Seit über einem Monat läuft «The Sandman» auf Netflix und begeistert Kritiker:innen und Publikum gleichermassen. Auch die Aufrufzahlen sollen zufriedenstellend sein, eine 2. Staffel scheint nur Formsache zu sein. Trotzdem hält sich Netflix auffallend mit der Bestätigung einer weiteren Staffel zurück.
Das ist umso verwunderlicher, da Netflix in der Vergangenheit bei Hitserien jeweils sehr schnell neue Episoden angekündigt hat. Das war bei «The Witcher» genauso der Fall wie beim «Stranger Things» oder «Better Call Saul». Weshalb ziert sich der Streaming-Gigant also so sehr, eine 2. Staffel für «The Sandman» in Auftrag zu geben?
«The Sandman» ist teuer – vielleicht sogar zu teuer. Rund 15 Millionen soll Netflix pro Episode hingeblättert haben. In der heutigen Serienlandschaft ist das nicht unbedingt ein ausserordentlicher Betrag. Mittlerweile sind solche Budgets für Flaggschiff-Serien normal. HBO hat für «House of the Dragon» rund 20 Millionen pro Episode ausgegeben, Amazon hat für die ersten zehn Folgen «Ringe der Macht» 250 Millionen budgetiert. Auch Netflix hat in der Vergangenheit schon weitaus teurere Serien produziert. So hat eine Folge der letzten Staffel «The Crown» fast 20 Millionen US-Dollar gekostet.
Netflix muss dringend sparen
Weshalb Netflix trotzdem noch zurückhaltend mit einer Verlängerung von «The Sandman» ist, könnte an der aktuellen Geschäftssituation liegen: Der Streaming-Anbieter hat im zweiten Quartal 2022 rund 200’000 Abonnent:innen verloren. Zwar waren ein Grossteil davon russische User, die wegen des Ukrainekriegs von Netflix ausgeschlossen wurden – trotzdem reagierten die Investor:innen empfindlich. Die Netflix-Aktie stürzte nach der Bekanntgabe der Quartalszahlen ins Bodenlose. Innert weniger Stunden fiel der Kurs von rund 348 Dollar auf 226 Dollar. Nicht einmal einen Monat später war die Netflix-Aktie noch 166 Dollar wert.
Seither ist bei Netflix Sparen angesagt. Noch im Mai entliess das Unternehmen 150 Angestellte, im Juni dann noch einmal 300. Bei den aktuellen Produktionen will Netflix zwar noch nicht sparen, sehr wohl aber bei neuen Projekten. Statt wie in der Vergangenheit dreistellige Millionenbeträge für einzelne Serien oder Filme auszugeben, möchte man sich wieder auf günstigere Produktionen konzentrieren. Und genau das dürfte der Grund sein, dass «The Sandman» noch kein grünes Licht für Staffel 2 erhalten hat – zumindest offiziell.
«The Sandman» fehlt der Hype
Ja, «The Sandman» scheint gute Aufrufzahlen zu haben, ein Überflieger ist die Serie aber nicht. Das merkt man auch an der Berichterstattung in den Medien: Serien wie «Stranger Things» oder «Squid Game» konnten einen riesigen Hype generieren. Das führte dazu, dass selbst das unbedeutendste Käseblatt noch über die Serien berichtete. Diese Aufmerksamkeit ist für Netflix ungemein wichtig. Nicht nur, um neue Abos zu verkaufen, sondern auch um das Merchandising rund um eine Serie anzukurbeln.
Bei «The Sandman» blieb dieser Hype aus. Wurde über die Serie berichtet, war das fast nur in den einschlägigen Publikationen. Damit konnte kein Gruppendruck entstehen, der auch uninteressierte User dazu bewegt, in eine Serie reinzuschauen. Bei einer Investition von geschätzt 150 Millionen für die gesamte Staffel ist das zu wenig.
Einfach nur absetzen geht auch nicht
Trotzdem ist «The Sandman» Kult, hat eine riesige Fanbase und einen Autor, der in der Szene verehrt wird. Damit kann Netflix die Serie nicht einfach absägen. Zumal Autor Neil Gaiman gesagt hat, dass er «The Sandman» bei einem anderen Sender unterbringen dürfe, wenn Netflix die Serie absetze. Das Schlimmste, was aus Sicht von Netflix passieren könnte, wäre, wenn sie die Serie absetzten, ein anderer Streaming-Anbieter sie übernimmt und sie bei diesem doch noch zum Hit avanciert.
Es ist also aus der Sicht von Netflix nachvollziehbar, dass sich der Streaming-Riese schwer damit tut, eine 2. Staffel anzukündigen. Sollten sie sich allerdings doch dazu entscheiden, wäre alles bereit. Wie Gaiman auf Twitter bekannt gegeben hat, sind die Drehbücher für die neuen Folgen bereits fertig.