Er wurde 2012 mit der Webserie «Tschutter» erstmals einem breiteren Publikum bekannt. Später legte er mit «Rocco» und «Hamster» nach. Jetzt steht David Constatin wohl vor der grössen Premiere seiner Karriere. Am 28. November startet die Serie «Tschugger» beim SRF und dem Streaming-Anbieter Sky Show. Constantin hat nicht nur am Drehbuch mitgeschrieben, sondern stand auch gleich selbst hinter und vor der Kamera. Mit vybe hat er über die Arbeit an der Serie gesprochen – vom ersten Rückschlag bis hin zu den nächsten Schritten.
vybe: Erst einmal ganz simpel: Wie kamst du auf die Idee für «Tschugger»?
David Constantin: Das Ganze entstand wohl durch ein Wortspiel. Wir haben ja 2012 die Webserie «Tschutter» gemacht, wo es um Fussball ging. Wir wussten, dass wir sicher etwas anderes als das machen wollen. Als Erstes kam uns da natürlich Tschugger, also Polizei, in den Sinn. Wir alle hatten schon viele Geschichten zu diesem Thema gesammelt. Damals wussten wir aber sicher noch nicht, was das Ganze für ein Ausmass nehmen würde.
Du hast die Serienidee das erste Mal 2017 beim SRF präsentiert. Damals wurde sie abgelehnt. Wie bist du damit umgegangen?
Eigentlich war das ein ziemlicher Rückschlag. Aber zum Glück haben wir den Glauben ans Projekt nicht verloren. Das SRF hatte argumentiert, dass «Tschugger» zu nahe an «Wilder» sei. Da war mir klar, dass wir unsere Idee auf Papier wohl nicht ganz rüberbringen konnten.
Hattet ihr denn zu dieser Zeit noch Alternativen zum SRF?
Einen reichen Onkel habe ich nicht und Kryptowährungen habe ich nie begriffen. Da blieb uns nur die Möglichkeit es einfach nochmals zu versuchen. Und da es schwierig ist den Humor und die Tonalität der Serie auf Papier rüberzubringen, wussten wir, dass uns nur ein Teaser oder ein Pilot weiterhilft.
Du hast dann einen Teaser auf eigene Faust produziert, zusammen mit Shining Film. Hat es dafür viel Überzeugungsarbeit gebraucht?
In meinem Umfeld haben alle an die Idee geglaubt. Aber mit Glaube allein ist ein Teaser natürlich nicht produziert. Wir mussten dann auch einen ordentlichen Betrag investieren, ohne zu wissen, ob sich das auszahlt.
Und diese Kosten musstest du privat aufbringen oder hat das Shining Film übernommen?
Privat und Shining Film.
Der Teaser hat dann nicht nur das SRF überzeugt, sondern auch Sky Show. Wie war das für dich? Hast du dich gefreut oder warst du eher skeptisch, weil nun ein internationaler Streaming-Dienst mitmischt?
Nein, ich hatte da keine Bedenken, sondern ein gutes Gefühl. Sophie [die Produzentin von Shining Film, Anmerkung der Redaktion] hat da die Verhandlungen geführt und mir diesbezüglich ein gutes Gefühl vermittelt. Sie hat mich auch immer schön abgeschirmt, sodass ich mich vollkommen auf die kreative Arbeit konzentrieren konnte.
An der Premiere von «Tschugger» habt ihr erwähnt, dass das Casting eine anstrengende Arbeit sei. Was muss man sich darunter vorstellen?
Beim Casten musst du Leute tatsächlich einladen und sie treffen. Ein Casting geht ungefähr eine halbe Stunde. Und bei jedem Casting lernst du in dieser kurzen Zeit einen neuen Mensch kennen. Dann probst du mit dieser Person, improvisierst auch. Und wenn du dann nach wochenlangem Casting die gesamte Besetzung noch nicht zusammen hast, musst du weitersuchen. Das braucht sehr viel Zeit und Energie.
