hätte auch ein In-Display-Scanner drin gelegen. Stattdessen ist der Sensor seitlich in der Stand-by-Taste untergebracht. Das ist als Alternative okay. Einzig, wenn das Handy flach auf dem Tisch liegt, ist es etwas nervig, dass man das Smartphone immer hochheben muss, wenn man es per Finger entsperren möchte.
Unter dem Strich ist das Sony Xperia 10 IV ein hübsches Smartphone, das eigene Wege geht und mit seinem Formfaktor sehr gut in der Hand liegt.
Geschwindigkeit und Leistung
Hier komme ich dann auch schon zum ersten Minuspunkt. Sony hat leider an der falschen Stelle gespart und einen Prozessor verbaut, der seine Arbeit nicht gerade flott verrichtet. Zwar ist der Snapdragon 695 5G-fähig, ansonsten ist er aber ein Chip, der nicht mehr in einem Smartphone in dieser Preiskategorie verbaut werden sollte.
Das gemächliche Tempo, dass das Xperia 10 IV an den Tag legt, merkt man permanent. Das Entsperren dauert verhältnismässig lange, Apps starten teilweise eher gemächlich und auch beim Auslösen von Fotos dauert es eine kleine Ewigkeit, bis das Foto geschossen und abgespeichert ist.
Zwar ist das Tempo nicht so langsam, dass es unerträglich ist, aber eben doch spürbar. Ich will jedenfalls nicht wissen, wie langsam das Xperia 10 IV in einem oder zwei Jahren ist. Das ist sehr schade, denn so ist das Xperia 10 IV kein Kandidat für eine lange Lebensdauer.
Fingerabdrucksensor ist unzuverlässig
Ebenfalls verbockt hat Sony den Fingerabdrucksensor. Dieser reagiert zwischendurch einfach überhaupt nicht. Da kannst du den Finger vier, fünf, sechsmal in verschiedenen Positionen auf den Scanner auflegen und nichts passiert. Versucht man es dann weiter, reklamiert das Gerät, weil zu viele fehlerhafte Versuche unternommen worden sind.
Als mir dies das erste Mal passiert ist, dachte ich erst noch, es läge an mir. Schmutzige Finger, den Daumen nicht schön aufgelegt oder sonst irgendwas. Mittlerweile weiss ich aber mit Sicherheit, dass es der Sensor sein muss, der zwischendurch einfach Aussetzer hat. Das ist natürlich sehr ärgerlich.
Display
Beim Display hat Sony wiederum gute Arbeit abgeliefert. Für ein Mittelklassegerät gefielen mir die Farben und der Kontrast sehr gut. Alles wirkt schön scharf, einzig die Helligkeit hätte etwas besser sein dürfen. So kann es vorkommen, dass das Display bei starker Sonneneinstrahlung etwas schwerer lesbar ist. Das Oppo Find x3 Neo, das nur etwa 30 Franken mehr kostet, bietet hier beispielsweise ein viel helleres Display.
Kamera
Der Konkurrenzkampf in Sachen Fotografie ist im Mittelklassesegment brutal. Oppo, Samsung und sogar Apple haben Geräte im Sortiment, die die Messlatte hoch legen. Leider kann Sony mit dem Xperia 10 IV hier nicht auf Augenhöhe mitmischen.
Bei gutem Licht macht das Xperia 10 IV ansprechende Fotos. Allerdings hat die Kamera manchmal Mühe, eine ausgewogene Belichtung zu finden. Dann sind die Fotos entweder leicht über- oder unterbelichtet und so muss man manuell nachjustieren. Stimmt die Belichtung schliesslich, erfreut einem das Xperia 10 IV mit schön natürlichen Farben, was vor allem bei Landschaftsfotos zur Geltung kommt.
Wenig Licht mag das Xperia 10 IV nicht
Wo das Xperia 10 IV aber richtig Mühe hat, ist bei schwachem Licht. Teilweise reicht es schon an einem bewölkten Tag in einem Innenraum zu sein, um die Kamera an ihr Limit zu bringen. Da macht sich dann recht schnell Bildrauschen bemerkbar, die Farben verwaschen und die Bilder werden ausnahmslos zu dunkel. Damit eignet sich das Xperia 10 IV leider auch nicht für gute Nachtaufnahmen.
Zu guter letzte macht sich auch hier der langsame Prozessor bemerkbar. Nur schon das Öffnen der App dauert merklich lange im Vergleich zu anderen Mittelklassegeräten. Drückt man danach auf den Auslöser, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis das Foto gemacht und in der Vorschau der Bildergalerie auftaucht. Ich kann mich nur wiederholen: Sony hat hier am falschen Ort gespart.
