Viel hat man vor bei TCL. Der Elektronikkonzern aus China will endlich auch in Europa eine feste Grösse werden. Dazu gehört auch die Schweiz. Vor allem XL-Fernseher sollen die Schweizer:innen in Zukunft kaufen, wenn es nach TCL geht. Gleich mehrere davon hat das Unternehmen an der Milano Design Week vorgestellt. XL sind diese wahrlich: 85 Zoll misst der kleinste der drei ausgestellten Modelle in der Diagonale, während das grösste Gerät mit gigantischen 98 Zoll auf dem Ausstellungspodest des Showrooms von TCL steht. Sie alle sind Teil der neuen C84-Reihe, die hierzulande ab Mai die Herzen der TV-Fans erobern sollen.
Mit den drei neuen Fernsehern nimmt TCL vor allem zwei Gruppen ins Visier: Heimkinofans und Gamer:innen. Sässe man drei Meter vor dem 98-Zoll-TV, habe dies den gleichen immersiven Effekt, wie wenn man im Kino in der Mitte des Saals sässe und auf eine 14-Meter-Leinwand schauen würde. Klingt natürlich verlockend. Das Kino in den eigenen vier Wänden. Im Zeitalter des Streaming, in dem viele Filme schon kurz nach dem Kinostart als Stream verfügbar sind, dürfte so manche Person diesen Gedanken sympathisch finden – zumal man zu Hause keine potenziell nervigen anderen Kinobesucher:innen aushalten muss.
Viel Technik zu niedrigen Preisen als Anreiz
Zu einem Kinoerlebnis gehört auch guter Sound und auch hier tritt man bei TCL selbstbewusst auf. Hart umkämpft sei der Markt für Soundbars und Heimkinosysteme, verrät mir ein TCL-Vertreter, ist aber überzeugt, dass man mit seinen Produkten aus der Masse herausstechen werde. Dass TCL technisch gute Produkte hat, steht ausser Frage. Ob man sich damit aber von der Konkurrenz abheben kann? Schwierig. Immerhin haben auch Sony, Sonos oder LG sehr spannende Soundbars im Programm. Wo TCL definitiv herausstechen kann, ist beim Preis. Hier verfolgt das Unternehmen eine ähnliche Preisstrategie, wie so viele chinesische Unternehmen zuvor: richtig potente Technik zu verhältnismässig niedrigen Preisen.
Vor allem in der Schweiz ist das wohl die einzig mögliche Strategie, denn wir sind hierzulande sehr wechselfaul markentreu. Wer sich einmal einen Samsung-, LG- oder Sony-Fernseher gekauft hat, tut dies vermutlich ein Leben lang. Dass man das Schweizer Herz aber trotzdem verleiten kann, hat Huawei wunderbar bewiesen: Wenn sie dich nicht kennen, mach ihnen eben ein Angebot, dass sie nicht ablehnen können. So wurde Huawei in der Schweiz zwischen 2013 und 1019 zum drittgrössten Smartphone-Hersteller. Hätte der US-Bann dem Unternehmen kein Ende gesetzt, Samsung hätte einen schweren Stand, hierzulande der grösste Android-Anbieter zu bleiben. Denn selbst, als Huawei die Preise für seine Smartphones ab 2016 auf das Niveau von Samsung und Apple anhob, legte die Marke zu: Denn inzwischen erkannte man auch hierzulande, dass Huawei hervorragende Qualität bot.
Mini-LED macht grosse TVs günstiger
Nun möchte TCL diesen Erfolg wiederholen. Weltweit gesehen hat man das schon geschafft. Das Unternehmen ist in diversen Ländern in den Top 3 der meistgekauften TV-Marken. Unter anderem in den USA, Frankreich oder Australien greifen die TV-Käufer:innen häufig zu TCL-Geräten. Damit hat sich TCL 2022 zum global zweitgrössten TV-Hersteller gemausert. Und in der Schweiz? Da wird TCL noch unter «ferner liefen» gelistet. Sätze wie «Wer ist TCL?» oder «Ist TCL seriös?» gehören hierzulande zu den häufigsten Suchanfragen bei Google.
Betrachtet man TCL aber von einer rein technischen Perspektive, gehört das Unternehmen zu den Treibern der Branche. Sie haben nicht nur Mini-LED erfunden und populär gemacht, sie treiben die Technologie auch mit viel Effort voran. Dies hat, überspitzt gesagt, zu zwei Dingen geführt: Einer Diskussion, ob nun OLED oder Mini-LED besser sei und dass es erschwingliche Fernseher über 65 Zoll gibt. Hier liegt nämlich die grosse Schwäche von OLED: Fernseher mit Diagonalen von 75, 85 oder gar 98 Zoll sind kaum bezahlbar. Wer sich 2022 einen 4k OLED-TV mit 83 Zoll kaufen wollte, musst mit rund 6500 Franken rechnen. Hingegen gab es einen Mini-LED-TV mit 98 Zoll bereits ab 4500 Franken.
Ein grösseres Bild für 2000 Franken weniger? Das dürfte auch hierzulande viele überzeugen. TV-Enthusiast:innen werden jetzt argumentieren, dass OLED noch immer besser als Mini-LED sei. Das mag stimmen. Das Ding ist aber: Der Unterschied dürfte den Wenigsten auffallen. Vor allem aber wird er immer kleiner. Nur schon mit dem diesjährigen TV-Line-up, das TCL in Milan vorgestellt hat, wird es schwierig, dem durchschnittlichen TV-Käufer zu erklären, warum er nun 2000 Franken mehr für OLED ausgeben soll – vor allem, wenn die Bildschirmdiagonale noch kleiner ist. Einen OLED mit 98 Zoll dürfte mit fast 20’000 Franken selbst einem OLED-Verfechter (mit einem normalen Gehalt) zu teuer sein.
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