Das Problem ist auch, dass der Schweizer Markt sehr klein ist. Im Wallis gibt es sowieso nicht viel in dieser Hinsicht, da sind schnell mal alle Theater abgeklappert. Wir haben auch mit Casting-Agenturen zusammengearbeitet, aber auch da ist irgendwann Schluss. Dann gehst du halt einfach auf die Strasse oder an Veranstaltungen und suchst bis du findest.
War das auch der Grund, weshalb der Cast aus Laiendarsteller*innen besteht – weil es im Wallis zu wenig professionelle Darsteller*innen gibt?
Nein. Ich habe schon immer mit Laiendarsteller*innen gearbeitet. Ich habe jeweils so eine klare Vorstellung der Figur vor Augen, dass ich es noch cool finde, einfach Leute aus dem Leben zu nehmen, die optisch und vom Charakter her schon eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen.
Ist es denn nicht viel schwieriger mit Laiendarsteller*innen zu arbeiten?
Es ist sicher eine Herausforderung. Man muss mehr proben und braucht mehr Drehzeit. Professionelle Schauspieler*innen kommen ans Set und mit ihnen drehst du einfach. Sie wissen, wie sie sich zur Kamera drehen müssen, spüren, wie das Licht sie trifft. Bei Laien musst du nur schon schauen, dass sie sich nicht so sehr auf den Text konzentrieren, dass sie dabei alles andere vergessen. Was aber auch schön ist, ist, dass man sieht, wie alle Fortschritte machen. Wir drehen jetzt gerade die 2. Staffel und hier sieht man schon sehr gut, wie viel sie dazu gelernt haben. Es macht auf jeden Fall Spass.
Wie war das denn bei Anna Rossinelli und Cedi? Hattest du sie auch bereits vor Augen, als du das Drehbuch geschrieben hast?
Wenn wir schreiben, stellen wir uns erst immer ein Figurenkabinett zusammen und sammeln dazu Mood-Bilder. Das können Fotos von bekannten Hollywood-Grössen sein, aber auch einfach ein Gesicht irgendeiner Person, die passt.
Anna Rossinelli ist relativ früh auf diesem Mood-Board gelandet, einfach, weil ich sie als Künstlerin gekannt habe. Ich habe mir immer gedacht, dass sie ideal für diese Rolle wäre. Sie ist lustig und hat Charme und kann sich so beim Publikum Sympathiepunkte holen, obwohl ihre Figur eigentlich streng ist und den Tarif durchgeben muss.
Cedi fand ich schon immer einzigartig in der Schweizer Comedylandschaft. Und ich dachte mir, der könnte super zum Projekt passen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und überlegt, wie wir ihn in die Serie bringen könnten. Dabei sind wir dann recht schnell auf den Praktikanten aus Zürich gekommen.
Cedi kennt man ja hauptsächlich als den Typen, der witzige Videos macht. Hattest du da keine Bedenken, dass er Mühe haben wird, hinter seiner Rolle zu verschwinden und die Leute ihn in «Tschugger» einfach als Cedi sehen?
Nein, überhaupt nicht. Klar sieht man da zuerst Cedi, aber das ist ja bei Brad Pitt und Konsorten nicht anders. Cedi hatte zu Beginn eher Bedenken, wegen fehlender Schauspielerfahrung. Ich war darüber etwas verwundert, da er ständig vor der Kamera steht. Wir haben dann aber ein Casting gemacht, um zu sehen, ob das funktioniert und Cedi ist dann rasch in seiner Rolle aufgegangen.
«Tschugger» lebt auch vom Walliser Dialekt. Denkst du, dass die Serie auch funktionieren könnte, wenn sie nicht im Wallis angesiedelt wäre?
Ja. Diese Geschichte könnte man überall erzählen. Wichtig ist, dass Figuren glaubwürdig sind. Man muss ihr Handeln nachvollziehen können und sie gerne bekommen. Für mich spielt da Dialekt und Herkunft keine Rolle.
«Tschugger» wird auch in Deutschland und Österreich starten. Für später ist sogar eine englische Synchronisation geplant. Wie wollt ihr den Charme des Walliser Dialekts mit den verschiedenen Synchronisationen erhalten?