Software
Purist:innen dürfte freuen, dass Sony beim Betriebssystem auf ein kaum modifiziertes Android setzt. Gelegentlich gibt es kleine Ergänzungen, im Wesentlichen fühlt sich das Betriebssystem aber wie pures Android 12 an. Auch bei den vorinstallierten Apps übertreibt es Sony nicht. Nebst der einen oder anderen Anwendung aus eigenem Hause gibt es natürlich die Facebook-App, die sich leider nur deaktivieren lässt. Das ist insofern nervig, da die App nach dem Deaktivieren noch immer 263 MB Speicherplatz verbraucht. Dafür hat Sony darauf verzichtet, einen Rechner zu installieren. Dieser ist aber natürlich schnell via PlayStore nachgerüstet.
Software-Support hinkt hinterher
Ein leidiges Thema war bei Sony schon immer der Software-Support. Für die neue Gerätegeneration hat sich Sldas unternehmen etwas gebessert und garantiert zwei Jahre Updates. Im Vergleich zu vielen anderen Android-Anbietern, die mittlerweile fast standardmässig vier Jahre anbieten, ist das aber doch etwas mager.
Dass Sony mit zeitnahen Updates noch immer hadert, zeigt sich auch bei den Sicherheitspatches. Hier hinken die Japaner bereits hinterher. Auf meinem Testgerät wurde die letzte Sicherheitsaktualisierung im April 2022 verteilt, also vor bald drei Monaten. Das ist noch nicht tragisch, allerdings sollte Sony hier baldmöglichst mal wieder einen Sicherheitspatch nachliefern. Damit bleibt die Update-Politik der Japaner weiterhin ein russisches Roulette.
Akku und Laden
Für mich gab es beim Akku die grösste Überraschung. Mit einer Kapazität von 5000 mAh hat Sony einen ordentlich grossen Akku verbaut. Allerdings kann auch Samsung Mittelklasseflaggschiff, das Galaxy A53, mit einem solchen Akku aufwarten. Allerdings: Das Sony Xperia 10 IV hält erstaunlich lange durch. In meinem Testzeitraum musste ich das Gerät jeweils erst nach zwei Tagen wieder aufladen – und das trotz intensivem Gebrauch. Hier könnte sich der etwa schwächere Prozessor für einmal positiv ausgewirkt haben, da dieser höchstwahrscheinlich weniger Strom verbraucht.
Muss das Xperia 10 IV dann doch mal an die Steckdose, dauert es leider sehr lange, bis das Gerät wieder voll aufgeladen ist. Sony hat kein Ladegerät in den Lieferumfang gepackt und so musste ich für meinen Test auf Ladegeräte von Huawei und Oppo zurückgreifen. Diese liefern bis zu 66 Watt, allerdings ist deren Fast-Charging-Protokoll kaum mit Sony-Smartphones kompatibel. Und selbst wenn: Das Xperia 10 IV unterstützt laut GSM Arena nur 21 Watt, was für einen Preis von knapp 500 Franken doch etwas wenig ist. Kabelloses Laden wird übrigens nicht unterstützt, was aber verkraftbar ist.
Pro und Contra des Sony Xperia 10 IV
Das Testfazit zum Sony Xperia 10 IV
Das Sony Xperia 10 IV ist ein Gerät, das bei mir für ein Wechselbad der Gefühle gesorgt hat. Der Formfaktor ist klasse und die Akkulaufzeit herausragend. Das wäre eigentlich eine gute Basis für ein grossartiges Mittelklassesmartphone. Doch Sony verbaut sich diese grossartige Möglichkeit mit einem Prozessor, der das Xperia 10 IV merklich langsam macht, einem Fingerabdrucksensor, der zwischendurch Aussetzer hat und einer Kamera, die nur mit genügend Tageslicht gute Foto. macht.
Wäre der Prozessor genug schnell, ich hätte dem Xperia 10 IV die durchschnittliche Kamera nachgesehen. Vor allem auch, da Sony dort via Updates nachbessern kann, genauso beim Fingerabdrucksensor. Aber das gemächliche Tempo des Geräts hat mit der Zeit doch an meinen Nerven gezerrt. Leider bleibt das Sony Xperia 10 IV unter diesen Umständen ein Smartphone, das gute Ansätze hat, aber für einen Preis von 499 Franken als Gesamtpaket zu teuer ist.
Das Sony Xperia 10 IV gibt es ab sofort für 499 Franken (UVP) in den Farben Mint, Lavender, Weiss und Schwarz zu kaufen.