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Von mörderisch gut bis unzüchtig dumm: «Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.

Ich schüttle meinen Kopf und muss das Spiel wieder einmal pausieren. Hat sich mein Sidekick gerade in ein vollbusiges Wesen in sexy Uniform verwandelt und haut mir zotige Wörter um die Ohren? Ich dachte «Master Detective Archives: RAIN CODE» wäre ein simples Detective-Game, wo ich Schritt für Schritt diverse Morde aufklären darf. Aber nein, dieses Videospiel aus Japan ist anders. Sehr anders. Aber der Reihe nach.

Der Klassiker: Wer bin ich?

Hauptfigur Yuma kann sich an nichts mehr erinnern. In einem Abstellraum kommt er auf dem Boden liegend zu sich und ist mehr als verwirrt. Ein Dokument in seiner Tasche gibt ihm erste Hinweise. Er ist ein Juniordetektiv und auf dem Weg zum Bahnhof, um einen Zug zu erreichen, der ihn in den geheimnisvollen Kanai-Bezirk bringen soll.

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.
Bild: Spike Chunsoft

Auf dem Weg dorthin trifft er auf diverse Meisterdetektive, die dann auch noch allesamt prompt ermordet werden. War es etwa Yuma selber, der alle auf dem Gewissen hat? Es wird noch mysteriöser: Ein kleiner Geist mit dem Namen Shinigami scheint sich in sein Bewusstsein eingeschlichen zu haben und fungiert ab sofort als Erklär-Bär, der ihm nicht mehr von der Seite weicht und uns alle Spielmechaniken bis ins kleinste Detail mitteilt. 

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.
Bild: Spike Chunsoft

Als die beiden in der Stadt ankommen, wo Dauerregen dominiert, geht das Abenteuer erst richtig los: Eine mysteriöse Unternehmens-Vereinigung kontrolliert die City und trotzdem scheint das Verbrechen allgegenwärtig zu sein. Yuma macht sich auf den Weg diverse Fälle zu lösen, sammelt Beweise, spricht mit ganz vielen Figuren und versucht parallel auch seine eigene Vergangenheit aufzudröseln. 

Auf dem kuriosen Weg zur Wahrheit

Auf seiner Reise wird die Kuriosität zum stetigen Begleiter. Um einen Fall zu lösen, wird er von seinem Geister-Kumpel regelmässig an einen fremden Ort teleportiert, wo Yuma in einem konfusen Labyrinth Schritt für Schritt die Indizien bearbeiten und auch bekämpfen muss. Ja, das hört sich alles verwirrend und abgefahren an und ist es auch. Denn an diesem Ort, quasi ein Spiel im Spiel, herrschen ganz andere Regeln.

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.
Bild: Spike Chunsoft

Der Geist-Sidekick verwandelt sich in ein übersexualisiertes Wesen, Yuma kämpft mit einem Schlüssel-Schwert regelmässig gegen Arena-Wesen und muss diesen seine Indizien mit Gewalt um die Ohren hauen. Die Fälle manifestieren sich, Argumente werden via Buchstaben und Textfragmenten auf uns losgeworfen und immer wieder haut die Dame an unserer Seite einen leicht versauten Spruch raus. Crazy!

Es braucht Toleranz

Ja, dieses Videospiel ist für Fans von aussergewöhnlichen Figuren-Konstellationen und japanischer Erzählkunst ein Genuss. Die schrägen, überzeichneten Figuren, die langen Dialoge und wahrlich abgefahrenen Spielmechaniken brauchen Toleranz. Doch macht man einen Schritt zurück und blickt auf die Merkmale eines Detective-Games, offenbart sich hier ein wunderschöner Spielkern, der einem trotz der kruden Rahmenhandlung fasziniert.

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.
Bild: Spike Chunsoft

Denn die Mordfälle, die es gilt zu lösen, wurden allesamt spannend inszeniert. Wer generell auf das Krimi-Genre steht, wird hier genüsslich an den Tatorten herumwuseln und sich auf die Suche nach Indizien machen. Früher oder später geht es via Portal in die Labyrinth-Welt, wo der Fall dann gelöst wird. Hier wird man entweder mit den Augen rollen oder freudig klatschen. 

Der Szenerie-Wechsel kann sowohl als Belohnung als auch als Immersionskiller betrachtet werden. Ich fand den Wechsel anfangs interessant, rollte dann im Verlauf des Spiels immer mehr mit meinen Augen, weil ich mich lieber in der «realen» Welt aufhielt. Auch meine Begleitung zerrte immer stärker an meinen Nerven. Aufgesetzte Quick-Time-Events-Abschnitte und übersexualisierte Minigames machten mir das Game-Leben zusätzlich schwer.

Trotz Schwierigkeiten ein mörderischer Spass

Fazit: Den anzüglichen Humor, der sich in diesem Detective-Game immer wiedermal in den Vordergrund geschlichen hat, akzeptierte ich schliesslich als Stilmittel, das bei mir aber nicht zünden konnte. Viele Dinge, die abseits der Mordfälle passieren, fand ich deplatziert und zum Fremdschämen. Auch die Abschnitte in der kuriosen Labyrinth-Welt und die noch kuriosere Kampfmechanik haben meine spielmechanischen Toleranzgrenzen stark angekratzt.

«Master Detective Archives: RAIN CODE» im Test.
Bild: Spike Chunsoft

Aber: Alleine die wunderschön düstere Stadt, ihre Atmosphäre, die mitteilungsfreudigen Bewohnenden und die Tatortbesichtigungen haben mich dann immer wieder zurückgeholt und mir gezeigt, warum ich dann doch im Spiel blieb. Denn trotz seiner abgefahrenen Übertreibungen ist «Master Detective Archives: RAIN CODE» ein fesselndes und spannendes Crime-Game, das mit gut strukturierten Rätseln und vielen Mysterien mit überraschenden Wendungen überzeugt. 

Wer keine Toleranz walten lässt, wird das Spiel nach ein paar Stunden schnell weglegen. Wer aufgeschlossen und neutral bleibt, erlebt ein aussergewöhnliches Videospiel, das in seiner Form nur in Japan das Licht der Game-Welt erblicken kann.

«Master Detective Archives: RAIN CODE» ist erhältlich für Nintendo Switch. Freigegeben ab 16 Jahren.

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Über Simon Dick

Populärkultur und Unterhaltungsmedien begleiten mich schon seit Jahrzehnten. Als freischaffender Game- und Filmkritiker darf ich hier meine subjektiven Zeilen hinterlassen und leidenschaftlich «rumvyben».

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