Die Darsteller*innen synchronisieren sich für das Hochdeutsche alle selber. Ich hoffe also, da wird recht viel vom Charme erhalten bleiben. Auch weil wir alle so richtig «schlechtes» Walliser-Hochdeutsch sprechen. Ich denke, das wird sehr komisch und die Deutschen und Österreicher, sie werden es wohl lieben oder hassen.
Die englische Synchronisation ist im Moment noch zu wenig weit fortgeschritten, damit ich sagen kann, wie diese klingen wird.
Bisher hast du Webserien wie «Tschutter» oder «Rocco» gedreht, nun machst du dieses richtig grosse Projekt für das SRF und Sky. War das eine starke Umstellung für dich?
Der grösste Unterschied ist, dass alles viel länger dauert. Die Vorbereitung, die Drehzeit, die Post Production. Wir haben beispielsweise fast einen Monat gedreht. Ich finde das cool. In der Werbung ist es meistens so, dass das Projekt schon wieder zu Ende ist, kaum hat es angefangen. Jetzt so lange an einem Projekt zu arbeiten und zusammen mit einer coolen Equipe alles umzusetzen ist schon sehr schön.
Du hast ja nicht nur am Drehbuch mitgeschrieben, sondern führst auch Regie und bist der Hauptdarsteller. Wie funktioniert das bei einer Szene, wo du selbst mitspielst. Du kannst dich ja nicht in zwei Personen aufteilen?
Für das gibt es den Co-Regisseur, Leo Russo, der mir hilft. Wenn ich vor der Kamera bin, konzentriere ich mich aufs Spiel und überlasse alles andere ihm und natürlich dem Kameramann Rafael Kistler. Sie sind beide auch im Writer’s Room, so wie auch der 2nd Unit Regisseur Johannes Bachmann. Klar, manchmal gebe ich dann trotzdem einmal einen Input. wenn mir etwas auffällt. Aber für uns hat das so bisher wunderbar funktioniert.
Lässt man das SRF weg, gibt es in der Schweiz kaum hochwertige Serienproduktionen. Mit «Tschugger» investiert jetzt erstmals ein internationaler Streaming-Anbieter in die Schweiz. Denkst du, die Serie könnte diesbezüglich etwas bewegen?
Ich hoffe natürlich schon, dass internationale Streaming-Anbieter anfangen, mehr in die Schweiz zu investieren, dass sie erkennen, dass gute Geschichten aus der Schweiz kommen können und es sich lohnt, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Da braucht es aber sicher auch politischen Druck. Dass Streaming-Anbieter nun vier Prozent reinvestieren müssen, ist schon einmal ein guter Schritt.
Es gibt da ja aber auch Kritik, dass diese «Lex Netflix» der Schweizer Filmindustrie schadet. Wie siehst du das?
Ich sehe es als Chance. Aber klar, damit ist es nicht getan. Es müssen auch gute Inhalte kommen. Hier sind die Schweizer Filmschaffenden gefordert. Wir müssen geile Geschichten schreiben, die die internationale Aufmerksamkeit verdienen. Streaming ist in der Schweiz hoch im Kurs. Es gibt so viele Abos und die Dienste verdienen so viel Geld damit, da wäre es nur korrekt, wenn die Unternehmen etwas zurückgeben und in der Schweiz produzieren.
Du drehst aktuell die 2. Staffel von «Tschugger». Hast du nebenher schon ein neues Projekt, an dem du arbeitest?
Mein nächstes Projekt sind Ferien. Also ich schaue, dass ich im Dezember Ferien machen kann. Danach sitze ich auch noch im Schnitt für die 2. Staffel. Und dann liegen da noch viele Geschichten in unseren Schubladen, die wir noch gerne erzählen möchten.
«Tschugger» startet am 28. November. Auf Sky Show, Play Suiss und Play SRF sind alle fünf Folgen abrufbar. Im linearen Fernsehen werden am 28. November ab 21.45 Uhr die ersten beiden Episoden gesendet, danach wöchentlich eine Folge um die gleiche Zeit.
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